Wo die Vulkane wohnen

Wer die Kanaren besegeln will, muss sich auf allerhand gefasst machen: Reichlich Wind, lange Distanzen und wilde Inseln, die aus dem Feuer geboren sind

Wo die Vulkane wohnen

Die Kanarischen Inseln sind ein gutes Revier, um mal rauszukommen. Raus aus der Behaglichkeit des Mittelmeers, rein in eine Welt, in der die große Fahrt das Thema ist. In ein Revier mit neuen Herausforderungen und neuen Bildern.

Zum Staatsgebiet Spaniens zählend, sind die Kanarischen Inseln Teil Europas. Atmosphärisch haben sie mit unserem Europa aber wenig gemein. Am europäischen Meer – von der Levante bis zu den Balearen – sind die Sehenswürdigkeiten von einer gemeinsamen Kulturgeschichte grundiert. Als archäologisch bedeutende Reste, Ruinen, Burgen, Schlösser, Kirchen und Orte mit vielhundertjähriger Geschichte können die Zeichen dieser Gemeinsamkeit besichtigt werden. Dergleichen wird auf den Kanaren nicht geboten. Dafür gibt es krasse Natur mit einem historischen Hintergrund, der nicht in Jahrhunderten, sondern in Jahrmillionen zu messen ist.

Ein erster Eindruck ist auf der Fahrt vom Flughafen zur Charterbasis in Las Galletas zu gewinnen. Das Land wirkt zerrissen wie von einem scharfen Rechen. Rostbraune Kegel erheben sich aus einer wirren Lavawüste. Monströse Kakteen wuchern zwischen scharfkantigen Felsbrocken. Am schwarzen Strand liegen Gestalten zwischen faustgroßen Steinen, Kinder werfen sich nackt in die Brandung.

Schwarz und grau, mit ein paar dunkelblau gestrichenen Gebäuden präsentiert sich Marina del Sur, der Hafen von La Galletas. Ausweislich der Geschichte ist der Ort ein Fischerdorf, jetzt eine Ansammlung von Plattenbauten in mürbem Weiß und Braun. Die Marina bildet einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor der Stadt, es werden Jetskis, SUP-Boards und Kayaks vermietet sowie Fischfangexkursionen, Tauchexkursionen und Exkursionen mit dem Partykatamaran angeboten. Spätestens hier wird deutlich: Die Kanarischen Inseln sind ein Brennpunkt des Tourismus.

Angetrieben wird dieser Tourismus von einem höchst angenehmen Klima und mächtigen Investitionen in die Infrastruktur. Er hat überwiegend zwei Zielgruppen: Gäste, die so wenig wie möglich tun wollen, und Gäste, die viel wie möglich tun wollen. Die entschleunigte Fraktion umfasst Menschen, die (häufig nackt) an den Stränden in der Sonne braten, und die Alten, die mit Hund, am Stock, per Rollator oder im Elektro-Cart schattige Wege gemächlich frequentieren. Die Touristiker in der Marina del Sur wenden sich an die anderen Gäste, die mit Bewegungsdrang.

Mit dem Katamaran starten gut gelaunte Gesellschaften in den Abend. Zwei, drei Stunden später kehren sie extrem gut gelaunt, weil mit Sangria abgefüllt, zurück. Im Retourgang schießt der Steuermann seine Plattform durch die Gasse der vertäuten Boote, wirft die Gashebel herum und dreht das Teil haarscharf in die Box. Die Sonnenuntergangsgang ist begeistert, jubelt, johlt und folgt einer Braut mit originalgetreu geschminktem Jokerauge in wackeliger Polonaise an Land. Im Halbschatten der Hafenmauer wird der bunte Haufen grau. Mit zunehmender Entfernung verwelkt der vollkehlige Sound zu einem matten Murmeln.

Aus der lauten Stimmungswelt der landgestützten Urlaubstiere hebt sich die von den seegängigen Reisenden bevorzugte Atmosphäre. Zwar lassen sich noch bis gegen Mitternacht die Ferienflieger auf die Insel nieder und würzen mit dem Dröhnen ihrer Triebwerke die laue Nacht. Doch dann stehen nur noch Jupiter, Saturn und ein paar tausend andere leuchtende Punkte am Himmel, näher, als man sie bei uns zu Gesicht bekommt. Der Tau der Nacht legt sich aufs Schiff und mit ihm schließlich Stille. Nur noch der unregelmäßige Herzschlag der Marina ist zu hören – das Schaben der Stege an den Pylonen, das Knarzen der mit Kleinfahrzeugen beladenen Pontons. Wenn mehr Schwell in die Marine steht, grunzen die Stege wie müde Robben.

Ungewohnte Dimensionen

La Galletas an der Südspitze Teneriffas ist ein guter Ausgangspunkt für die Erkundung der kanarischen Gewässer. Die Marina liegt in etwa gleicher Entfernung zu den westlichen Inseln Hierro, La Gomera und La Palma sowie den östlichen Inseln Gran Canaria, Fuerteventura und Lanzarote. Von La Galletas aus kann man zu einer Kanaren-Rundfahrt mit zentral gelegener Versorgungs- und Servicestelle aufbrechen. Vorausgesetzt, das Zeitbudget ist üppig – hier muss man in anderen Distanzen rechnen als in den Inselgruppen des Mittelmeers, den Bahamas oder der Karibik. Vom Norden Teneriffas nach Lanzarote sind es mehr als hundert Meilen. Für die sehr kurze Überfahrt von La Galletas nach Puerto de Morán auf der Nachbarinsel Gran Canaria muss man immerhin noch gute 50 Meilen absolvieren.

„Was Schöneres gibt's ja gar nicht!“, werden jene sagen, die mit ihrem Boot verwachsen sind, das unendliche Blau des Meeres für den schönsten Anblick halten und über einen sitzfesten Hintern verfügen. Es gibt auch andere. Solche, die nach einer Stunde en route fragen: „Wann sind wir da?“ Die gern von Städtchen zu Städtchen hüpfen, um da und dort einen Drink unter Palmen oder ein neues Täschchen unter den Arm zu nehmen. Drinks und Täschchen verkaufen sie dir auf den Kanarischen Inseln zwar auch, auf die Daseinsfrage wird der ehrliche Navigator aber zumeist antworten: „Leider noch lange nicht.“

Dann eben von Ankerbucht zu Ankerbucht.

Den gesamten Revierbericht lesen Sie in der Yachtrevue 3/2020, am Kiosk ab 28. Februar!

Der komplette Bericht als PDF-Download:

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