Am Präsentierteller

Spitzensegler/innen sitzen zunehmend am Präsentierteller. Bei vielen Regatten kann nicht nur der Coach vor Ort, sondern auch ein breites Publikum live mitfiebern, das zeigen Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit. Im einfachsten Fall, bei der Nacra-WM in Holland, bot simples Tracking Symbolboote am Bildschirm. Deutlich lebendiger war eine mit mehreren Kameras und intelligenten Erläuterungen versehene Video-Übertragung der Finals bei der 49er-EM in Dänemark. Absolut top schließlich der America’s Cup mit On-board-, Helikopter- und Begleitmotorbootkameras und den Besten der Branche als Fachkommentatoren.
Für die Zuschauer ist das ein Riesenfortschritt. Ich persönlich etwa habe durch simples Beobachten eine Menge über Taktik und Strategie gelernt. Für manchen betroffenen Segler ist dieser Zustand aber gewöhnungsbedürftig. Potenziell die ganze Welt Zeuge, wie du deinen Start vergeigst? Dich nach dem Prinzip Hoffnung radikal in irgendeine Ecke manövrierst oder mit einem knappen „Shit“ ein misslungenes Manöver kommentierst? Nicht jedermanns Sache …
Diese Form der Öffentlichkeit formt nicht nur das persönliche Image. Sie hat auch Auswirkungen auf die Leistung. Die „Social Facilitation Theory“ beschäftigt sich damit, wie sich die Existenz von Zusehern unterschiedlicher Art auf die Leistungserbringung auswirkt. Ausgangspunkt war ein von Norman Triplett bereits 1897 (!) vorgestelltes klassisches Experiment mit Radfahrern, das positive Effekte von Publikum nachwies. Über die Jahre kristallisierte sich eine wesentliche Einsicht heraus: Die Anwesenheit anderer verstärkt bei den handelnden Akteuren die bisherige dominante Reaktion. Soll heißen: Wer unsicher agiert, wird vor Publikum noch unsicherer. Wer hingegen vor Selbstbewusstsein strotzt, gewinnt noch mehr dazu. Das ist auch für Segler/innen interessant: Ist ihnen klar, dass sie beobachtet werden? Wie reagieren sie während der Wettfahrt darauf? Wo liegen Gefahren, wo Chancen in der Präsenz von Publikum? Wie muss man in der sportpsychologischen Vor- und Nachbereitung darauf reagieren? Interessante Aufgaben für die Trainer und Aktiven. Und keine einfachen Lösungen in Sicht.

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