Wolfgang Mayrhofer

Wolfgang Mayrhofer

Artikel des Autors

Ressort Kreuzpeilung
Charterskipper sind ein eigener Menschenschlag. Für eine Woche oder auch länger stehen sie dem mehr oder weniger geneigten zahlenden Gast zur Verfügung, oft auf einem Boot, das sie selbst nicht kennen und das der Charterfirma gehört. Das Spektrum ihrer Lebensgeschichten ist breit. Da ist die verkrachte Existenz, die vor deutschen Steuerbehörden in die Karibik flieht und dort mit dem Entgelt bar auf die Kralle überlebt, aber auch der Entrepreneur, der neben Tages- und Wochencharter die oft monatelang im Hafen ruhenden schwimmenden Untersätze der betuchten Klientel bedient. Wer Glück hat, trifft dabei auf eine Goldader. José etwa serviciert in Mallorca eine relativ schlichte 40-Fuß-Motoryacht eines Mitglieds aus dem saudi-arabischen Königshaus mit Rundum-Betreuung und wird maximal ein- bis zweimal im Jahr gebraucht. Sein monatliches Salär ist mit dem eines österreichischen Universitätsprofessors definitiv auf Augenhöhe. In langen Jahren habe ich viele interessante Gespräche mit Charterskippern geführt. Bei aller Verschiedenheit eint sie zwei Dinge. Erstens die Liebe zum Wasser. Manche sind am Wasser aufgewachsen und können sich gar nichts anderes vorstellen, andere haben ihre maritime Ader erst spät entdeckt und ihren angestammten bürgerlichen Beruf eingetauscht gegen eine Existenz auf See. Die zweite Gemeinsamkeit ist eine tief verwurzelte Abneigung gegen enge Reglementierung. Bürotätigkeit oder das Eingezwängt-Sein in starre Organisationsformen ruft tiefe Abneigung hervor. Skipper sehen sich häufig – den Truckern der Landstraße nicht unähnlich – als „lonely rider“, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben und sich dieses Glück nicht durch bürgerliches Regelwerk trüben lassen wollen. Allerdings ist nicht alles Gold, was glänzt. Wenn die Charterbranche kränkelt, ist es schnell dahin mit der eigenen Auslastung. Acht Wochen Charter am Stück, ständig auf dem Boot lebend, mit unterschiedlichsten Gästen an Bord, jeden Schmäh schon zehn Mal gehört – da fragt man sich, ob 150 Euro pro Tag Schmerzensgeld genug sind. Zunehmendes Alter bringt zwar auch größere Erfahrung, aber auch mehr Wehwehchen. Und manchmal endet es tragisch. Letzte Weihnachten etwa hat ein Yachtie aus Palma de Mallorca seine Charterfirma gebeten, ihm ein Boot über die Feiertage für einen Aufenthalt in Cabrera, einer Insel im etwa 30 Seemeilen südöstlich von Palma gelegenen Naturschutzgebiet, zur Verfügung zu stellen. Nach dem Auslaufen wurde er nie mehr lebend gesehen. Die Yacht fand man unter Segeln und mit aktiviertem Autopilot auf offenem Meer – von ihm keine Spur. Gehört wohl auch zu dieser Art des Seglerlebens.









 

