Der Junior
Walzerfreunde kennen den Generationenkonflikt im Hause Strauß, in dem Vater Johann sich so gar nicht für die Karrierepläne des gleichnamigen Sohnes begeistern wollte. Weniger bekannt ist, dass sich im Hause des US-Yachtkonstrukteurs Nathanael Herreshoff Ähnliches abspielte: Der höchst erfolgreiche Alte schickte seinen Sohn Lewis Francis (1890–1972), besser bekannt als L. Francis, zum Mistschaufeln aufs Familiengut statt ihn Boote zeichnen zu lassen. Eine Sünde, denn der Kleine trieb sich lieber auf Vaters Werft als in der Schule herum. Dort wurde nämlich über ihn gelästert, da er weder gut lesen noch richtig buchstabieren konnte; Schicksal eines Legasthenikers Ende des 19. Jahrhunderts.
Nach der Schulzeit leistete L. Francis jahrelang Frondienst auf der Familienfarm, zeichnete aber nebenher Schiffe und trat nach dem Ersten Weltkrieg in das Konstruktionsbüro von William Starling Burgess ein, einem Konkurrenten seines Vaters. Und siehe da: Francis entwarf intuitiv Schiffe, die zum Niederknien elegant waren. Absolut perfekt proportioniert, mit schlankem Rumpf, oft mit Kanuheck, aber stets mit wenig Freibord und kleinen Aufbauten. Noch besser: Sie gewannen. Vor allem die eleganten R-, Q- und M-Klassen, die nach der Universal Rule seines Vaters konstruiert wurden, hatte er im Effeff. Der greise Nat sah, dass seine Boote oft gegen die seines Sohnes verloren, was ihn einerseits ärgerte, andererseits aber auch mit Stolz erfüllte, wie heute aus dem Briefwechsel der beiden bekannt ist.
Nur mit der J-Class hatte Francis kein Glück. Seine Whirlwind wurde bei den US-Ausscheidungen zum America’s Cup 1930 als erste eliminiert. Er scheiterte damit genau auf jener Bühne, die sein Vater so lange dominierte. In Folge konstruierte Francis nur noch Fahrtenschiffe, wie den kleinen Doppelender Rozinante oder die Ketsch Ticonderoga, bis heute eine der schönsten Blauwasseryachten. L. Francis war auch Autor zahlreicher Fachartikel und einiger Bücher (das Buchstabieren übernahm seine Sekretärin), in denen er Entwürfe publizierte, bzw. meinungsstark Ratschläge erteilte. Nur beim GfK verschätzte er sich. Das Material, das er verächtlich als „gefrorenen Rotz” bezeichnete, revolutionierte bekanntlich den Bootsbau. Aber Johann Strauß der Jüngere komponierte auch nicht jeden Tag einen Donauwalzer.
Biografie: L. Francis Herreshoff, Yacht Designer (Teil 1), $65,
https://store.mysticseaport.org/l-francis-herreshoff-yacht-designer.html