Wolfgang Mayrhofer

Wolfgang Mayrhofer

Artikel des Autors

Ressort Kreuzpeilung
Mit meinem Selbstbewusstsein steht es grundsätzlich nicht zum Allerbesten, aber als Segler hatte ich bisher – von kurzzeitigen Tiefs abgesehen – ein positives Selbstbild. Seit diesem Sommer: aus, vorbei. Auslöser war meine Teilnahme am Ladies Day in Rust. Für Nichteingeweihte: Renate Czajka und ihre Mitstreiterinnen (Danke!) hatten vor mehr als einem Jahrzehnt die Idee, eine auf Frauen zugeschnittene, entspannte und doch ernsthafte Yardstick-Regatta zu organisieren. Steuern ist ausschließlich den Ladies erlaubt, maximal ein Mann darf mit an Bord. Für uns Mayrhofers hat sich diese Regatta zum traditionellen Familienausflug entwickelt, wobei das beste Eheweib von allen heuer nach Votum der Töchter – „Mama, du hast nicht die richtige Einstellung und zu wenig Ehrgeiz!“ – durch meine Schwester JDM ersetzt wurde. Was blieb ist die richtige Mischung aus Lockerheit und einem Schuss Adrenalin, die sich auch auf mich übertrug und meinem Grund-Grant gegen Yardstick – mir kommt vor, ich sitze immer am falschen Schiff – wegschwemmte. So weit, so gut. Und doch ist seit heuer alles anders. Mir wurde klar, dass ich ein Minus-Mann bin, so steht es auch auf der Ruster Homepage zu lesen: „Ursprünglich sollten nur Damencrews startberechtigt sein. Es zeigte sich jedoch bald, dass die überwiegend männlichen Bootseigner ihre geliebten Schiffe nicht so ohne weiteres den in ihren Augen nicht so geübten Bordfrauen überlassen wollten. Aus diesem Grund wird ein männlicher Teilnehmer an Bord geduldet, der jedoch nicht das Steuer übernehmen darf. Reine Damencrews werden mit einer Zeitvergütung belohnt.“ Männlich-direkt und brutal formuliert: Wenn ich auf meine Sprinto steige, bekomme ich eine Strafe aufgebrummt. 1 Yardstickpunkt weniger, wenn ich das richtig mitgekriegt habe, geduldet als Minus-Mann, die bloße Anwesenheit schon ein Makel. A jeda g’heart zu ana Mindaheit, an jeden geht wos o; a jeda hot a Handicap, an jeden geht’s a so – die Ambros’schen Textzeilen bekommt plötzlich eine neue, persönliche Bedeutung. Als ‚meine Frauen‘ das mitkriegen, wird es spitz: „Da musst aber schon was zeigen, damit wir das ausgleichen, vielleicht wären wir ja ohne Dich besser dran Paps!“ Und so weiter. Alle taktischen Register ziehend (O-Ton einer Tochter: „Ich glaub, der Papa will immer dorthin fahren, wo sonst keiner hinfährt!“) versuche ich mein Bestes. Doch das ist nicht gut genug. Wir werden punktegleich mit einer Peiso 26 Zweite. Statt eines Wellness-Wochenendes in der Linsberg Asia Therme gibt es Handcreme und Schlammpackungen. Mein einziger Trost: Auch das Siegerteam hatte einen Mann an Bord. Nicht auszudenken, wenn ich diesbezüglich unser Abbeißen herbeigeführt hätte. Ich glaub, nächstes Jahr bin ich zur Ladies-Day-Zeit im Ausland. Rein zufällig natürlich.









