Brett-Geschichten
Premierengast. Valentin Bontus wird im August bei der erstmals ausgetragenen olympischen Disziplin Formula Kite die österreichischen Farben vertreten. Den dafür nötigen Wechsel vom Freestyler zum Racer hat der 23-Jährige mit Konsequenz und herzerwärmender Begeisterung vollzogen
Zack, da war das Kreuzband ab. Und Tschüss, Brasilien. Orthopädische Operation statt Training im Traumrevier, Verletzungsfrust statt Lagunen-Lust. Wer am Boden liegt, muss wieder aufstehen, heißt es, doch manchmal schafft der veränderte Blickwinkel auch neue Perspektiven. Wir schreiben das Jahr 2020, Valentin Bontus ist gerade mal 19 Jahre alt und leidenschaftlicher Freestyle-Kiter, also in jener Sportart aktiv, bei der die Athleten mit hohen Sprüngen und spektakulären Manövern Punkte sammeln. Nach jedem Trick landen sie hart am Wasser – und dabei machte das lädierte Knie auch nach OP und Rekonvaleszenz Probleme. „Ich hatte ständig Schmerzen und wusste, das wird eine Schwachstelle bleiben“, erinnert sich der Niederösterreicher, der im Sportgymnasium Guntramsdorf maturiert hat. So erschien es ihm wie ein Wink des Schicksals, dass im Juni 2021 die Disziplin Formula Kite (nach einigem Hin und Her) mit jeweils einem eigenen Medaillenbewerb für Damen und Herren in die olympische Riege aufgenommen wurde. „Ich hab das als Chance gesehen, nicht lang gefackelt und mich einfach beim Österreichischen Segel-Verband gemeldet. Und obwohl mich niemand kannte, bin ich dort sehr wohlwollend aufgenommen worden“, beschreibt Bontus seinen Anfang als Racer, der mit der Umstellung auf einen völlig fremden Modus sowie auf ein foilendes Board verbunden war. Im September 2021 nahm Bontus am Traunsee an seinem ersten Formula-Kite-Event teil – ein buchstäblicher wie sprichwörtlicher Sprung ins kalte Wasser. „Ich hatte keine Ahnung von gar nichts und nur Bahnhof verstanden. Das Wort Layline hab ich davor noch nie gehört“, schüttelt Bontus rückblickend den Kopf. Den folgenden Winter verbrachte er mit einer internationalen Trainingsgruppe in den USA und Mexiko, im Frühjahr kehrte er mit zwei wesentlichen Erkenntnissen nach Europa zurück. Erstens: Seine körperlichen Voraussetzungen könnten für das Race-Foilen nicht besser sein. „Als optimal gilt ein Gewicht von 95 bis 100 Kilo, das kann ich problemlos erreichen und halten“, erklärt der 23-Jährige. Weil er außerdem über ein sehr gutes, über die Jahre entwickeltes Gefühl für Kite und Board verfügt, zählt Bontus zu den Schnellsten auf dem Kurs und kann international ganz vorne mitmischen.
Rasante Aufholjagd
Zweite Erkenntnis: Bei anderen Erfolgsfaktoren gibt es viel Luft nach oben. „Feldtaktik, strategische Positionierung beim Start, auf der Kreuz oder bei den Wendemarken, Wetterkunde, Windbeobachtung, Regelsicherheit – dieses ganze Know-how, das Segler üblicherweise von Kindesbeinen an mitbekommen, hat mir weitgehend gefehlt“, gibt Bontus unumwunden zu, „es spielt aber im Formula Kite eine ebenso große Rolle wie in den klassischen Segel-Disziplinen.“