Erster Sieg für Puma

Volvo Ocean Race: Spannender Zweikampf beendet die fünfte Etappe

So sehen Sieger aus: Skipper Ken Read führte das PUMA Team zum Erfolg in der Königsetappe durch den Southern Ocean

So sehen Sieger aus: Skipper Ken Read führte das PUMA Team zum Erfolg in der Königsetappe durch den Southern Ocean

In einem Herzschlagfinale hat die Crew der „Puma“ die härteste Etappe des Volvo Ocean Race rund um die Welt gewonnen. Nach 19 Tagen, 18 Stunden, neun Minuten und 50 Sekunden voller Strapazen von Auckland/Neuseeland durchs Südpolarmeer rund Kap Hoorn steuerte US-Skipper Ken Read sein Boot vor Itajaí in Brasilien am Abend des Karfreitags (6. April) ganze zwölf Minuten und 38 Sekunden vor der spanischen „Telefoníca“ von Iker Martínez über die Ziellinie. Auf dem fünften Teilstück der Weltregatta über 6.700 Seemeilen (12.400 Kilometer) blieb die „Puma“ als einziges Schiff von größeren Schäden verschont und kletterte in der Gesamtwertung mit 113 Punkten vorrübergehend auf Rang zwei hinter den Spaniern (147). Nach ihrem Mastbruch setzte Franck Cammas’ „Groupama“ aus Frankreich jedoch am Ostersonnabend die Regatta nach einem Stopp in Punta del Este/Uruguay fort und dürfte als Dritte mit 127 Zählern ankommen. Die Entscheidung fällt Anfang Juli in Galway/Irland.

„Das war eine unglaublich harte Etappe, zweigeteilt mit extremen Bedingungen bis Kap Hoorn und wechselhaft, aber taktisch spannend danach“, sagte Kieler Vorschiffsmann Michael Müller nach dem Zieleinlauf. „Die Crew kann diese Belastungen immer noch ganz gut dosieren und wegstecken, aber das Boot bricht früher oder später auseinander, wenn wir nicht vom Gaspedal gehen“, so der 29-Jährige. Und genau das hat sein Team mit dem richtigen Fingerspitzengefühl getan. „Überleben und Überreizen liegen im Southern Ocean meist dicht beieinander“, pflichtete Skipper Read dem einzigen Deutschen im härtesten Hochseerennen der Welt bei, „die Boote sind schon enorm widerstandsfähig, aber kaputtfahren könnten wir sie bei schwerem Wetter jederzeit. Volldampf geht einfach irgendwann nicht mehr.“

Unterhalb des 40. Grads südlicher Breite, den berühmten Roaring Forties (Brüllenden Vierzigern), mussten die Hochseesegler diesmal orkanartige Stürme mit zehn Meter hohen Wellen überstehen. Atemberaubende Videobilder mit weißen Brechern an Deck gingen um die Welt. Wenn die Gegner danach immer noch in Sichtweite um den Sieg kämpfen, wird die Intensität der Hochseeregatta auch für den Beobachter greifbar.

Und die letzten Stunden vor dem Zieleinlauf in Itajaí waren an Dramatik kaum zu überbieten. Praktisch wehrlos hatte das „Puma“-Team zuschauen müssen, wie der Verfolger unaufhaltsam mit dem besseren Wind schräg von hinten aufkam und den Rückstand vollkommen egalisierte. „Die gesamte Crew hat zuletzt kein Auge mehr zugemacht, sondern um jedes Zehntel Knoten an Geschwindigkeit gekämpft“, berichtete der stolze Skipper. Erst kamen die Kontrahenten in Sichtweite, dann kreuzten sich die Wege. Der Vorsprung schmolz zeitweise auf nur noch 400 Meter. In klassischer Matchrace-Taktik konterte Read jeden Überholversuch der Spanier, segelte sogar weit an der Anliegelinie zum Ziel vorbei, um am Ende keinerlei Risiko mehr einzugehen. Read. „Erst eine Viertelstunde vor Schluss waren wir uns sicher, dass nichts mehr schiefgehen konnte. Das war ein richtig gutes Gefühl.“

Schon auf dem Wasser war der Empfang überwältigend. Zahlreiche Begleitboote säumten die Ziellinie. Und viele tausend Menschen waren ins Racevillage gekommen, um die Hochseehelden zu begrüßen. „Ich habe noch nie so viele Fans auf einem Segelevent gesehen“, meinte Ken Read, „das ist gigantisch.“ Viele Außenstehende hatten der internationalen Mannschaft den ersten Etappensieg gegönnt und reihten sich in die Schar der Gratulanten ein. Der Skipper: „Ich glaube, wir haben es diesmal wirklich verdient.“ Dreimal zuvor war die „Puma“ Zweite geworden, in zwei Hafenrennen und auf der vierten Etappe von China nach Neuseeland.

