Dieter Loibner

Dieter Loibner

Artikel des Autors

Ressort Kein Ressort gesetzt!
Je älter ich werde, desto besser war ich. Segler sind bekannt dafür, vergangene Heldentaten durch die rosa Brille zu sehen und damit das gebrechliche Ego zu stützen. Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, gebe aber zu, dass mein Blick gern zurück schweift, zum Lago (di Garda) und den Ereignissen der formativen Segeljahre. Wie etwa der Trofeo Tomasoni in Torbole, ca. 1980. Wahnsinn war der Modus Operandi mit 150 oder mehr Verrückten an einer Startlinie, deren Mitte nach Luv ausgebaucht war wie mein Idol, Heumarktringer Schurl Blemenschütz. Ein langer Pinnenausleger war die beste Waffe gegen die dreisten Affen, die sich an der Scheuerleiste nach vorne hanteln wollten. Startuhr? Reine Zeitverschwendung. Frühstart war der Tod. Starten in zweiter Reihe ebenfalls. Es galt das Elfte Gebot: Net derwischen lassen. Das war höchst riskant, aber einmal hat alles gepasst: Steife Ora im Genick, kein Bremser vorne, oben oder unten. Hängen wie ein Idiot aber steuern wie ein Chirurg. Dann Wende beim Felsen und mit Steuerbord beim Feld abkassieren. Hinter mir die Plebs, die sich gegenseitig in die Bredouille segelt. Aaah! – Schnitt. Barrington River, Rhode Island, Sommer 2007. Keine Ora, aber trotzdem eine steife Brise im Genick und unter dem Allerwertesten eine Truc 12. Das von Cantieri Nordest gebaute und von Crus Yacht (www.crusyacht.it) vermarktete 12-Fuß-Kisterl gleicht einer Mini-Wally. Teaksohle im Cockpit, offenes Heck (wie ein alter Mader-FD) und Seitendecks aus Mahagoni. Dazu durchgelattetes Pentex-Segel, Spieren aus Kohlefaser und ein Ferrari-roter Rumpf. Mehr Gucci geht nicht. Dem leichten Mittagessen mit dem U.S. Importeur folgte schwere Arbeit: Nach fast 20 Jahren auf Booten mit Küche und Couch durfte (musste?) ich wieder auf ein Dinghy. Wie gut war ich? Oder bin ich nur noch? Zitternd vor Schiss, das Nobelgerät gleich beim Club hinzulegen, tuckerte ich durch die extremen Dreher und giftigen Böen hinaus ins tiefe Wasser und die flotte Ebbe, die genau gegen den Wind lief. Und siehe da, plötzlich war ich wieder auf dem ersten Schlag zum Felsen in Torbole: Hängen wie ein Irrer, Slalom steuern durch die steile Welle und alles passt. Naja, fast alles. Gössermuskel und Oberschenkel maulten bald über so viel Sport, doch das ließ sich ignorieren. Bergab machte der rote Renner richtig Dampf und Mut zur Halse mit Karacho. Mitten im Manöver dann der Schraler und die fette Böe – ahem. Die Peinlichkeit dauerte nur ein paar Sekunden, dann war das Gerät wieder in korrekter Schwimmlage und der Reiter im Sattel. Trotz des Abwurfs ging die Party weiter, aber nun begann das Fleisch lauter zu meckern, denn es kannte seine Grenzen besser als ich meine, wie schon damals am Lago. Später, natürlich an der Bar, war Zeit zur Reflexion, und zwar ohne rosa Brille: Die Kerzen am Geburtstagskuchen lügen nicht. Aber sie verbieten mir auch (noch) nicht den Spaß auf einem Gerät wie der Truc 12. Dem Ego tut das gut. Und dem Fleisch? Das muss sich fügen.









 