Lebensmotto Skipper

Ressort Kreuzpeilung
Gramp, als Kurzversion von Grandpa, ist ein 81-jähriger Mann, der eines Tages beschließt, nichts mehr zu essen und zu trinken. Der gleichnamige Bildband von Dan Jury schildert die Erlebnisse in der Familie während der letzten drei Wochen seines Lebens, in der Gramp zuhause gepflegt und beim Sterben begleitet wird. Der Band, gelesen während meiner Dissertation vor vielen Jahren, tauchte in meiner Erinnerung auf, als es um das Schicksal der Manta 19 meines kürzlich verstorbenen Vaters ging. Für Uneingeweihte: Das Boot wird nicht mehr produziert, hatte bei Schöchl in den 70er-Jahren Saison und gilt als kleine Schwester der ähnlich gelagerten Sunbeam 22. Kerncharakteristik: Handlich, leicht alleine zu segeln, sagenhaft ausgewogen am Ruder – im Wesentlichen also fürs Spazierengehen am Wasser gebaut. So weit, so normal. Das Ungewöhnliche: Sie fängt an mich zu interessieren. Über lange Jahre war sportliches Segeln und damit „Höher und schneller“ mein Motto. Klar gab es auch hin und wieder Genusssegeln, aber stets lief das eingebaute Programm im Hinterkopf mit, das Windeinfallswinkel, Geschwindigkeit, relative Höhe zu anderen Booten und mögliche Dreher zumindest am Rande registrierte. Und jetzt das. Verliere ich den kompetitiven Biss? Bin ich so ausgelaugt vom Hamsterrad des Alltags, dass ich mir das „rat race“ nicht auch noch in meiner Freizeit antun will? Oder ist es umgekehrt die Weisheit des zunehmenden Alters, die mir neue Erlebens- und Ausdrucksformen ermöglicht? Und, nächste Ebene, handelt es sich überhaupt um ein Entweder-oder-Problem? Auf der einen Seite bewundere ich Peter Czajka, Urgestein im Burgenländischen Yacht Club und seit früher Jugend bei mir am Monitor, den orangen Elvström-Finn noch präsent, der im letzten Jahr seine ernsthafte Regattatätigkeit am Neusiedler See mit den Worten „50 Jahre Regattasegeln sind genug“ eindrucksvoll abschloss. Auf der anderen Seite beobachte ich aus der Ferne mit ausgeprägter Faszination Flossi Felsecker, der mit 70 um den EM-Titel in der Shark mitfightet oder eine Elan 340 im Renntempo über den Kurs steuert. Wohin gehe ich? Werde ich nimmermüder Regatteur mit keineswegs zahnlosem Biss, der Dekade um Dekade Dreher und Windstriche sucht? Oder mache ich den klaren Schnitt und beschließe wie Gramp bewusst und endgültig Abschied vom Wettkampfsport zu nehmen? Die Manta wird mir helfen Klarheit zu gewinnen. Spazierengehen am Wasser, weit ist es gekommen, Rumbrodeln statt ernsthaftem Segeln. Aber andererseits auch Fortschritt, weil mir neue Formen des Seins am Wasser möglich sind. Eigentlich spannend. Wer also in der kommenden Saison auf dem Neusiedler See einer Manta AUT 66 mit dunkelblauem Rumpf begegnet – bitte nicht stören. Steuermann ist auf der Suche nach zusätzlichen Puzzlesteinchen seiner Identität …









 

Gramp

Ressort Kreuzpeilung
Seit frühesten Tagen schaue ich auf Rundungen. Nein, nicht so, wie jetzt ein Gutteil der männlichen Leserschaft vielleicht assoziiert – Rundungen im Segel. Mein Vater hatte ein paar einfache Faustregeln: Der Wind hat immer recht; das Boot macht alles, wenn du ihm Zeit lässt; ein Segel auf der Kreuz ohne ganz leichte Ansätze zum Gegenbauch (Rundung!) ist nicht optimal. Ich habe heute noch das Bild im Kopf: 1965 oder so, alter Opti, kaum Wind, ich mit meinen 7 Jahren gierig mittschiffs nach vorne gebeugt, den Blick unverwandt auf das Vorliek geheftet, um die entstehende Rundung (!) nicht zu verpassen. Doch dann kamt ihr: Telltales, Tell-Tails, Windfäden, Trimmfäden – ihr hörtet auf verschiedene Namen. Euer Erscheinen hat mein Leben verändert. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ihr wart fremd, exotisch, neu. Und wild: Unablässig schlängelt, windet, tänzelt, zappelt, wellt, bauscht, zuckt, wickelt, spiralt ihr, vorausgesetzt, Äolus ist uns beiden gewogen. Ja, selbst ein Rundungsfixierter wie ich ist euch Hals über Kopf verfallen. Stundenlang habe ich euch im Blick, immer in der Hoffnung, aus der kleinsten, fast nur zu erahnenden Differenz rauszulesen, ob noch was geht. Fast beschämt muss ich gestehen: Während meiner besten Zeit wart ihr nur zweite Wahl, da für die Grobeinstellung – die entscheidenden letzten Prozent kamen über den Hosenboden, das Gefühl, den holistischen Eindruck. Aber jetzt, abgestumpft wie ich bin, seid ihr mein Ein und Alles. Alles in allem war ich monogam: Von Mutterns gnadenlos requiriertem Wollknäuel zehre ich noch heute. Ihr seid mir in der konservativen Variante am liebsten: flauschig, dunkles Blau (von wegen Durchschimmern auf der Leeseite und so, wir verstehen uns). Der freakige Teil eurer Familie ist chancenlos: rot/grün, Spinnakertuch, Kassettenbänder – wääh. Auf eure Cousins, die Wantfäden, habe ich auch nie was gegeben (hatte aber halt Zeit meines Seglerlebens auch wenig Wanten, muss ich sagen). Zu Beginn noch, Windwiderstand war alles, wurdet ihr mit der Nadel durch das Segel gestochen. Dann Knoten beidseits, Knoten am Ende, damit ihr weder durchrutscht noch ausfranst. Jetzt werdet ihr – ich weiß, ihr verzeiht mir – gnadenlos niedergepickt, aber wenigstens mit einem leichten Hang nach oben, damit ihr leichter hochkommt. Den meisten Spaß habe ich, wenn ich die Yachten mit den 5-, 6- oder gar 7-stelligen Einkaufspreisen sehe: Alles dirigierst du auf der Kreuz, du mit deinem kleinen Preis. Das wäre das Programm: Der Markt hat doch nicht recht, die Kleinen und Schwachen übernehmen das Kommando. Wird’s wohl ‚in Echt‘ nicht spielen, aber wenigstens beim Segeln ist die Welt schon in Ordnung …









