Toskana maritim

Törnbericht. Zwischen der italienischen Westküste und Korsika liegt eine Inselgruppe mit eigenartiger Geschichte und attraktiver Gegenwart. Werner Meisinger hat sie auf einer Charteryacht besegelt

Zahn der Zeit. Zu Kunst in der Landschaft umgearbeitet zeigen sich die verlassenen Bergwerke Elbas. Durch die rostigen Überreste der Miniera del Vallone fällt der Blick auf das strahlend blaue Meer

Zahn der Zeit. Zu Kunst in der Landschaft umgearbeitet zeigen sich die verlassenen Bergwerke Elbas. Durch die rostigen Überreste der Miniera del Vallone fällt der Blick auf das strahlend blaue Meer

Die Costa Concordia lief in den späten Abendstunden des 13. Januar 2012 an der Küste von Giglio auf Felsen. Der fahrlässig herbeigeführte Schiffbruch kostete 34 Menschen das Leben und hatte den Verlust eines Kreuzfahrtschiffes zur Folge. Als Nebeneffekt erlangten die bis dahin kaum geläufigen „Toskanischen Inseln“ größere Bekanntheit; Giglio ist die zweitgrößte dieses Archipels.

Vor dieser Katastrophe assoziierte man die Toskana mit weit schwingenden Hügeln, Weingärten und Olivenhainen, Zypressenalleen und rot leuchtenden Landgütern. Nur wenige Experten kennen hingegen die maritimen Aspekte der Toskana – die Küstenlinie zwischen La Spezia und Porto Ercole (immerhin hundert Meilen lang) und die sieben vorgelagerten Inseln, die gewissermaßen einen Übergang zwischen Italien und Korsika bilden. Elba ist die weitaus größte davon.

Wer diese Inseln per Charteryacht erkunden will, hat gute Gelegenheiten dazu. Als günstigste Absprungbasen bieten sich am Festland Piombino und Punta Ala an. Dort befinden sich große Marinas mit entsprechendem Service, und es sind keine zehn Meilen bis Elba – und mit Elba wird man sich hauptsächlich beschäftigen.

Inseln der Verbannung

Dabei übertrifft Elbas Schönheit jene der Nachbarinseln nicht. Dass man sich dennoch überwiegend an ihren Küsten herumtreiben wird, ist vielmehr den beschränkten Möglichkeiten zur Erkundung der anderen toskanischen Inseln geschuldet. Mit Giannutri, der südlichsten, lässt sich wenig anfangen. Das Stückchen trockenen Landes ist keine zwei Meilen lang und weniger als eine halbe Meile breit. Bei ruhigem Wetter wird sich ein Ankerplatz vor der zerklüfteten Küstenlinie finden, doch ob die Inspektion von Giannutri die Vierzig-Meilen-Überfahrt von Elba lohnt, werden zeitbeschränkte Reisende überwiegend negativ beurteilen.

Atmosphärisch interessanter wäre ein Besuch des auf dem Weg in den Süden liegenden Montecristo. Berühmt geworden durch Alexandre Dumas‘ Roman „Der Graf von Montecristo“ kann man dort auf literaturhistorischen Spuren wandeln. Das wollen allerdings zu viele Touristen, weshalb für Montecristo rigorose Zugangsbeschränkungen erlassen wurden. Mehr als 75 Personen pro Tag dürfen nicht auf die Insel, und auch die nur im Gefolge offizieller Führer und nach Voranmeldung.

Ebenso umständlich gestaltet sich Gründen der Besuch von Pianosa. Seit der Zeit der Römer wird die Insel als Verbannungsort genutzt, war einst eine Strafkolonie, später ein Hochsicherheitsgefängnis. 1998 entzog der Staat Pianosa die Widmung als Haftanstalt. Wer Pianosa besuchen will, muss sich einer geführten Tour anschließen. Hinfahren, aussteigen und den kribbelnden Schauer einer von kriminellen Dramen geprägten Geschichte zu genießen, ist nicht gestattet.

Bleibt im südlichen Sektor der Toskanischen Inseln Giglio.

Giglio und Konsorten

Der Blick auf das gleichnamige Hafenstädtchen erfüllt die größte Erwartung an Italienromantik. An der Mole schaukelnde Fischerboote, am grünen Hang dahinter aufsteigend die Reihen pastellfarben gestrichener Häuser, an der Hafenkante dicht an dicht die Veranden und Markisen der Restaurants und Bars – ein Bild wie aus der Zeit gefallen. An unsere Zeit des Intensivtourismus hat man die Infrastruktur nicht angepasst. Der Hafen von Giglio kann kaum mehr als zehn Gastyachten beherbergen. Ohne Anmeldung sind die Chancen auf einen Liegeplatz annähernd Null. In der Hauptsaison sind sie deutlich unter Null.

Die Idee, in der kleinen Bucht gleich vor der Hafeneinfahrt zu ankern, war bei unserem Besuch nicht mehrheitsfähig. Jedenfalls nicht, wenn man die Hafenleute von Giglio als Mehrheit akzeptiert. Die kamen bei unseren ersten Anstalten, den Anker an dieser Stelle zu versenken, aus dem Hafen geschossen, um uns mit einem hysterischen Wort- und Gestenschwall zu vertreiben. Ein anderer Hinweis, dass das Ankern in dieser Bucht unerwünscht sei, war nirgends erkennbar.

Bleibt für die Besichtigung der Stadt ein Stopp in der „Smaragdbucht“. Diese liegt jenseits des Kaps, das den Hafen von Giglio gegen Süden schützt, und ist ein halbwegs tauglicher Ankerplatz für ein, zwei Dutzend Yachten. Ein Weg über die Felsenküste in die Stadt lässt sich nicht erkennen. Man muss also eine dreiviertel Meile mit dem Dingi die Küste entlang tuckern, um den Hafen zu erreichen.
Einfacher wird es auch im Norden von Elba nicht. Gorgona, die nördlichste Insel des Archipels, fungiert als Strafkolonie und darf auch nur im Rahmen von Führungen besucht werden. Zudem ist die Insel winzig und bietet Yachtreisenden keine annehmbaren Ankerplätze. Einen tauglichen Hafen schon gar nicht.

Bleibt Capraia. Die Vulkaninsel zeichnet sich durch eine steil aus dem Meer steigende, arg zerklüftete Küste und eine im Inselinneren malerische Landschaft aus. Weil Capraia Teil des Nationalparks ist, sind Verkehrsbeschränkungen zu beachten. Immerhin besteht im Haupt­ort Porto eine gewisse Infrastruktur für Yachties. Da die im Hafen vorhandenen Liegeplätze auch auf Capraia den Bedarf bei weitem nicht decken, wurde gleich östlich des Hafens eine Bojenkette ausgelegt, die sozusagen römisch-katholisch beankert wird – Anker vorn, Boje achtern bzw. umgekehrt – so können an jeder Boje zwei Yachten festmachen.

Aber auch Capraia ist nur ein Nebenschauplatz, den man an einem Tag erledigen kann. Das Herzstück des Fahrtgebiets, die Insel mit den vielfältigsten Eindrücken und attraktivsten Orten, ist Elba.

Den gesamten Revierbericht lesen Sie in der Yachtrevue 2/2024, am Kiosk ab 23. Februar!

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