 

Mein Leben als Minus-Mann

Ressort Kreuzpeilung
Als stete Fundgrube an Kuriosa, Schmankerln und Wunderlichkeiten erweist sich seit einigen Jahren mein traditioneller Regattaauftakt bei den Ruster Segeltagen. * Geiselhaft? Die wie immer makellose Wettfahrtleiterin Andrea Martens kündigt an, dass der Kurs weiter Richtung Mörbisch gelegt wird. Grund: Größere Tiefe, damit haben die Zwanziger kein Problem mit ihren langen Schwertern. Eine Routineansage für den Neusiedlersee – nur: Wir haben diesmal einen guten Wasserstand wie schon seit den Rekordjahren 1996/97 nicht mehr. Zwei Seelen also in meiner Brust. Die eine: Egal, fahren wir halt ein wenig weiter runter, soll sein. Die andere: Muss ich jetzt da runter fahren, weil die anderen es so wollen? Ist es nicht Aufgabe der Skipper, ihr Boot für das jeweilige Revier fahrtauglich zu machen? Kann ich in Zukunft auch anmelden, ich würde den Kurs lieber weiter Richtung Podersdorf haben, weil ich mich dort besser auskenne? Im Endeffekt war’s egal, weit gefahren sind wir nicht und ohne Extra-Begründung hätte ich mir diesbezüglich wohl gar nichts gedacht. * King of the ring? Man sitzt bunt gemischt am Tisch vor dem Clubhaus und diskutiert – Regeln und ihre Auslegung. Es beginnt ganz unschuldig mit der Frage nach den Änderungen in der neuen Ausgabe der Wettfahrtregeln. Aha, Zone mit 3 Bootslängen statt 2-Längenkreis; ich kann als Luvboot jetzt auf der Raumen auch tiefer als den richtigen Kurs segeln, solange ich mich freihalte. Dann wird’s ernst, weil konkret. Nacheinander werden Situationen buchstäblich auf den Tisch gelegt. Kaffeehäferln, Fruchtsaftgläser und Bierdeckel sowie die typisch schräg gehaltenen Handflächen symbolisieren Bojen, Boote und Wind. Zum Glück gibt es einen Wisser am Tisch (nicht mich, ich scheitere – sorry, Stefan – oft schon an Backbord/Steuerbord), der alles geduldig erklärt. Mein Fazit: es ist erstaunlich, welch vage Regelkenntnisse reichen, um auf eigentlich recht ansprechendem Niveau regattieren können. * Macho, Macho? Politisch völlig korrekt indoktriniert schaue ich auch beim Segeln fast schon automatisch durch die Gender-Brille. Wettfahrtleitung: weiblich, die Männer dürfen die Bojen setzen. Geschlechterverteilung auf den Booten (als Quotenmann auf ‚meiner‘ Frauensprinto bin ich da natürlich fein heraußen): Bei den 20ern zwei Frauen, alle auf dem vorletzten Boot, keine Steuerfrau; bei den 15ern eine Frau auf dem letzten Boot, keine Steuerfrau; bei den Sharks 9 Frauen, alle in der 2. Hälfte, keine Steuerfrau; bei den Sprintos nur ein Drittel der Boote ohne Frauen, die beiden Ersten mit gemischter Besatzung und 1,5 Steuerfrauen (bei einem Boot wurde verbotenerweise laufend gewechselt). Schlussfolgerung: Frauen, segelt Sprinto ;)









 

