Amel 50
Die französische Nobelwerft kombinierte erfrischende Innovationsfreude mit traditionellen Werten
Die Geschichte von Amel ist so eng mit ihrem Gründer verknüpft wie bei keiner anderen Werft. Henri Tonet, der das Unternehmen vor 53 Jahren in La Rochelle an der französischen Atlantikküste aus der Taufe hob, brachte es unter dem Namen Cap’taine Henri Amel aufgrund seiner speziellen Bootsbau-Philosophie zu weltweiter Berühmtheit. Sein Ziel war es Yachten zu erschaffen, mit denen man solo oder mit kleiner Crew komfortabel und sicher um die Welt segeln kann. Die daraus resultierende Modell-Palette blieb Zeit seines Lebens überschaubar, Maramu, Super Maramu und Super Maramu 2000 sind bis heute klingende Namen in der Blauwasserszene und stehen am Gebrauchtbootmarkt hoch im Kurs. Historisches Verdienst des 2005 mit 92 Jahren verstorbenen Firmenchefs war das unvergleichliche Aftersales-Service. Die Werft führte über jede Yacht Buch und kannte alle Ausstattungsdetails, sodass es Amel ein Leichtes war, die Eigner bei technischen Fragen zu unterstützen. Ließ sich das Problem aus der Ferne nicht lösen, wurde kurzerhand ein Mitarbeiter vorbeigeschickt – wohin auch immer. Feine Sache.
Brückenschlag in die Gegenwart
Emmanuel Poujeade, der als Managing Director die Geschicke von Amel leitet, weiß über diese bedeutungsvolle Vergangenheit Bescheid und geht entsprechend sorgfältig mit dem Erbe um. Gleichzeitig setzt er aber auch auf Innovationsfreude – schließlich will Amel nicht irgendwann als altbacken abgestempelt werden. Das erste Modell ohne Einflussnahme des Cap’taine war die ketschgetakelte Amel 64 (Fahrbericht: YR 9/2012), drei Jahre später folgte die Amel 55 (Fahrbericht: YR 9/2015), ebenfalls eine Ketsch, aber in vielen Belangen jünger und dynamischer.
Den bislang letzten und zugleich mutigsten Schritt ging man mit der neuen Amel 50, die im Vorjahr beim Cannes Yachting Festival Premiere feierte und mit einem eigenständigen Mix aus Tradition und Innovation konkurrenzlos eine Nische im Segment der Luxusyachten besetzt. Federführend waren Berret/Racoupeau: Das renommierte Konstrukteursduo zeichnete einen modernen Rumpf mit breitem Heck, hohem Freibord, steilem Bugsteven und Doppelruderanlage. Bugspriet, riesige Badeplattform und ebensolche Rumpfluken sind weitere Signale dafür, dass man am Puls der Zeit agiert. Für Aufregung sorgte der Wechsel von der traditionellen Ketsch- zur Sluptakelung. Die Vorteile einer als Ketsch geriggten Yacht liegen auf der Hand – leichte Handhabung der für sich kleinen Segelflächen sowie Spurtreue –, kommen auf einer 50-Fuß-Yacht aber nicht in dem Ausmaß zur Geltung und werden von höheren Kosten und höherem Bedienaufwand mehr als aufgewogen. Darüberhinaus hat sich bei der Sluptakelung dank Bugspriet und diverser Zusatzsegel viel getan.
Keine Diskussion gab es bezüglich Beibehaltung des Mittelcockpits, obwohl es im Blauwasserbereich einen Trend zum Achtercockpit gibt. Amel hielt auch am traditionellen Deckshaus fest, das aufgrund des fehlenden Besans weit nach achtern reicht. Seine Vorzüge kommen bei allen Bedingungen zur Geltung. Im Sommer spendet es Schatten, wobei Luken für gute Belüftung sorgen, ist es unwirtlich, lässt es sich mit Hilfe von Stoffpaneelen komplett abschotten. Und nicht zuletzt verleiht das 50er-Jahre-Deckshaus der Yacht auch die unverkennbare Amel-Silhouette.
Die Anordnung des Steuerstandes ganz vorne im Cockpit mit kleinem Rad an Backbord, riesiger Armaturenlandschaft, tiefem Cockpit mit Klapptisch, sehr bequemen Bänken und Durchgang nach achtern ist in Sachen Lebensqualität unschlagbar. Zu weiteren Eigenheiten gehören das Schandeck, wasserdicht schließende Türen zu den Kajüten, die tiefe Bilge, die als Grauwassersammler dient, vergleichsweise wenige Rumpfdurchlässe und die überdimensionierte, vertrauenerweckende Ankerkonfiguration. Motor, Generator und restliche Technik sind unter der Plicht in einem großzügigen Maschinenraum untergebracht. Dieser ist direkt vom Cockpit aus zugänglich und so positioniert, dass alle Aggregate ohne Probleme herausgehoben werden können.
Im Wind
Anfängliche Flaute verdonnerte uns zu einer Zwangspause. Der Tisch wurde aufgeklappt, Häppchen und ein Glas Wein serviert. Sofort stellte sich Urlaubsatmosphäre ein. Als der Wind auffrischte, wechselte der Autor auf den Steuermannstuhl, der Rest trank Kaffee. Via Joystick rollten sich Großsegel und Genua aus. Zwei Minuten später glitten wir Richtung offene See, ohne dass ein Mitsegler einen Finger hätte rühren müssen. Eine eindrucksvolle Demonstration des Amel-Konzepts: Die 50 Fuß lassen sich problemlos von einer Person segeln, das Deckslayout arbeitet effizient und für unbedarfte Passagiere im Verborgenen.
Die Position des Steuermanns ist speziell.