Wie alles anfing

Diese Reise begann eigentlich schon vor ein paar Jahren, genau gesagt am 7. September 2004. An diesem Tag überquerte Hurrikan Ivan die Insel Grenada. Er zerstörte die Kirche von St. Georges, deckte rund 90% aller Häuser ab auf der Insel ab und tötete 39 Menschen. Auf dem Weg zur Arbeit überquerte er auch den Katamaran Mother Ocean, der in der Marina Grenada Marine an Land lag. Als ich einen Monat später hinflog, fand ich verwelkte Palmwedel ins Rigg geflochten vor. Meine Solarpaneele waren in die angrenzenden Mangroven geweht worden. Und an Segeln war nicht zu denken, weil nämlich das Segelloft in einem zirka auf brusthoch zusammenkomprimierten Holzstapel auf meinen Segelsäcken lag, und das für ein gutes halbes Jahr.

Ich übte mich in Geduld, beseitigte 2005 die Schäden und ließ das Boot weiter auf der Insel, vor allem aus tiefer Sympathie für die Grenadiner: Wie sie die Ärmel aufkrempelten und aus einem Atombombenschaden wieder eine paradiesische Insel machten, gefiel mir. Da ein bisschen Liegeplatzumsatz beizutragen, ist kein Fehler, richtig?
Falsch. Nach Hurrikan Ivan war der Regenwald von Grenada mit unvorstellbaren Mengen Bruchholz gefüllt. Bruchholz mal tropisches Klima dividiert durch den größten anzunehmenden Unfall gibt ...? Korrekt: Termiten. Mother Ocean fing sich Termiten ein, und zwar an den denkbar ungünstigsten Plätzen: Hinten in den Rumpfenden, wo die Püttinge für die Achterstag sitzen.
Ein karibischer Kammerjäger erschien auf der Szene: Rastafrisur, Doppelfilter-Gasmaske, Rückentank mit Handspritze, Short, T-Shirt und Sandalen. Er tötete alles, was sich auf dem Boot bewegte und in der Langfristperspektive wahrscheinlich auch sich selbst. Ich ging rechtzeitig zur Seite und wartete dann ein halbes Jahr lang auf einen Reparatur-Kostenvoranschlag von Grenada Marine, aber der kam nie, weil der Komposittechniker nämlich spontan für ein paar Monate nach Venezuela musste: Sein Onkel und seine Tante waren dort leider bei einem Raubüberfall erschossen worden und hatten zwei Kinder und recht komplizierte Angelegenheiten hinterlassen, die nicht so schnell zu ordnen waren. Verstehen wir, aber... naja...
Wenn man merkt, dass man Geduld übt, hat man sie bereits verloren. Ich flog auf die Insel, stellte Grenada Marine ein 7-Tage-Ultimatum und organisierte eine Fallback-Option. Grenada Marine lieferte zum Ultimatum wieder keinen KV. Ich beauftragte noch am selben Abend Mark und Anita Sutton von Island Dreams Yacht Services als Generalunternehmer, ließ den Kat komplett auseinandernehmen und Stück für Stück restaurieren. Es war wie ein Hausbau. Nur spannender.
Jetzt ist er fast fertig. Und ich bin an Bord und schreibe von hier aus meinen ersten Wanderbrief. Im zweiten werden ich erzählen, wie mich eine Steuerprüferin segeln schickte, warum meine besten Freunde Geckos sind und wo ich den Blasbalg für mein Schlauchboot wiedergefunden habe. Wenn ich ihn denn wieder finde. Aber denken wir positiv: No problem, maaan, wie der Rasta zu sagen pflegt.

Bis bald
an Bord der Mother Ocean

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