Saisonauftakt

Ressort Kreuzpeilung
Nach 126 Tagen, 5 Stunden, 31 Minuten und 56 Sekunden ging Norbert Sedlacek beim Vendée Globe 08/09 durchs Ziel. Wurde er damit erwartungsgemäß Letzter, mehr als 40 Tage hinter dem Sieger und ohne echte Chance auf den Sieg? Oder erster deutschsprachiger „Finisher“ bei diesem Rennen, wobei er das erste Drittel mit seinem 11. Platz unter 30 gestarteten Teilnehmern nur knapp verfehlte? Nüchtern betrachtet: beides. Sedlaceks Erstversuch beim letzten Vendée Globe (2004/05) war auf Grund von Kielproblemen bereits in Kapstadt zu Ende und vom Ergebnis her wenig überzeugend. Der letzte Platz bei dieser Auflage ist zwar demgegenüber ein Fortschritt, aber halt ein lupenreiner „Lederer“. Dementsprechend bissig fallen manche Kommentare aus der Fachwelt aus. In einer Gesamtbeurteilung ist das aber nur eine Seite des Bildes. Auch die andere Seite verdient ausgesprochene Würdigung – und dazu muss man kein Fan von Sedlacek und seiner Vermarktungsstrategie sein. Erstens: Der Mann verdient schon deswegen (mehr?) Respekt, weil er seine Träume hartnäckig zu verwirklichen versucht. Mittel hin, Auftreten her, alleine die Leistung, das Vorhaben auf die Beine gestellt zu haben, ist beachtlich. Zweitens: Bei einer Regatta anzutreten, obwohl man keine reelle Chance auf einen Platz am Stockerl hat, ist nichts Ehrenrühriges. Ansonsten wäre Österreichs Regatta-Szene zu 80% leergefegt, hätte ich früher – von jetzt ganz zu schweigen – bei bestimmten Windbedingungen erst gar nicht antreten dürfen und würde Regattasegeln zum reinen „Gewinnen-Müssen“ verkommen. Der vom Marathonlauf bekannte Sager „Durchkommen heißt Siegen“ mag abgegriffen sein, passt aber allemal. Drittens: Woran es liegt, dass ähnlich beeindruckende und in den zählbaren Resultaten vermutlich ähnlich limitierte Unternehmungen wie eine österreichische Astro- oder RC44-Kampagne eine deutlich bessere Nachred‘ haben, weiß ich nicht. Jedenfalls hat es der im Auftritt oft polarisierende Sedlacek nicht leicht im Heimatland. Österreichs Segel-Adel lässt sich von einem Ex-Straßenbahner, der die Bim Bim sein lässt und sich an allen etablierten Strukturen vorbei im (durchaus kritisierbaren) „Selbst-ist-der-Mann“-Verfahren das (Hochsee-)Segeln beibringt, nicht ohne weiteres beeindrucken – da kannst du mittlerweile zehn Mal eines der Hochsee-Aushängeschilder Österreichs sein. Die Welt braucht auch bunte Vögel, Leute auf ungewohnten Pfaden, die eigensinnig ihre Vision mit und oft auch ohne Beifall verwirklichen. Daher ein Vorschlag zur Güte: Keine(r) muss das lieben oder gut finden – Respekt verdient es/er allemal.









 

Lederer oder Leader?

