Kuscheln mit einem Riesenkamel

Sommerferien VIII*. Abdrift Nr. 50 – Anlass, nicht die Kinder, sondern die Eltern aufs Korn zu nehmen. Ausnahmsweise

Kuscheln mit einem Riesenkamel

Das Lachen der Kinder habe ich noch heute im Ohr, obwohl diese Juli-Tage 17 Jahre zurückliegen und manche Kinder selbst schon Kinder haben. Von Punat auf Krk laufen wir eine Bucht auf Rab an. 15 Meilen, ein guter Einstieg, zumal unser „Wunder Familientörn“ diesmal ein paar Neueinsteiger zu verzeichnen hat.

Lachkrampf 1: Kommodore Waldo gibt die Tagesroute der Flottille bekannt: „Von Kak nach Rrb“, sagt er versehentlich. Natürlich wird so ein legasthenischer Ausrutscher gnadenlos ausgeschlachtet. Und zwar bis zum letzten der 14 Törn-Tage: „Ist das da drüben Rrrrrb? Ha, ha, ha!“ oder „Fahren wir zurück zur Kackinsel? Ha, ha, ha!“

Lachkrampf 2: Die vier Anker sind gerade gefallen. Da steht eine Törn-Debütantin mit ihren Töchtern im Cockpit und fragt: „Und wo ist der Strand?“ Der Anblick des mit Badetasche, Flip-Flops, Krokodil, Liegematte und Sonnenschirm ausgerüsteten Trios lässt meine beiden Kinder fast kollabieren. „DAS hier ist unser Strand“, ruft Lisa und springt von der Badeplattform, um ihren Bruder zu retten, der nach einem Köpfler vom Bugkorb von Zwerchfell-Krämpfen gebeutelt zu ertrinken droht.

Lachkrampf 3: Einsame Bucht steht für viele als Synonym für FKK. Skipper Chris hat seine Yacht an einem kleinen, alleinstehenden Felsen festgemacht. Am nächsten Morgen will er Debütantin Gabi ins Ankerhol-Manöver einbinden. Nur mit überdimensionalen Flossen in dezent leuchtendem Orange angetan schwimmt sie wie Gott sie schuf zum Felsen. „Wenn ich sag‘ ‚Leine los!‘, springst du mit der Leine ins Wasser und hantelst dich zum Schiff“, ruft Chris quer über die Bucht. Sie klettert auf den Felsen, schlägt die Knie zusammen und ruft: „Aye, Aye, Captain!“ Gabi hat verstanden. Allerdings falsch. Ohne ein Kommando abzuwarten, wirft sie die Leine ins Wasser.
„Du Riesentrampel!“, brüllt der gänzlich unvorbereitete Captain, holt fluchend gleichzeitig Anker und Landleine ein, muss dabei den anderen Yachten ausweichen und mit einem kräftigen Vorwärtsschub durch eine sich zufällig auftuende Lücke aus der Bucht tuckern. Gabi steht mit ihren Leuchtflossen voll des nautischen Enthusiasmus, aber splitternackt in Habt-Acht-Haltung mit der flachen Hand an der Schläfe auf einem zwei Quadratmeter großen Felsen. Erst Zug um Zug begreift sie, dass sie die Fähre nach Ilovik soeben verpasst hat. Die Kinder auf den anderen Booten kriegen sich erst wieder ein, als Chris beschließt, Gabi doch noch aufzulesen.

Lachkrampf 4: Zwanzig Seemeilen können weit sein, wenn vier Charter-Yachten mit 16 Erwachsenen und 16 Kindern gegen den Scirocco kreuzen. Seekrankheit kann hysterische Anfälle auslösen. Aggressionen richten sich nie gegen die Mama, sondern stets gegen den Papa. Auf dem Weg nach Ilovik wird die kleine Doris langsam seekrank und schnell wütend, als ihr Papa die versprochene Ankunftszeit ständig nach hinten korrigiert. Sie ist aber wohl erzogen und verabscheut Fäkalsprache. Das klingt dann so: „Du bist der Ur-Ur-… wehe, ich sag‘ das Wort! Du bist mega-mega-mega… aber echt! Ein Riesenkamel bist du! Aber das ist zu gemein gegen das Kamel. Du bist ein richtiges… Dingsbums gegen ein Kamel!“ Dieser Monolog wird selbstverständlich innerhalb von Sekunden zum Klassiker.

Lachkrampf 5: Ilovik, Abendessen. Die kleine Doris wird vom Riesenkamel mit einem Riesen-Bananensplit entschädigt und bedankt sich auf ihre Weise: „Du bist der ur-ur-beste Papi der Welt! Du bist mega-mega-mega-liiiiiieb, echt! Du bist mein allerliebster Kuschel-Papi!“ Max ist vom Liebesanfall der kleinen Schwester sichtlich genervt und kontert: „Das hat am Nachmittag aber noch ganz anders geklungen. Seit wann willst du mit einem Kamel kuscheln?“

Endlich dürfen auch die Eltern lachen.

*Immer in den Sommerferien (Juli und August) ist diese Kolumne dem „Wunder Familientörn“ gewidmet.

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