Am heiligen Berg

Chalkidiki liegt im hohen Norden Griechenlands und zählt zu den wenig frequentierten Fahrtgebieten der Ägäis. Werner Meisinger wagte sich hin und sammelte authentische, manchmal auch skurrile Eindrücke aller Art

Am heiligen Berg

Als der britische Reisende Robert Byron 1926 die Geheimnisse der Halbinsel Athos erforschen und die dort aufbewahrten Kunstwerke studieren wollte, musste er hohe Hürden der Bürokratie und Ablehnung überwinden. Die Mönche, die den heiligen Berg hüteten und das Umfeld besiedelten, hatten sich im Nachgang des 1. Weltkriegs eine Souveränität verschafft, die das Gebiet für Fremde praktisch unzugänglich machte. Byron bediente sich seiner Kontakte und durfte schließlich in ein Land einreisen, das zuvor nur wenige Ungeweihte betreten hatten. Was er dort sah und erlebte, hat er in einem bezaubernden Buch* festgehalten.

Der Besuch von Athos, der östlichen Halbinsel von Chalkidiki, ist heute im Gegensatz zu damals ohne große diplomatische Unterstützung möglich. Wer Wartezeiten in Kauf nimmt und die bürokratischen Auflagen des Pilgerbüros erfüllt, darf die Orte und Klöster besuchen. Einige Regeln der strikten Isolation wurden jedoch bis heute beibehalten: Der Mönchsstaat ist verbotenes Land für Frauen. Das betrifft nicht nur Menschen, sondern auch Haus- und Nutztiere mit Ausnahme von Katzen und Bienen. Weiters ist Athos für Besucher nur auf dem Landweg zu erreichen. Die kleinen Häfen, Anlegestellen und Buchten zu Füßen der Klöster sind für Fremde tabu. Ist eine weibliche Person an Bord eines die Küste entlang fahrenden Schiffes, so hat dieses einen Abstand von mindestens 500 Metern zu wahren.

Was wie ein Scherz aus archaischer Zeit klingt, ist ernst gemeint. Die Einhaltung des seltsamen Gebots wird kontrolliert. Als wir in der Abenddämmerung auf Höhe des Pantokratorklosters mindestens eine halbe Meile vor der Küste südwärts segelten, wurden wir von einem Speedboat mit zwei bärtigen Gesellen aufgebracht und nachdrücklich darauf hingewiesen, dass unser Abstand zum heiligen Gebiet zu gering sei. Dabei war die weibliche Person unserer Besatzung die meiste Zeit unter Deck, um eine Köstlichkeit aus Joghurt und Keksen zu verfertigen, und wäre im fahlen Licht der aufkommenden Nacht vom Ufer aus allenfalls mit einem starken Fernglas wahrnehmbar gewesen. Dass die Mönche damit nach weiblichen Personen Ausschau halten, ist unwahrscheinlich.

Rigoros also wird der Athos-Finger von Chalkidiki von unerwünschten Besuchern sauber gehalten. Als Landepunkt eines Törns im nördlichsten Fahrtgebiet der griechischen Gewässer fällt er also aus. Bleiben noch die Halbinseln Kassandra im Westen und Sithonia, der Mittelfinger. In einer Woche lassen sich schwerlich beide umsegeln, man muss daher zwischen den beiden Halbinseln wählen. Kassandra wird von der Tourismuswirtschaft deutlich heftiger genutzt als Sithonia, was uns die Entscheidung für letzteren Spross Chalkidikis leichter machte.

Bevor man sich dort herumtreiben kann, ist allerdings zu entscheiden, von welcher Basis die Reise losgehen soll. In den Häfen Chalkidikis werden kaum Charteryachten angeboten. Man kann sich von der großen Marina in Volos auf den Weg in den Norden machen (90 Seemeilen bis zur Südspitze von Sithonia) oder in Kavala ablegen (70 Seemeilen bis dahin). Wir entschieden uns für Kavala, weil es eine eher unbekannte Basis ist und man von dort auch Thasos mitnehmen kann, das abseits der viel befahrenen Routen in der Ägäis liegt.

Die Überfahrt von Kavala in das Gewässer zwischen Sithonia und Athos ist in einem Tag zu machen. Wenn man zuvor ein Charterboot übernehmen muss und erst am Nachmittag wegkommt, muss man aber mit einer Ankunft nach Mitternacht rechnen. Wer nicht so knackig ins Reisevergnügen starten will, kann in der ersten Etappe den Strymonischen Golf oder Golf von Ierissou ansteuern.

Die weite Bucht an der Ostküste der chalkidischen Handfläche ist der südlichste Ankerplatz vor der verbotenen Zone des Mönchsstaates. Sie liegt in einer bescheidenen Ecke Griechenlands, hat dem landgestützten Tourismus Sandstrände mit Sonnenliegen und -schirmen zu bieten und den Kleinen Wasserhüpfburgen, den seefahrenden Besuchern aber wenig mehr als Ruhe. Archäologisch Interessierte könnten im Süden der Bucht ankern und östlich des Ortes Nera Roda nach den Überresten des Xerxes-Kanals fahnden. Lange Zeit war bezweifelt worden, dass diese Wasserstraße existierte und nicht nur ein Objekt aus dem Reich der Sagen und Mythen wäre. Heute weiß man, dass der Kanal in seiner vollen Länge von mehr als zwei Kilometern und einer Breite von 30 Metern sehr wohl gegraben wurde. Auf Satellitenfotos ist das Bauwerk gut zu erkennen, vor Ort braucht man sehr viel Vorstellungsvermögen, um den Verlauf des seit knapp zweieinhalbtausend Jahren verlandeten Kanals zu erahnen.
Die Besichtigung der spärlichen Spuren des Xerxes-Kanals war nicht der einzige historische Aspekt des hier beschriebenen Törns. Unsere Fahrt im Singitischen Golf oder Golf von Athos – also dem Bereich zwischen Athos und Sithonia – war auch eine Zeitreise.

Fahrt in die Vergangenheit

Wir hatten das Revier im Auftrag der Yachtrevue erstmals in den frühen 1980er-Jahren besucht. Damals nicht in erster Linie, um über die Attraktionen des Reviers zu berichten, sondern um den Reiz einer Flottille zu beschreiben.

Flottillensegeln war damals frisch erfunden. Bareboatcharter ging noch nicht so geschmeidig vonstatten wie heute. Charterbasen waren rar, Charteryachten deutlich kleiner, die Organisation luftiger, die Professionalität in vielen Bereichen ausbaufähig. Vergleichsweise wenige Segler hatten die Qualifikation zum Schiffsführer. Aber es war schon zu spüren, dass das Chartergeschäft groß werden könnte. Um Kunden für den Urlaub auf „eigenem“ Kiel zu begeistern und sie mit den Fertigkeiten der Seemannschaft vertraut zu machen, wurde Flottillensegeln propagiert. Personen aus geselligen Kulturen – Briten, Deutsche, Holländer … – ließen sich zahlreich dafür begeistern. Wir hatten trinkfreudige Briten zur seefahrenden Gesellschaft und schaukelten auf 32-Fuß-Yachten von Marmaras an der Westküste Sithonias in den Golf von Athos.

Den gesamten Revierbericht lesen Sie in der Yachtrevue 2/2023, am Kiosk ab 24. Februar!

Der komplette Bericht als PDF-Download:

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