Ressort Kreuzpeilung
Sie kennen die Geschichte vermutlich: Ein nächtlicher Spaziergänger beobachtet einen Betrunkenen, wie dieser am Boden rund um eine hell leuchtende Laterne etwas sucht. Nach einer Weile packt ihn das Mitleid und er beginnt das Gelände ebenfalls abzugrasen, was der Betrunkene dankend mit dem Hinweis quittiert, die Suche gälte seinem Schlüssel. Als der Spaziergänger fragt, ob der Schlüssel auch sicher hier verloren gegangen wäre, bekommt er folgende Antwort: „Verloren habe ich ihn hinten im Dunkeln, aber dort sieht man ja nichts!“ Unsere wackere NADA agiert ähnlich. Während Langläufer und Biathleten in der Vergangenheit relativ ungestört von Dopingjägern üben konnten, waren Letztere präsent, wo es nichts zu holen gibt. Und prompt ging ihnen ein echt dicker Fisch ins Netz. Nun ist der Altmeister des Solings auch ein Dopingsünder. Tolle Sache, Gratulation. Schon die Auswahl der Veranstaltung beeindruckt: Stets informiert, wo bei den Seglern der Bär brummt und die Elite an Grenzen stößt, die nur mit unerlaubten Hilfsmitteln zu überschreiten sind. Nachdem Stillstand Rückschritt bedeutet, hier ein Angebot: Bitte, bitte, liebe NADAisten** – auch bei mir! Bin gut im Futter aber schlecht trainiert, wütend ehrgeizig und skrupellos beim Einsatz verbotener Mittel, sei es Sprinto-Regatta, Clubmeisterschaft oder diverse Bänder und Cups. Ihr würdet bei mir Schnarch-ex-Tabletten (Verbotsliste nada-8735) finden, die ich brauche, um nächtens vor der Regatta nicht nägelbeißend durchs Haus hirschen zu müssen. Verschlagen unterstütze ich das mit einer ordentlich inhalierten Sultanol-Lösung (eigentlich für die Kinder, aber geniale Tarnung, nada code 9268, ihr wisst schon) und dem wick-Erkältungssirup für die Nacht (nada-10446), damit ich unter Tags allen etwas husten kann. Und wenn ihr mich habt, Achtung: gelegentlich habe ich das 10540er Yal-Klistier für einen Einlauf intus, um bei bestimmten Anlässen richtig drauf zu … (vom Chef zensiert). Weil eigentlich möchte ich nur Regatten fahren, mich mit Kollegen matchen, vorher plaudern, nachher zufrieden grunzen oder keppeln. Was ich nicht möchte: verantwortlich darüber zu wachen, „… was sich in [m]einem Körper oder in [m]einen Körperflüssigkeiten befindet“, da es, wie ich auf eurer Homepage lese, „… zu den Pflichten des Sportlers [zählt], sich über die aktuelle … Liste der verbotenen Substanzen und Methoden … zu informieren, … sich zu vergewissern, dass jedes verabreichte Medikament, jedes sonstige Präparat oder eingenommene Nahrungsergänzungsmittel keine verbotenen Wirkstoffe enthält …[und] ob sein verantwortlicher internationaler Sportverband zusätzliche Einschränkungen, Verbote und/oder Vorschriften vorsieht.“ Mag sein, aber bei mir habt ihr den Schlauch. Also: Deal? * NADA, spanisch für „nichts“, in wohl unfreiwilliger Ironie auch: Nationale Anti-Doping Agentur Austria ** Anklänge an die dadaistischen Lautvetter sind durchaus passend, denn wie schreibt doch Wikipedia: „Der Dadaist ersetzte die durch Disziplin und die gesellschaftliche Moral bestimmten … Verfahren durch einfache, willkürliche, meist zufallsgesteuerte Aktionen in Bild und Wort.“









 

