Von Affen und Waffen

Zoologie. Warum es sich manchmal doch auszahlt, ein Schwein zu sein. Zumindest ein kleines

Von Affen und Waffen

Sardinien-Törn, letzter Tag. Unsere „Cavia“ (übersetzt: Meerschwein) lag längsseits im Hafen von La Maddalena. Wir wunderten uns gerade darüber, dass bei vielen Schiffen halbe Plastikflaschen mit scharf ausgeschnittenen Zacken als Manschetten über die Festmacherleinen gezogen waren. Des Rätsels Lösung kam aus dem Schiffsbauch. Und zwar in Form eines Schreis, der auch von einem besonders ängstlichen Schwein kurz vor der Schlachtung hätte stammen können.

Crewmitglied Friedrich war in seiner Koje von einer Ratte besucht worden und zeigte sich nicht von seiner gastfreundlichsten Seite. „Die gezackten Plastikflaschen sollen also verhindern, dass Ratten über die Festmacher an Bord kommen“, analysierte Thomas. Ergänzend lobte ich die praktische Kreativität der sardischen Yachties. Und Georg warf nach einem kräftigen Schluck Kaffee ein: „Wisst ihr, dass Ratten sehr intelligent sind?“
Friedrich schien verstimmt, weil wir nicht im Entferntesten daran dachten, unser Frühstück zu unterbrechen: „Will vielleicht einer von euch Vollkoffern dieses elende Viech erschlagen?“ Doch Friedrich hatte sich auf diesem Törn nicht unbedingt wie ein Segler, sondern eher wie eine ständig meckernde Zicke verhalten. So beschlossen wir per Augenkontakt, das Spielchen weiter zu treiben. Abgesehen davon verspürte keiner von uns große Lust mit der Ratte zu verhandeln.

Thomas: „Wisst ihr, was ein Bananenschwein ist? Das ist eine ganz besonders hässliche Rattenart, die in Bananenkisten auf Frachtschiffe gelangt. Grauenvoll!“

Die Flüche aus Friedrichs Koje wurden lauter und abwechslungsreicher.

Georg: „Tiere gibt es übrigens viele auf einem Schiff: Eisbär heißt der zuständige Mann für die Kühlanlagen auf Frachtern. Fuchs nennt man es, wenn der Ausguck vor lauter Müdigkeit Land sieht, das gar nicht da ist. Und mit der Katze wurden Befehlsverweigerer ausgepeitscht.“

Thomas: „Ich finde, wir sollten Friedrichs Ratte Frodo nennen.“

Friedrich (tobend): „Ihr verdammten Affen!“

Thomas: „Apropos Affe: Pavian nennt man den Mann, der Ankerwache hält.“

Ich: „Und die Affenfaust ist ein Seemannsknoten.

Georg: „Polleraffe heißt ein Matrose, der nur an Deck arbeitet.“

Thomas: „Im Gegensatz zum Takelaffen, der in der Takelage herumklettert.“

Ich: „Heißt der nicht Bordziege?“

Thomas: „Bordzicke? Meinst du Friedrich?“

Friedrich (weinerlich): „Ihr seid echte Kameradenschweine!“

Ich: „Apropos Schwein: Wisst ihr, dass man früher lebende Schweine auf Schiffen mitgeführt hat? Und der jüngste Matrose musste sich um diese Bordschweine kümmern.“

Thomas: „Nicht zu verwechseln mit dem Kielschwein! So nennt man den Holzblock, in dem der Mast sitzt. Ich glaube, dort treibt sich Frodo derzeit herum.“

Georg: „Ja, ja, so ein Schiff ist der reinste Zoo.“

In diesem Augenblick erschien Friedrich mit der Signalpistole in der Hand im Niedergang. Für kurze Zeit verging uns ob seiner Bewaffnung in diesem Gemütszustand das Lachen, denn Friedrich wirkte wie eine Kreuzung aus Sylvester Stallone und Rowan Atkinson. „Feige Hunde seid ihr!“, brüllte er.
Thomas behielt die Nerven: „Apropos Hund: Weißer Hund wird eine Welle genannt, die über das Schiff hinwegfegt.“
Georg: „Geh, Friedrich, sei friedlich und leg bitte die Waffe ins Schwalbennest.“ Friedrich warf die Signalpistole auf den Cockpit-Tisch und stolperte wutschnaubend Richtung Vorschiff.

Thomas: „Fall‘ nicht über den Schwanenhals!“

Friedrich – eigentlich hatte er mehr von Mister Bean als von Rambo – turnte über die Reling und stampfte schwer beleidigt Richtung Stadt. Sekunden später fetzte eine dunkelgraue Ratte zwischen unseren Beinen durch über die Heckleine auf die Kaimauer und verschwand ebenfalls.

Diese Story ist wahr und hat sich so vor zwanzig Jahren zugetragen. Seither hatten wir keine Ratten mehr an Bord. Weder einen Frodo noch einen Friedrich.

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