Die von Materialbruch geprägte Königsetappe war auch für die „Puma“-Crew ein Wechselbad der Gefühle. Schon in der ersten Nacht nach dem Start waren die Bedingungen so brutal gewesen, dass sich zwei Segler erheblich verletzten, als sie an Deck von den Wassermassen umgeworfen wurden. Der Skipper wollte sie schon auf den Chatham-Inseln abbergen lassen, als der Wind nachließ und Zeit zur Erholung erlaubte. Ihr Zustand besserte sich, eine Schlüsselsituation im Rennen. Dagegen musste Ian Walker die „Abu Dhabi“ gleich nach Beginn zurück nach Neuseeland steuern, um ein herausgerissenes Schott zu reparieren, und die chinesische „Sanya“ mit dem zweimaligen Gesamtgewinner Mike Sanderson später nach einem Ruderbruch ganz aufgeben. Wegen des geringen Frachtverkehrs zwischen Neuseeland und Brasilien verzichtete das Team bereits auf die Teilnahme an der sechsten Etappe nach Brasilien (Start: 22. April) und ließ das Boot direkt in die USA verschiffen.

Doch damit nicht genug. Im weiteren Verlauf erwischte es die neuseeländische „Camper“ von Chris Nicholson. Mit einem Rumpfschaden drehte sie ab und nahm statt Kap Hoorn Kurs auf den chilenischen Hafen von Puerto Montt 800 Seemeilen weiter nördlich. Dort wurde mehrere Tage lang repariert, bevor die Etappe über Ostern wieder aufgenommen wurde – 3.000 Seemeilen blieben noch nach. Inzwischen hatte auch die „Abu Dhabi“ erneut Probleme. Eine Delamination am Rumpf wurde mit 30 Schrauben durch die Außenhaut provisorisch fixiert. Doch auch das Team lief nach Chile ab, wo es die Etappe aufgab, um zumindest per Frachter noch rechtzeitig zum Hafenrennen nach Itajaí zu gelangen.

An der Spitze des Felds setzte sich die „Groupama“ vor der „Puma“ ab, als auch der ehemalige 49er-Olympiasieger Iker Martínez bremsen musste. Die „Telefoníca“ war im Bugbereich „angebrochen“, doch die Shore Crew (Landmannschaft) schaffte eine logistische Meisterleistung. Statt eines geplanten Stopps im argentinischen Hafen von Ushuaia schickte sie der Rennyacht ein Motorboot entgegen, aus dem die Bootsbauer in einer geschützten Bucht des Kap Hoorn-Nationalparks in 17 Stunden die Reparatur vollzogen. Der Schachzug zahlte sich doppelt aus, denn die Spanier nahmen das Rennen in einem viel günstigeren Wetterfenster wieder auf. Während vorne ein Hochdruckgebiet den Weg blockierte, kam von hinten eine Front mit frischer Brise auf. „Das war reines Glück, sonst hätten wir mehr als 400 Seemeilen Rückstand niemals wettmachen können“, gab der Skipper unumwunden zu.

Als dann auch noch auf der „Groupama“ im Bug-an-Bug-Rennen mit der „Puma“ bei ungemütlichen, aber nicht außergewöhnlichen äußeren Bedingungen der Mast brach, waren nur noch zwei von sechs Booten im Rennen. „Das darf so nicht sein und wird von uns genau analysiert werden“, erklärte der Chef des Volvo Ocean Race, Knut Frostad, „so eine hohe Zahl an Ausfällen darf es künftig nicht mehr geben.“ Ohne den Ergebnissen vorzugreifen, werde eine Verschärfung der Bauformel erwogen, um die Volvo Ocean 70-Yachten für die nächste Auflage der Weltregatta noch stabiler und sicherer zu machen. Eine Entscheidung darüber soll noch während des laufenden Rennens fallen.

Bis zum 21. April haben die Mannschaften Zeit, sich von den jüngsten Strapazen zu erholen. Dann startet das Hafenrennen in Itajaí und einen Tag darauf am Sonntag (22. April) die sechste Etappe über den Äquator zurück auf die Nordhalbkugel nach Miami in Florida. „Michi“ Müller flog bereits am Ostersonnabend zurück in die Heimat, um dort seinen Osterurlaub zu verbringen. „Von den vergangenen 50 Tagen waren wir 47 auf See. Das ist nicht gerade ein ausgeglichenes Leben“, so der Kieler.

www.volvooceanrace.com

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