NADA* – eine Polemik

Ressort Kreuzpeilung
Eine Berührung an meiner Schulter ließ mich vom Laptop hochschrecken. „Du, Engerl?“ stieß ich hervor. „Na, wenn Du die Welt um Dich trotz heftigen Klopfens an der Terrassentür völlig vergisst, dann muss ich halt so hereinkommen“, sagte das Weihnachtsengerl, „was zieht Dich denn so in seinen Bann?“ Mit einer Spur von Sarkasmus in meiner Stimme setzte ich zu einer Erklärung an: „Vielleicht ist es ja den himmlischen Heerscharen entgangen, aber derzeit jagen die tollkühnen Männer in ihren schwimmenden Kisten rund um den Globus.“ Lässig fügte ich hinzu: „Ziemlich full coverage, media crew an Bord, gute Webpage. Daher ist es in diesem Advent auch nichts mit abendlichem Tee, Gebäck und einem guten Buch.“ Ich deutete auf meinen tragbaren Computer. Mein gefiederter Freund zeigte sich unbeeindruckt. Mit leicht verschwörerischem Unterton fuhr ich fort: „Also, ich bin die meiste Zeit online, Senatssitzung hin oder her, www.volvooceanrace.org ist stets dabei. Gute Grafiken der gewählten und zu erwartenden Kurse, Features wie Wetterlage, Windstärke und -richtung, Speed und Kurs der Boote oder die E-Mails direkt von den Booten ermöglichen mir ganz neue Einsichten.“ Beim Erzählen geriet ich fast ins Schwärmen: „Und dann noch die Videoclips aus Bordperspektive! Man kann sich die 25 Knoten plötzlich bildlich vorstellen!“ Das Engerl schien nur mäßig interessiert, trotzdem fuhr ich fort: „Auch für meine meteorologische Fortbildung ist das gut. Ich kontrastiere die Kurs- und Wetterdaten mit ‚meinem‘ kostenlosen Wetterprogramm von GRIB.US und lerne eine Menge: Dass die Rossbreiten im Atlantik bei einer Nord-Süd-Querung üblicherweise rund um den 30. Längengrad am schmälsten sind, wie die Tiefdruckgebiete von Brasilien Richtung Afrika ziehen, was die Skipper tun, um auf diese Tiefs gleichsam aufzuspringen und so weiter.“ Mein Innehalten nutzte das Engerl, um mir nicht nur die – hiermit übermittelten und von mir geteilten – Wünsche für ein gesegnetes Weihnachten und 2009 sowie die obligate Handbreit Wasser unter dem Kiel an die Leserinnen und Leser aufzutragen, sondern sich auch zu verabschieden. Verwirrt und enttäuscht blieb ich zurück. Kein interessiertes Nachfragen, kein Zeichen von Interesse seitens des Engerls, dem ausgewiesenen Segelexperten, das seine Schwingen so oft über die Segler in aller Welt gehalten hatte? Schade. Schon wollte ich mich wieder in der virtuellen Segelwelt verlieren, als mein Auge auf einen Zettel fiel, den das Engerl offensichtlich vergessen hatte: Ein detaillierter Dienstplan der Himmlischen für alle acht Schiffe im Race, welcher Seraphin wann Oberaufsicht hat, welches Hilfsengerl wen besonders umsorgen soll usw. Versöhnt und beruhigt ob dieser Unterstützung konnte ich mich wieder dem aktuellen Ten-Zulu-Report zuwenden …









 

Sieben virtuelle Weltmeere

Ressort Kreuzpeilung
Auch wenn die Gründe die falschen sind: Die weitgehende Abwesenheit von Boykottforderungen in Verbindung mit Peking 2008 ist wohltuend und macht es Sportlerinnen und Sportlern glücklicherweise leicht, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Leider liegt es nicht an der Einsicht in die Völker verbindende Funktion des Sports oder der Erkenntnis, dass Politik nichts, aber auch schon gar nichts auf dem Rücken der Athleten auszutragen hat. Dominierend ist pure Feigheit: China ist politisch und wirtschaftlich so bedeutend, dass nachteilige Konsequenzen befürchtet werden. Die Sportfunktionäre – auch in Österreich – nehmen sich daran ein schlechtes Beispiel, halten sich bedeckt und legen auf informeller Ebene den Athleten nahe, sich nicht allzu sehr zu profilieren. Österreichs Sommersport-Heroen sind – entsprechend? – „schmähstad“ und beurteilen Protesthandlungen als sinnlos. Markus Rogan, ansonsten bereit zu jeder beliebigen Wortspende, hält sich auffallend zurück. Werner Schlager, Tischtennis-Held mit Kultstatus in China, boykottiert seit 2003 lieber die USA und sieht in Zeichen des Protests allenfalls persönliche Gewissensberuhigung denn effektives Handeln. Roman Hagara lässt immerhin mit einem kritischen Radiointerview aufhorchen, hält aber individuelle Aktivitäten wegen mangelnder Wirksamkeit letztlich für verfehlt. Bei einigem Verständnis für die Logik der Politik und jedem Respekt vor Entscheidungen des einzelnen Sportlers: Mir persönlich ist das zu wenig. Die Situation in China mit dem hohen Erwartungsdruck in Richtung perfekter Spiele und die kulturbedingte hohe Bedeutung symbolischer Handlungen bilden einen geradezu idealen Rahmen für eine Vielzahl an Aktionen jenseits der massiven, aber einfallslosen „Bleibt-von-der-Eröffnung-fern“-Forderungen: Mannschaftsballspiele beginnen nach offiziellem Anpfiff erst eine Minute später; Ruderer und Segler kentern kollektiv nach Zieldurchgang ihre Boote; Schwimmer organisieren während einer Trainingseinheit ein kollektives Untergehen und bleiben 30 Sekunden regungslos am Boden des Schwimmbeckens liegen; 10.000-Meter-Läufer gehen die erste Runde im Gänsemarsch – weitere Beispiele ließen sich leicht finden, die von der berüchtigten Regel 51 der olympischen Charta über Werbung, Demonstrationen und Propaganda nicht zu erwischen sind, aber bei entsprechender medialer Begleitmusik die Botschaft klar machen. Einspruch, Euer Ehren, das ist alles für die Katz und bringt doch nichts? Kommt auf die Erwartung an. Klar, Tibet wird – falls das überhaupt ein Ziel sein soll – dadurch nicht frei und keine chinesische Menschrechtsaktivistin zur Staatsheldin. Aber ein Beitrag zu einer möglichen Verbesserung ist es allemal. Und es zeigt, dass es Sportlerinnen und Sportler nicht nur in den Muskeln haben. Wenn Politik tatsächlich die Kunst des Möglichen (Bismarck) sein sollte, dann steht politischem Handeln der Sportlerinnen und Sportler zumindest in Peking nichts im Wege … * Titel eines Western-Klassikers der späten 1960er von Sergio Leone (im Original: Il buono, il brutto, il cattivo, dt. Zwei glorreiche Halunken) mit Clint Eastwood, Lee van Cleef und Eli Wallach in den Hauptrollen; steht im übertragenen Sinn für eine – manchmal nur scheinbar – klare Rollenverteilung.









