"Der Knackpunkt ist die Stromversorgung"

Interview mit Christoph Ballin, dem Erfinder des innovativen Elektromotors Torqeedo

"Der Knackpunkt ist die Stromversorgung"

Yachtrevue: Sie waren vor der Gründung von Torqeedo vor zehn Jahren Geschäftsführer beim Gartengerätehersteller Gardena. Was hat Sie dazu bewogen, diesen sicheren Hafen zu verlassen und als Branchenfremder in die nicht ganz so einfache Marineindustrie einzusteigen?
Christoph Ballin: Nach meinem Umzug von Hamburg nach München bin ich zufällig in einem Häuschen mit Zugang zum Starnberger See gelandet, zu dem auch ein kleines Bootshaus gehörte. Meine Frau und ich wollten eigentlich mit einem schnellen Sportboot den See unsicher machen, das hat aber so nicht funktioniert, da der Starnberger See reguliert ist und man lange auf eine Fahrtgenehmigung mit Benzinmotor warten muss. Also haben wir ein altes Holzboot gekauft, renoviert und einen von diesen Elektroantrieben, die es damals gab, hinten drangehängt.
Eines Tages kam mein Freund Friedrich Böbel, der Gardena-Technikvorstand, zu Besuch und ich zeigte ihm unser Boot. Statt mich für die Renovierung zu loben, hat er über den Antrieb geschimpft: veraltete Technik, am Motor seien alle Revolutionen der letzten 20 Jahre vorübergegangen, an der Batterie sowieso. Das könne man heutzutage viel besser machen. Wenn das stimmt, habe ich ihm gesagt, dann müsste man eigentlich ein Unternehmen gründen.
Letztlich war es eine Kombination aus zwei Dingen, die uns dazu gebracht hat unsere Jobs zu kündigen und alles Geld, das wir jemals verdient hatten, in die Firma zu kippen. Erstens waren wir tatsächlich überzeugt, dass wir auch als Marktaußenseiter das beste Produkt erzeugen können. Zweitens war Torqeedo nie als Antrieb für regulierte Gewässer gedacht. Unser Ansatz war ein anderer als der unserer Konkurrenz. Zwar gab es damals die Begriffe Green Tech und Electro Mobility noch nicht, aber die Treiber waren 2004 und 2005 komplett die gleichen wie heute. Ressourcenknappheit war auch schon vor zehn Jahren ein Thema und wir haben gewusst, dass wir auf einem Zug in die Zukunft sitzen.
YR: Was konkret hat Ihr Freund an der damaligen Technik kritisiert?
Ballin: Einerseits hat er elektronisch kommutierte Motoren vermisst. Wir waren die ersten in der Marineindustrie, die diese 2005 entwickelt und ein Jahr später eingeführt hatten.Früher sind die meisten Motoren mit Kohlebürsten kommutiert worden. Ein Motor besteht ja aus einem feststehenden und einem drehenden Satz magnetischer Komponenten. Der Strom fließt durch die Kupferspulen und erzeugt darin ein magnetisches Feld, wodurch eine Drehbewegung entsteht. Wenn man den Stromfluss nicht verändert, würde der Motor nach einer
Teilumdrehung stehen bleiben. Um das zu verhindern muss der Strom jeweils zur nächsten Spule geschalten werden. Früher sind dafür Schleifkontakte mitgelaufen, heute wird alles elektronisch gesteuert. Dadurch lässt sich der Motor effizienter an Drehzahl und Drehzahlmomente angleichen und es gibt weniger Verschleiß.
Außerdem fehlten Lithium-Batterien und deren Integration in einen Antriebsstrang
sowie überhaupt ein durchgängiges Powertrain Engineering, das den Gesamtwirkungsgrad optimiert. Ein Meilenstein war es für uns, in der Gründungsphase wesentliche Konkurrenzprodukte, Benzin- und Elektromotoren, zu vermessen. Wir haben die Eingangsleistung und die Ausgangsleistung, die nach allen Verlusten inklusive der Propellerverluste auf das Boot ausgeübt wird, erhoben. Aus diesen Werten haben wir den Gesamtwirkungsgrad errechnet. Was geht rein und was kommt raus – eigentlich naheliegend. Dennoch scheint das vor uns noch niemand gemacht zu haben. Es waren zumindest keine entsprechenden Angaben über Motoren irgendwo öffentlich dokumentiert. Bei Verbrennungsmotoren wird immer auf die Wellenleistung geachtet, aber wie viel davon im Propeller vernichtet wird, davon redet keiner. Das können zwischen 25 und 80 Prozent sein. Deshalb haben wir uns immer den gesamten Antriebsstrang angeschaut und den Gesamtwirkungsgrad inklusive aller Komponenten, vom Kabel bis zum Propeller, optimiert. Die Propeller werden von einem eigenen Hydrodynamiker mit Methoden aus der Großschifffahrt berechnet und alles sorgfältig aufeinander abgestimmt.
YR: Wo sehen Sie die Grenzen der Elektromobilität auf dem Wasser? Wird der Elektromotor in naher Zukunft den Verbrennungsmotor verdrängen?

Die Antwort auf diese Frage sowie das gesamte Interview lesen Sie in der Yachtrevue 10/2015, am Kiosk ab 2. Oktober!

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