 

Und ewig lockt

Ressort Kreuzpeilung
Mein behagliches Advent-Ambiente – eine Tasse dampfenden Darjeeling Broken Orange Pekoe, Schoko-Lebkuchen, Kerze und die mit Hilfe von Stanza geöffnete abendliche Lektüre von Alice im Wunderland am iPhone 4 – wird jäh durch ein unangenehmes Kratzgeräusch und dumpfen, an Hammer-auf-Holz erinnernden Schlägen gestört. Leicht irritiert öffne ich die Tür zum Garten und erblicke Seltsames: Ein Rentiergespann scharrt verloren im Gras, dahinter ein mächtiger Schlitten mit nur einer zentral angeordnetn Kufe, auf beiden Seiten von je 8 Stützen gesichert. Mein Freund, das Weihnachtsengerl, verankert diese emsig mit einem Hammer. Dabei hat es den linken Unterschenkel hochgebunden und rechts einen Schlittschuh, auf dem es mangels Schnee und Eis von Stütze zu Stütze hüpft. Gespannt auf eine Erklärung warte ich, bis mein gefiederter Freund seine Arbeit beendet hat und mir, recht erschöpft, in die Arme hüpft. Verstohlen löst das Engerl ein gepolstertes Dyneema-Schnürl („Fast kein Reck“, bemerkt es spitzbübisch) von seinem linken Bein und zieht den Schlittschuh aus. Im Wohnzimmer und nach einer ersten Grundversorgung mit Tee und Gebäck setzt das Engerl zur Erklärung an. „Wir wertekonservativen Himmlischen beobachten mit großer Sorge … – ach was, pfeif auf die offiziell-gedrechselte Sprachregelung für uns Engerln: Ich finde den neuen Modus für den America’s Cup einfach einen, entschuldige die Ausdrucksweise, Schaas.“ Mir ist, als ob sich die blütenweiße Pracht seiner Flügel ganz leicht verdunkelt, aber das kann auch am Flackern der Kerzen liegen. „Wir haben doch schon gesehen, wohin das führt mit diesen Zweikufern. Autobahnrennen, wenig spannende Bord-an-Bord Kämpfe, technologische Gigantonomie, die Kreuz eine binäre Entscheidung rechts oder links.“ Die Suada geht noch eine Weile weiter, bis ich unterbreche: „Und das da draußen?“ „Protest. Symbolischer Protest. Ausdruck des Missfallens. Unseren Chef – du weißt ja, in manchen Ländern tritt er als Santa mit Schlitten und Rentier auf – möchte ich davon überzeugen, dass wir heuer das Einkufige betonen, jahreszeitgemäß mit Schlitten und Eisschuh. Meine Chancen stehen schlecht, weil der Chef in solchen Sachen für seine Allparteilichkeit bekannt ist, aber wer weiß? Ich jedenfalls werde weiter kämpfen für die Rückkehr zu den wahren Werten.“ Unser Gespräch bewegt sich dann langsam in andere Bereiche und nach einem Segenswunsch für die obligate Handbreit Wasser unter dem Kiel („Die Zweikufer brauchen ja nicht viel“, wie der Gefiederte leicht süffisant bemerkt) macht sich das Engerl wieder auf den Heimweg. Den Wunsch gebe ich gerne an die p. t. Leserinnen und Leser weiter – egal, ob auf einer Kufe unterwegs oder auf zwei bis drei.