 

The good, the bad and the ugly?*

Ressort Kreuzpeilung
Auslöser: die jetlag-bedingte Betrachtung eines Sonnenaufgangs in Quepos, Costa Rica. In der Morgendämmerung konnte ich ein wunderbares Schauspiel der Farbenwechsel des Pazifik erleben, ausgehend von einem geheimnisvollen, die Grenze zwischen Meer und Himmel mehr erahnen lassenden ersten Schimmern über ein bleiern-schmutziges Grau und ein herrliches Türkis über den Bergen bis zum fast kitschigen Pazifikblau nach vollem Sonnenaufgang. Grundsätzlicher der Hintergrund: die Ungleichbehandlung von Morgenmenschen in der Welt der Arbeit im Allgemeinen und der Seglerwelt im Besonderen. Wer etwa 9 bis 17 Uhr als Normalarbeitszeit hat, kennt die Situation: In Spitzenzeiten wird manchmal bis Mitternacht gearbeitet, egal, ob der Morgenmensch längst innerlich w. o. gegeben hat. Auch schon umgekehrt erlebt, in Überstundenphasen das erste Meeting um 4.30 und den zweiten Termin für 6.15 anberaumt? Ich vermute diesbezüglich allseits müdes Lächeln. Unsere Segelwelt ist ja eine, vornehm gesagt, leicht abendlastige. Wer in Marinas bis zwei Uhr früh den mit zunehmender Stunde immer „witziger“ werdenden Zurufen und Gesängen per Ohrenstöpsel trotzt um doch noch einzuschlafen, des Morgens aber um 7.30 für erste Bewegungen unwilliges Geknurre erntet, wer das Gegenstück zum Sundowner schmerzlich vermisst (Sunupper, Sunriser?), wer je in aller Herrgottsfrüh die völlige Absenz anderer Yachties an Deck von 30 in der gleichen Bucht an Bojen liegenden Yachten beklagt hat, weiß wovon ich rede. Ach ja: Auslöser und Hintergrund wofür? Antwort: Die Gründung des nicht-eingetragenen Vereins der Freunde des Sonnenaufgangs mit lediglich vier Paragraphen umfassendem Statut. § 1 Gründungsmitglied, Präsident, Schriftführer und Kassier: bis auf Weiteres ich. § 2 Vereinszweck: Förderung der meditativen Betrachtung von Sonnenaufgängen an oder auf Gewässern aller Art. § 3 Aufnahmebedingung: Glaubwürdige Versicherung, im vergangenen Jahr drei solche Sonnenaufgänge meditativ begangen zu haben, also je nach individueller Orientierung 45 Minuten Lotus-Position, eineinhalb freudige Rosenkränze, 2.645 mal vor einer Wand wippen, 15 Suren auf dem Gebetsteppich gen Osten betend etc. § 4 Ausschlussgründe: fehlender jährlicher Nachweis der in § 3 genannten Aktivitäten. Interessierte können ab 1. April ihren Antrag auf Mitgliedschaft inklusive Nachweis der Erfüllung der Aufnahmebedingungen senden an: VdFSAU@gmx.net. Eine Aufnahmebestätigung folgt umgehend. In diesem Sinne: Treten Sie bei, seien Sie aktiv in der Förderung und werben Sie Mitglieder. Gemeinsam können wir es schaffen. Nur der frühe Vogel fängt den Wurm. Allerdings meinte einer meiner Kollegen unlängst, er wisse in solchen Situationen häufig nicht, ob er der Vogel oder der Wurm wäre …









