Quasti

Vorsätzlich. Für 2024 habe ich den Plan gefasst, mir von niemandem die Laune verderben zu lassen. Schon gar nicht beim Segeln

Quasti

Zum Glück hab‘ ich nur einen guten Vorsatz fürs neue Jahr: Ich werde meinen Freund Quasti auf keinen Törn mitnehmen. Nein, er hat sich nicht wirklich etwas zu Schulden kommen lassen. Als Kind der Welthauptstadt des Pessimismus, halte ich ihn einfach nicht mehr aus.

Quasti redet viel über Autos. Schon die Verwendung des Autopiloten löst einen verbalen Test-Vergleich zwischen „Chinesen“, „Koreanern“, „Ami-Schlitten“ und „Bayerischen“ aus. Ich weiß, das ist mein Problem, weil ich mich für Autos etwa so interessiere, wie ein Dromedar fürs Apnoe-Tauchen. Doch wenn der Autopilot läuft, darf sogar der Skipper in die Bugkabine flüchten, um als Alternativprogramm Asterix, Band XXII, „Die große Überfahrt“ zu lesen. Und dabei male ich mir aus, dass Quasti einer von jenen Piraten ist, deren Schiff mit bestechender Regelmäßigkeit von den Galliern versenkt wird.

Quasti rülpst und furzt oft, gern, geräusch- und gehaltvoll. Danach beruft er sich immer auf einen Spruch, der angeblich von Martin Luther stammt, und brüllt als Einziger vor Lachen. Ich halte es für nicht besonders seemännisch, das Beiboot nachzuschleppen. Doch jetzt stell ich mir den grunzenden und flatulierenden Quasti am Ende einer Fünfzig-Meter-Leine vor. Bei Fünf-Meter-Welle in einem Dingi, das auch ganz langsam Luft ablässt. Ich muss zugeben: Das hat was!

Daheim, im schnöden Alltag seiner Agentur, muss Mag. Steffen Quastnitschka – besonders in Gegenwart der beiden unerträglich wohlerzogenen Grafik-Designerinnen – seine reichhaltigen Körpergas-Quellen geringfügig drosseln.

Segelboote sind auch für andere Crew-Mitglieder oft eine Art Getaway Car, mit dem sie vor den Zwängen des Alltags fliehen. Das englische Wort für Fluchtfahrzeug löst bei Quasti wenig überraschend ein weiteres Auto-Referat aus: „Warum ist der Sterndl-Sarg ein besseres Getaway Car als die Spaghetti-Schachtel, hää?“ Er meint Mercedes-Kombi und Fiat-Kleinbus. Es wäre mir lieber, er furzt wieder …

Quasti pflegt vor schwierigen Anlegemanövern laut- und geruchlos zu verschwinden. Gänzlich unsichtbar macht er sich, wenn sich das Geschirr nach dem Essen wie eine Monsterwelle auftürmt. Steht plötzlich Wasser in der Bilge, muss er dringend Mails beantworten. Aus Prinzip vergisst er, vor dem Segelsetzen die Luke seiner Kabine dicht zu machen, was aufgrund seiner Flatulenzen aber teilweise berechtigt ist.

Als Quasti im Hafen von Palma de Mallorca doch einmal für die Fender zuständig ist, werde ich nach dem Anlegen von einer Amerikanerin gefragt, ob auch sie bei mir eine Hafenrundfahrt buchen könnte. Quastis affenartiges Arbeitstempo hatte uns sieben Strafrunden zwischen Autofähren, Maxi-Yachten und Ruder-Taxis beschert. Ich fragte, ob es ihm lieber wäre, wenn ich die ganze Insel umrunde, damit er gewissenhaft den ersten Fender befestigen kann. Darauf er: „Mir ist der depperte Palstek abhandengekommen!“ Worauf mir die Geduld abhanden kam, und ich brüllte: „Zum Kuckuck! Du brauchst einen Webeleinstek!“ Quastis Rechtfertigung: „Ich mag nur T-Bone-Steaks.“ Wahnwitzig witzig!

Quasti ist immer der Erste, der sich am letzten Törn-Tag aufdrängt, ein Gepäckswagerl zu suchen. Gefunden hat er noch nie eines. Wenn alle Autos fertig beladen sind, taucht er wieder auf. Meistens ohne Wagerl, aber mit Fahne. Dann fällt er bis Graz auch als Fahrer aus. Ein krasser Widerspruch zu seiner sexuellen Verbindung mit Straßenvehikeln …

Jetzt verrate ich euch ein Geheimnis: Den Quasti gibt es gar nicht wirklich! Unsere erweiterte Stamm-Crew umfasst etwas mehr als zwanzig Menschen. Jeder einzelne von ihnen hat hunderte positive Eigenschaften. Nehme ich aber nur die schlechten Angewohnheiten wahr, die mir an meinen Freunden auf die Nerven gehen, und rechne ich diese auch noch zusammen, dann entsteht die Kunstfigur Quasti und verdirbt mir die Laune.

Genau darum bleibt er ab 2024 zu Hause.

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