 

Auf einer Kufe

Ressort Kreuzpeilung
Ob australische Aborigines oder kanadische Eskimos, ob Christentum, Islam oder indigene Religionen – Gastfreundschaft ist wertemäßig stark verankert. Segler wissen und schätzen das. Von See her kommend ist ein Hafen oft ersehnte Zuflucht und Geborgenheit, vom Land her in der Regel attraktiver Zugang zum Wasser. Allerdings: ein in der Regel knappes, aber nicht öffentliches Gut. Und an Letzterem spießt es sich oft. Ein Beispiel: Bei einem Kurzbesuch in Miami, Florida, versuche ich spontan, am South Bayshore Drive Zugang zu einem der aus meiner Jugend mythologisch-verklärten Yachtclubs zu erlangen: dem Coral Reef Yacht Club (www.coralreefyachtclub.org). In den späten Sechzigern Brutstätte der weltweiten Optimisten-Elite mit Leuten wie Doug Bull oder Claudia Stokes oder auch in jüngerer Vergangenheit mit Seglern wie Sean Moynihan oder Antoine Screve als Mitgliedern des US-Nationalteams. Die Homepage war verheißungsvoll: „For over fifty years, sailors from all over the world have entered through our stately royal palmed driveway. … Our beautiful clubhouse was purchased … in 1955.” Also vorbei am Biscayne Bay Yacht Club hin zur Einfahrt in den CRYC. Tatsächlich: Palmen, Einfahrt, im Hintergrund das kolonial anmutende Gebäude – ich sehe mich schon auf der Clubterrasse sitzen, einen Mojito schlürfen und – die Sonne im Rücken und Key Biscayne vor mir – einen entspannten Abend genießen. Das zunächst nur peripher wahrgenommene Parkhäuschen gerät aber ganz schnell in den Aufmerksamkeitsfokus. Daraus schält sich nämlich in gelassener Selbstverständlichkeit ein hinsichtlich Leibesfülle und Uniformiertheit nicht zu übersehender Afro-Amerikaner heraus und verlangt freundlich, aber bestimmt Auskunft über mein Begehr. Nicht ganz unvorbereitet erwähne ich Mark Mueller (ein im Club beheimateter Segelkollege von früher) als Subjekt meiner Suche, ob er denn schon hier sei und dass ich, extra aus Europa hierher gekommen, auch ein Segler bin und gerne ‚drinnen‘ warten würde. Österreichischer Schmäh zieht aber nicht, der Security kennt zwar Mark („He ususally comes in this time of the day“ – warum nicht gerade jetzt?!) und ich kann eine Nachricht für Mark hinterlassen, aber das war es schon auch. Bleibt der ehrenhafte Rückzug und Chillen beim öffentlichen Zugang zur Bay – auch nicht schlecht, aber CRYC bleibt damit auf der Liste der noch zu besuchenden Destinationen. P. S. Einsamer Höhepunkt der Gastfreundschaft im Sport: Postplatz in Wien, Landhockey-Finalturnier, U16 weiblich, meine Trinkflasche passt nicht unter den kleinen Wasserhahn. Nachfrage, ob ich sonstwo im Clubhaus auffüllen darf? Gibt es nicht, hamma nicht, tschüss. Wie gut haben’s wir Segler …









 

Gäste willkommen?

