Der Fahrstuhleffekt
Der erste Live-Auftritt bei einer Messe in der Covid-Ära führte nach Tampa, Florida. Gut, Leute mal wieder ohne Bildschirm zu sehen. Patrick Haebig aus Linz war da, um einen Preis für das Kollisionswarnsystem OSCAR in Empfang zu nehmen, so wie auch Jason Minor aus Texas. Letzterer vertreibt Hydrofins, das sind Foils für Pontonboote, eine Bootsgattung, die in Binnenamerika Kultstatus genießt. Motorisierte Badeinseln auf zwei oder drei runden Alurümpfen (im Fachjargon „Logs“ also Rundholz genannt), bei denen kaltes Bier, laute Musik und ein großer Grill wichtiger sind als Fahrleistungen oder Spritverbrauch. Pragmatisch, praktisch, populär. Wie bunte Plastiksandalen.
Das ausgerechnet solche Boote nun einen Sprung in Sachen Effizienz machen, ist ein Zeichen der Zeit und des Fahrstuhleffekts, über den High-Tech aus dem Regattasport den Weg in den Massenmarkt findet. Entwickelt wurden diese Foils von Morrelli & Melvin, die beim America’s Cup mitmischten, Rekordfahrzeuge wie den Riesenkat Playstation entwarfen, Formula 40s, A-Kats oder den olympischen Nacra. „Mich rief einer an, der wollte Foils für Pontonboote, da hab ich gleich wieder aufgelegt,“ scherzte Pete Melvin. Doch 60.000 verkaufte Neuboote pro Jahr und 1,25 Millionen Boote am Wasser (in USA) änderten seine Ansicht.
Hydrofins bestehen aus Edelstahl und Alu und kommen im Viererpack. Sie werden mit Zweikomponentenkleber an die Unterseite der Rümpfe gepickt, die kleinen am Heck, die großen etwas vor dem Bootsschwerpunkt und mit voreingestelltem Anströmwinkel, fertig. Elektronische Kontrolle braucht‘s nicht und kosten tut der Spaß ca. $3,500 inklusive Installation.
Bei der Testfahrt im Flachwasser der Tampa Bay drehte ein erfahrener Pilot mit dem 7,60 m Vorführboot erstaunliche Pirouetten und war auf der Geraden deutlich schneller als ohne Foils. Das garantiert Minor seinen Kunden auch. „20% mehr Topspeed von der Stange, bei einem Kundenboot waren es sogar 60%.“
„Es herrscht großer Druck, Erderwärmung zu reduzieren und ökologisch vernünftiger zu werden,“ lautete Melvins Resümee. Hydrofins brächten „20 bis 40% mehr Reichweite, mindern Spritverbrauch und Emissionen,“ das nütze dem Bootsvergnügen und dem Klima. Klingt verdammt optimistisch, aber im Prinzip nicht verkehrt.