Fragen stellen
Psst! Freizeitboote belasten die Umwelt. Besonders die großen und jene mit viel Kohlefaser. Von der Wiege bis zur Bahre, klimaschädliche Emissionen für und von einem Produkt (etiam tu, Elektroboot), das niemand wirklich braucht, wie’s Zyniker suggerieren. Die Industrie scheute das Thema Nachhaltigkeit lange wie Luzifer das Weihwasser, doch die Tide kippt und nun es gibt’s ernstzunehmende Lösungsansätze, nicht nur Greenwashing.
Also, wie baut man Boote aus alternativen Materialien, die der Markt akzeptiert, die die Umwelt weniger belasten und die besser zu entsorgen wären? Zaubermittel gibt's nicht, aber viele inkrementelle Verbesserungen, vom Design bis zur Entsorgung. Nötig sind vor allem neue Denkprämissen, die der Umwelt mehr Priorität einräumen, auch ohne gesetzlichen Zwang.
„Fragen stellen ist nicht nur akzeptiert, es wird mittlerweile erwartet," sagt Damian Foxall, Umweltbeauftragter von 11th Hour Racing und sechsfacher Absolvent des Volvo Ocean Race. „Woher kommt das Material? Welche Stromquellen benutzt der Lieferant? Wieviel ist wiederverwertbar? Wie und wo wird Abfall entsorgt? Was passiert mit der Verpackung?"
Er und seine Mitstreiter führten Lebenszyklusanalysen beim wenig nachhaltigen Bau des neuen IMOCA 60 durch. Mithilfe der MarineShift360 LCA-Software errechneten sie dabei 553 Tonnen CO2-Ausstoß gegenüber etwa 343 Tonnen für ein älteres Boot ohne Foils. Fazit: Hitech-Boote sind zwar leichter und fahren schneller, pushen aber Energie- und Herstellungsaufwand drastisch.
Die 128-Seiten-Studie von 11th Hour bietet viel Zahlenmaterial und auch Empfehlungen, wie man Rennyachten umweltschonend(er) bauen könnte. Die Nettonull ist noch weit weg, doch Foxall verriet, was hier und jetzt geht. Zum Beispiel: Neben der sorgfältigen Wahl von Lieferanten muss der Formenbau weniger energie- und abfallintensiv werden. Zirkularität, also die Weiter- bzw. Wiederverwertung von Material und Produkten, müsse beim Design stärker berücksichtigt werden. Fabriksneues und hochfestes Kohlefaser sollte weg. Geht im High-End-Bereich (noch) nicht, aber für gewisse Anwendungen gibt’s weit weniger schädliche Alternativen (z.B. Flachs). Der CO2-Ausstoß sollte von Gesetzen und Klassenregeln reguliert werden, die auch Anreize schaffen können, wie z.B. eine Gewichtsvergütung für Bauteile aus Naturfasern in der neuen IMOCA-Regel.
Am wichtigsten sind allerdings fundamentale Fragen: Warum gehen wir aufs Wasser? Welche Auswirkung haben Bootswahl, Konstruktion, Herstellung und Gebrauch auf Umwelt, Mensch und Zukunft? Müssen es tatsächlich 40 emissionsreiche Knoten sein, oder geht’s auch anders?
Umweltreport von 11th Hour Racing: https://www.11thhourracingteam.org/news/lifting-the-lid-on-boat-build-impacts-for-a-more-sustainable-industry/
MarineShift360 LCA Software: https://marineshift360.org