 

VdFSAU ne. V.

Ressort Kreuzpeilung
Jollensegler sind stolz auf ihre abgewetterten Stürme. Jeder hat seine G’schichterln von Siebner-Fetz’n mit Achter-Böen parat, wo Regatta oder Training eigentlich abgebrochen gehört hätte und man trotzdem weitergesegelt ist, wilde Ritte am Vorwind inklusive. Daher war ich daher einigermaßen irritiert, als Martin, unser kompetenter Breitenbrunner Ausbildner, im Rahmen der FB-2-Kurse „heilige Furcht“ vor viel Wind predigte und seine Verachtung für diese „war storys“ im Fahrtenseglerbereich äußerte. Segeln im Sturm, so sein Credo, zeige meist, dass man nicht ausreichend geplant habe oder zu riskant segle. Szenenwechsel: Adria, vor Anker mit einer Elan 45 und einer Sun Odyssey 43 in der Pavlešina an der Nordspitze von Ugljan. Beunruhigender Wetterbericht mit Regen und Gewitter. Dableiben? Die Bucht ist nach Süden weit offen und wir haben hinter uns noch etwa 40 Meter. Oder rausfahren in eine geschütztere Bucht? Wir entscheiden uns für Letzteres und wollen bei Südost mit rund 15 Knoten mit ordentlichem Reff in Rollgroß und Genua zur knapp 6 Seemeilen entfernten Mala Rava im Süden. Plötzlich nur mehr Welle und Flaute. Groß also weiter einreffen, ein Fetzerl der Fock stehen lassen und abwarten. Prompt kommt aus Norden der 45-Knoten-Hammer, gemeinsam mit ganz schlechter Sicht, tropisch anmutenden Wolkengüssen sowie Donner und Blitz im Minutentakt. Unser Schwesterschiff verlieren wir aus den Augen, der Regen peitscht waagrecht, aber zum Glück von achteraus. Wir fahren unter Motor mit regelmäßigem GPS-Check sowie einer Landpeilung nach Süden. Als Skipper und Navigator versuche ich angesichts der relativ unerfahrenen Crew Entspanntheit auszustrahlen, die älteste Tochter tut als gute Steuerfrau das ihre. Endlich Mala Rava – rein in die Bucht. Der Regen jetzt waagrecht von vorne, Sicht ist nur unter Einsatz aller Tricks möglich. Ein Stoßgebet um eine freie Boje findet Erhörung, der erste Anlegeversuch schlägt fehl, aber dann klappt’s, alles in Butter. Das verlorene Schwesterboot taucht später auch wieder auf: War zuerst in einer anderen Bucht, ein Blitz legte Elektronik und Kommunikation lahm. Alles paletti also oder doch zu riskant? Ich weiß es nicht, aber seitdem weiß ich was mit „heiliger Furcht“ gemeint war. Klar, eigentlich alles harmlos: „nur“ 45 Knoten Spitze, keine wirkliche Welle, alles im geschützten Kornatenbereich … Aber die Gewalten wurden ansatzweise spürbar. Und: Wenn der Motor was gehabt hätte, wäre es happig, wenn auch noch die Genua den Geist aufgegeben hätte, sogar kritisch geworden. Zuletzt: Hochachtung vor allen, die wenig Segelerfahrung haben und so etwas gut und richtig bewältigen.