Ressort Kreuzpeilung
Nicht erwischen lassen. Nur das zugeben, was man unbedingt muss und nicht mehr abzustreiten ist. So tun, als ob nichts gewesen wäre; das Unschuldslamm markieren. Sich freuen oder gar brüsten, wenn’s „einegangen“ ist. Nein, nicht von einer gewissen Spezies Banker, Politiker und Unternehmen ist die Rede (obwohl es auch passen würde), sondern von den Spitzenfußballern dieser Welt. Drei Beispiele dafür rund um die eben gelaufenen WM: Thierry Henry, französischer Starstürmer, erzielte in der WM-Qualifikation das entscheidende Tor gegen Irland unter Zuhilfenahme seiner Hand und fand es trotz wütender Proteste der Iren unter seiner Würde, dies dem Schiedsrichter – der das nicht sehen konnte – mitzuteilen; wenigstens folgte bei der WM die Strafe für Frankreich auf den Fuß. Manuel Neuer, deutscher Stammtorhüter, rühmte sich nach dem WM-Viertelfinale gegen England, dass er beim klaren Tor von Frank Lampard so getan habe, als sei nichts gewesen und vermutete, auch das habe zum Fehlurteil des Schiedsrichters – kein Tor – beigetragen. Iker Casillas, spanischer Kapitän und Torwart, korrigierte den Schiedsrichter in der entscheidenden Phase des Finales nicht, als dieser nach einer Abwehr von Casillas fälschlicherweise auf Abstoß statt Eckball entschied und damit das Siegestor der Spanier einleitete. Lug und Betrug auf dem Spielfeld, gewinnen um den Preis des Verlusts von Fairplay als handlungsleitende Maxime im Fußball? Vermutlich ja. Sind Segler anders? Ich weiß nicht so recht. Da ist dieser starre Blick nach vorne, der verhindert, dass das Touchieren der Luvboje mit dem Heck wahrgenommen wird. Oder das als „schlitzohrig“ auch noch positiv konnotierte und nur aufwändig zu entdeckende Umgehen der Klassenbestimmungen, um einen regelwidrigen Vorteil zu erzielen. Geht’s auch anders? Im Fußball jedenfalls. So hat etwa Robbie Fowler, Stürmer von Liverpool, 1996 in einem Spiel gegen Arsenal London versucht, den Schiedsrichter davon zu überzeugen, dass er vom gegnerischen Tormann nicht gefoult wurde und der Elfmeter daher nicht zu geben sei (vergeblich übrigens). Paolo di Canio, Spieler von West Ham, verzichtete auf ein sicheres Tor, als er 2000 in einem Spiel der englischen Liga gegen Tottenham als Erster eine Verletzung des gegnerischen Torwarts bemerkte und den Ball nach einer Flanke mit der Hand fing statt ins Tor zu schießen (er erhielt dafür den FIFA Fair Play Preis). Und beim Segeln? Aber sicher. Jede selbstverständliche Annahme von Entlastungsstrafen ohne großes Geschrei der Gegner rundherum ist dazu zu zählen, ebenso wie jedes klare Nein zum inneren Schweinehund, der zum regelwidrigen Aufrüsten des Bootes verführen will. Wäre schön, wenn es weiter zunähme …









 

Lauter Pülcher*?

Ressort Kreuzpeilung
Mein Segelfrühling beginnt traditionsgemäß bei den Ruster Segeltagen beim BYC, diesmal mit Sprintos und Sharks. Der stramme Wind führte beim Treffen dreier Sprinto-Frauen, darunter eine unserer Töchter, zu einem kurzen, aber intensiven Austausch über nicht für existent gehaltene, aber von den Vortagsaktivitäten über Gebühr angespannte und mit Milchsäure katerartig versetzte Muskelpartien. Der Herr der Schöpfung (= ich) darauf lässig, mit breitem Grinsen und den eigenen Schmerz tapfer verbergend: „Richtige Männer kennen so etwas nicht.“ Darauf das Fräulein Tochter: „Na, Papa, so wie du heute aufgestanden und herumgewackelt bist, hat das aber auf etwas anderes hingedeutet.“ Hat man dafür in jungen Jahren seine Nächte geopfert, um sich so etwas anzuhören? Am Abend dann der eigene Vater mit skeptischem Blick auf meine Gesamterscheinung kurz vor dem Duschen vielsagend: „Wie viel wiegst du eigentlich jetzt?“ War jedenfalls heute im hauseigenen Mini-Fitnessraum und habe intensiv, hart und vergeblich an meinem mehr und mehr verbleichenden Luxuskörper gearbeitet. Morgendliches Dreiergespräch auf der Herrentoilette kurz vor dem Auslaufen. Alle angespannt, alle damit beschäftigt, ihr bestes Stück aus dem Segelgewand zu fummeln. Auftritt Clubmitglied. Ein deutliches ‚Guten Morgen‘ verhallt zunächst ungehört und sickert erst langsam ein, was mit einem leicht säuerlichen ‚Hier kann anscheinend niemand Deutsch!‘ quittiert wird. Mein anschließender Gruß hat das vermutlich nicht kalmiert, daher auf diesem Weg: Liebes Clubmitglied, wenigstens ich bin deutlich verlangsamt in meinen Reaktionen in solchen Situationen, diesbezügliches Multi-Tasking ist nicht meins (offensichtlich ging es meinen Kollegen nicht anders). Daher: grüßliches Erbarmen mit gestressten Regattierern! Die kleine Flotte der österreichischen Sharks wurde bereichert durch Gäste vom Wassersportverein Ornbau, einem Yachtclub nahe Nürnberg: Drei gemütliche ältere Herren, an Land einem Plauscherl nicht abgeneigt, am Wasser schon von weitem durch leuchtend orange Schwimmwesten gut erkennbar. Seglerisch schlug ihre große Stunde in der dritten Wettfahrt. Nachdem die ersten beiden Wettfahrten mit Kurs 1 (‚inner loop‘) absolviert waren, nahm das ganze Feld selbiges auch für die dritte und letzte Wettfahrt des Tages an. Das ganze Feld? Nein, die wackeren Franken (und eine zweite Mannschaft) hatten entdeckt, dass diesmal Kurs 2 (‚outer loop‘) angesagt war. Ich wäre gerne Mäuschen an Bord gewesen, denn es gehört einiges dazu, sich gegen das ganze Feld zu entscheiden und sicher zu sein, dass man beim Start einen Zweier gesehen hatte. Und: Warum der Wechsel des Kurses – wollte die Regattaleitung das Feld flexibel und aufmerksam halten? Oder hatte man einfach vergessen, nach den vorher startenden Sprintos umzustecken? Wie dem auch sei, Platz 2 für die fränkische Shark und danach nur mehr DSQ in dieser Wettfahrt. Merke: ein kurzer Blick zahlt sich manchmal lange aus.









 

Frühlingserwachen

Ressort Kreuzpeilung
Allenthalben scheint die Begeisterung über die Neuauflage im America’s Cup groß. Bei mir nicht. Ich fühle mich um wesentliche Aspekte dessen geprellt, was bisher der Reiz daran war. Und: Ich halte es für folgenschwer, dass die Segel-Welt die unsportlichen Winkelzüge zweier einschlägig Besessener ertragen muss. Aber der Reihe nach. Nach Olympia ist der America’s Cup für mich das Größte. An der glitzernden Oberfläche: die Besten der Besten jenseits der Offshore-Welt versammelt; Fokussierung auf ein Großereignis; Regattasport auf höchstem Niveau und gleichzeitig Anfängerfehler, siehe etwa Setzen des Spinnakers ohne Schoten auf dem neuseeländischen Boot im 5. Rennen des letzten Cups; eine mediale ‚Coverage‘, die es sowohl dem Laien als auch dem Fachpublikum ermöglicht, das Ereignis unter fast jedem erdenklichen Aspekt zu verfolgen. Die Basis aber bilden gegenseitiger Respekt und die gemeinsame Freude daran, sich seglerisch unter grundsätzlich gleichen Voraussetzungen – wiewohl unter Beachtung der designerischen Dimension – zu messen. Bei der 33. Auflage bleibt nur mehr die Oberfläche. Die Basis ist futsch. Es ist müßig, die Gründe dafür hier zu vertiefen (und dieses Magazin hat das ja mehrfach getan). Es ist wohl auch lediglich individuell beklagenswert, dass wir hier höchstens als Glücksfall spannende Rennen und nicht entweder den Kampf der Mehrrümpfer mit den Elementen oder eine deutliche Überlegenheit eines der beiden Designs sehen werden. Tatsächlich folgenschwer ist die Verwahrlosung im Hinblick auf den Basiskonsens unter Seglern. America’s Cup wird als Vorbild hinsichtlich Professionalität, Vermarktung, Segelkunst, Ästhetik, Design etc. betrachtet. Zu Recht. Dieses Vorbildhafte aber wird diesmal durch die Vorgänge vor der Veranstaltung praktisch völlig konterkariert. Sportgeist und sportlichem Verhalten – bestehend aus Fairness, Beachtung von ‚spirit of the rules‘, Großzügigkeit, Höflichkeit oder Würde im Verlieren – wird hier Hohn gesprochen. Für die Anwaltskanzleien und deren Spesen- und Auftragskonten ist das gut. Für die Segel-Welt nicht. Wenn dieses Beispiel Schule macht – und das wird es, seien Sie (un?)besorgt –, dann ist damit die Botschaft verbunden, im Großen wie im Kleinen, um jeden Preis den eigenen Vorteil zu suchen, Regeln so auszulegen, wie sie sicher nicht intendiert waren und dem Anderen nicht den fairen Wettstreit, sondern die Niederlage um jeden Preis anzutragen. Das hat Folgen nicht nur für andere ähnliche Großereignisse, sondern wird wohl hinunterreichen bis in die nationale Szene und die Häulsregatta am Wochenende. Ich weiß schon: Wenn das Ganze zum Geschäft wird, ist nichts anderes zu erwarten; war es nicht bisher auch wenigstens im Grunde so; so ist halt der Lauf der Dinge etc. Aber trotzdem.