 

Heilige Furcht

Ressort Kreuzpeilung
Die dampfende Tasse Darjeeling Second Flush und ein paar Vanillekipferln vor mir auf dem Tisch, im Hintergrund das von Lars Vogt gespielte Scherzo in Es-Moll op. 4 von Johannes Brahms – so lasse ich mir einen Adventabend gefallen! Ein Klingeln an der Haustür unterbricht die harmonische Stimmung. Ich öffne und werde mit einem strahlenden Lächeln belohnt: Das Weihnachtsengerl. Vergessen sind Brahms, Tee und Kipferl, wir fallen uns in die Arme. Während wir Höflichkeiten austauschen und Fragen nach dem gegenseitigen Wohlergehen stellen, huscht immer wieder ein leiser Schatten über das Antlitz des Gefiederten. Im Wohnzimmer angelangt, frage ich daher nach: „Bedrückt Dich etwas, himmlischer Freund?“ Zuerst schweigt das Engerl, doch dann hebt es, mit viel Emotion, zu einer Antwort an: „Mir scheint, die Macht der Himmlischen neigt sich langsam dem Ende zu.“ Einigermaßen verwirrt ob dieses fast häretisch anmutenden Ausbruchs weiß ich darauf nichts zu sagen. Das Engerl hingegen kommt in Fahrt: „Nimm die jüngste Entscheidung des ISAF-Council in Estoril. Nein, und ich meine jetzt nicht den Rauswurf des Tornado aus dem olympischen Programm – da lassen sich noch ein paar Argumente dafür finden, auch wenn ich die Aufregung in der Alpenrepublik verstehe. Der eigentliche Wahnsinn ist ein anderer: die mangelnde Planungssicherheit.“ In Erwartung genauerer Ausführungen blicke ich das Engerl an. „Ist dir noch nicht aufgefallen, dass nur etwas mehr als eine Olympiade vor den Wettkämpfen – dir brauche ich ja wohl nicht sagen, dass damit der Zeitraum von vier Jahren gemeint ist – über die jeweiligen Klassen entschieden wird? Ist Dir klar, dass damit eine mittelfristige Planung für die Sportlerinnen und Sportler schwierig bis unmöglich wird? Kannst Du Dir vorstellen, wie es Nachwuchsseglern geht, die sich gleichsam über Nacht umorientieren müssen? Hat irgendjemand den Verantwortlichen gesagt, dass…“ Das Engerl redet sich in Rage und ich habe Mühe, dem Wortschwall zu folgen. Schließlich verstummt der Gefiederte. „Und ihr konntet wirklich nichts tun?“ frage ich. „Nichts. Wir Engelscharen haben es echt probiert, aber da ging einfach nichts. Ich habe schon kurz überlegt, ob ich mich beim Allerhöchsten über den freien Willen dieser – entschuldige, aber das musste jetzt sein – beschwere. Aber da versteht Er keinen Spaß.“ „Keine Hoffnung also?“ „Derzeit nicht, glaube ich.“ Wir sitzen eine Weile schweigend da. Schließlich seufzt das Weihnachtsengerl noch einmal tief und nach inniger Umarmung und der hiermit nachgekommen Bitte, meinen Leserinnen und Lesern die notwendige Handbreit Wasser unter dem Kiel zu wünschen, entlasse ich es durch das Fenster in die Nacht.









 

Begrenzt sinnvoll

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