 

A blöde G’schicht?

Ressort Kreuzpeilung
Nach dem November-Frühling ist es doch noch vorweihnachtlich kalt geworden und so steht die an Adventabenden obligate Tasse Tee dampfend neben meinem Buch, als sich – halb erhofft, halb befürchtet – schemenhaft die Umrisse des Weihnachtsengerls an der Terrassentür abzeichnen. Schnell öffne ich und bitte meinen gefiederten Freund herein. Schwer keuchend schleppt sich der Himmelsbote mit zwei prall gefüllten Säcken ab und fällt erschöpft auf die Couch. Ich lasse das Engerl ausschnaufen und labe es mit Vanillekipferln, während dessen mustere ich verstohlen die beiden Säcke. Ob da auch was für mich dabei ist? Vielleicht sogar ein ganzer Sack? Sonst hatte es ja immer nur einen dabei … Das Engerl sieht meine Blicke und lächelt milde. „Nein, nein mein Lieber – das ist für eine seglerische Schwerpunktaktion der Himmlischen gedacht. Und dafür bist du leider nicht mehr in der passenden Altersgruppe.“ Leicht indigniert frage ich mit verständnisloser Miene: „Und um welchen Schwerpunkt handelt es sich?“ Mit einer Mischung aus Stolz und Freude holt das Engerl aus. „Wir Himmlischen hielten auf Anregung des Allerhöchsten eine kleine Konferenz ab. Thema: Hoffnungsvolle Entwicklungen, die wir unterstützen möchten. Heerscharen von Engeln, zuständig für die verschiedensten Länder und Bereiche, haben berichtet, es wurde erwogen und verworfen. Äußerst interessant, kann ich nur sagen. Ich selbst bin, wie du ja weißt, für den Segelsport in Österreich zuständig. Für mich die hoffnungsvollste Entwicklung des letzten Jahres: Reizvolle Alternativen, die sich jenseits des olympischen Regattierens für den Nachwuchs aufgetan haben. Matchrace, RC44, Class 40, Extreme 40 – das sind aufregende, anspruchsvolle Projekte, in denen sich junge Seglerinnen und Segler zukünftig mehr und mehr engagieren können. Besser vereinbar mit Beruf oder Studium, größeres Zielpublikum, kein elendes Null-Summenspiel durch interne Olympia-Quali innerhalb Österreichs, Herausbildung ganz neuer Arten von Know-How. Alles in allem jedenfalls etwas, das wir Himmlischen fördern wollen.“ Auf dieses Stichwort hin zeige ich neugierig auf die beiden Geschenksäcke. „Und was ist da drin?“ Mein gefiederter Freund öffnet die Säcke und es zeigt sich die gesamte Bandbreite an Nützlichem und Verspieltem für den Hochseesegler: Schwerwetter-Bekleidung, GPS, Strömungskarten, GRIB-Tutorials, Match-Racing-Regeln usw. Rasch verschließt das Engerl – „Dass du mir nicht auf dumme Gedanken kommst!“ – die Säcke wieder, bedankt sich für die Bewirtung und ist schon fast draußen bei der Tür. „Ach ja, an deine p. t. Leserinnen- und Leserschaft noch die besten Wünsche und die obligate Handbreit Wasser unter dem Kiel!“ Sprach’s und war auch schon verschwunden. Kurz hänge ich meinen Gedanken nach, dann wende ich mich wieder meinem Buch zu. Titel, wie passend: Altern in Würde …









 

Vielfalt in der Entwicklung

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