Zeitreise

Ressort Kein Ressort gesetzt!
Viel wird geredet und geschrieben über den berühmten Cup, den 100 Sovereigns Cup (nicht: 100 Guineen oder gar 100 Pfund Cup), sonst bekannt als der America’s Cup. Bodenlose Kanne und bodenloser Hype für die langweiligste Regatta der Welt, bei der im Schnitt neun von zehn Wettfahrten an der ersten Tonne entschieden sind. Prozessionssegeln für Fortgeschrittene, bei dem seglerisches Können Materialnachteile nicht aufwiegt. Wer zwei Zehntelknoten am Zeichentisch liegen lässt, ist Kulisse. Mit 25 Millionen ist man dabei, mehr aber auch nicht. Doch wo viel Geld am Spiel steht und Kameras klicken, darf die Abteilung Schön & Reich nicht fehlen. Weil mein Reichtum sich auf Erfahrung beschränkt und meine Schönheit bestenfalls eine innere ist, geht mir der Cup auch am Achtersteven vorbei. Im Gegensatz zu Kollegin JDM (siehe YR 4/2007, S. 74) erkennt mich in der Bad Kleinkirchheimer Blockhaussauna kein Schwanz. Und bei einer Degustation von Kracher-Käse kenn’ ich mich auch nicht aus. Aber mit solchen Defiziten kann ich existieren, denn ich finde Trost in den kleinen Dingen, die das Leben aus dem Ärmel schüttelt wie ein Kartenhai das Pik As, das ihm zum Royal Flush fehlt. Zum Beispiel hab ich meinen eigenen Cup, der zwar nicht bodenlos ist, aber einen Deckel hat. Irden ist er und nicht aus Sterling Silber. Immerhin: Gravur gibt’s auch, wie beim großen Vorbild. Natürlich nicht mit berühmten Schiffsnamen wie Reliance, Ranger oder Courageous, sondern mit „1 L GERZ“. Ganz oben, an der Messmarke. Vorne steht KYCO drauf, das Kürzel, für das so mancher Schelm böse Übersetzungen geliefert hat, doch das die wackeren Segler am Glasteich zu Ossiach seit mehr als 50 Jahren eint. Drüber weht der Clubstander der Kärntner Yachtclubs in einer virtuellen Brise. Ein Maßkrug, gewonnen vor ewigen Zeiten. Welche Klasse, welches Jahr? Keine Ahnung. Unwichtig, denn was zählt ist, dass ich einmal der Beste war. Besser als die, die ein Miniaturkrügerl bekommen haben dafür, dass sie brav hinterher gesegelt waren. Oder ein Viertel- oder Halbliter-Verreckerl, das nichts anderes bedeutet als „gut, aber nicht gut genug.” Nein, es war mein Tag, es war mein Rennen und dafür gab’s den echten, den geilen Humpen. Der schluckt zwei Hülsen* wie nix und hält das Gute lange kühl. Diskret ist er auch, weil keiner sieht, wie schnell der Flüssigkeitspegel sinkt. Saufen geht nur mit offenem Deckel und nach dem Trinken ist der zu, außer man braucht Nachschub. Harte, simple Regeln. Wer nicht kapiert, zahlt. Proletarisch-bajuwarisch. Gute zwanzig Jahre war er verschollen. Nun kam er wieder zum Vorschein. Im hintersten Winkel, im finstersten Kastl in Mutters Kuchl. Diese Entdeckung war fast so schön wie der Moment der Überreichung, damals vor zig Jahren. Aeolus und die Götter zu Hirt, Göss, Zipf und so weiter, hatten Einsehen. Bodenlose Silberkanne? Sauna in Kleinkirchheim? Edelschimmel mit Beerenauslese affiniert? Geh, bitte.









 

Mein Cup

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Nichts ist unerträglicher als ein ungelöstes Rätsel, vor allem wenn es jemanden betrifft, der den Ruf hatte, mit Genialität und Logik im Bunde zu stehen. Wie Jim Gray, einen hoch dekorierten Computerwissenschafter in den Diensten Microsofts, dessen visionäres Denken Leben und Alltag nachhaltig verändert hat: Geldbehebung per Bankomat, Einkauf übers Internet oder Sternegucken vom Computer sind nur ein paar Anwendungen, für die er den Weg bereitete. Neben seinem Arbeitgeber waren auch andere milliardenschwere Firmen wie Oracle, Amazon, Microsoft, IBM oder Google Nutznießer dieser Arbeit. An einem warmen Sonntag im Jänner lief Gray mit seiner leicht betagten C&C 40 aus San Francisco aus, um solo zu den Farallon Islands zu tuckern. Dort, 25 Meilen westlich des Goldenen Tors, wollte er die Asche seiner verstorbenen Mutter ins Meer streuen. Der winterliche Pazifik, normalerweise rau und wild, hatte an diesem Tag den Aggregatzustand eines Baggerteichs, dennoch kehrte Gray nicht zurück. Mehr noch, Mann und Boot verschwanden laut- und spurlos und gelten seither als vermisst. „Wir sind mit unserer Weisheit am Ende”, beteuerte der Chef der lokalen Küstenwache. Hubschrauber, Schiffe, Flugzeuge, Freiwillige an Land, ja sogar Satellitenkameras suchten vier Tage bei bestem Wetter 340.000 Quadratkilometer Ozean ab (ca. die vierfache Fläche Österreichs). Ergebnis: Null, ohne Komma. Kollision mit der Berufsschifffahrt wurde nach eingehenden Untersuchungen ausgeschlossen. Versenkt durch treibende Container oder grantige Wale? Dann hätte man zumindest einen Funknotruf oder sein EPIRB-Signal aufgefangen. Selbstmord? „Nicht ausgeschlossen, doch es fehlen Hinweise”, sagte ein Vertreter der Coast Guard und fügte vorsichtshalber hinzu: „Wir können nur Leute finden, die auch gefunden werden wollen.” Grays Tochter sagte aus, sie sei überzeugt, die Seebestattung seiner Mutter habe mit alledem nichts zu tun. Und doch: Das unerklärliche und spurlose Verschwinden eines Soloseglers auf ruhiger See nährt Spekulationen. Wie etwa im Sommer 1969, als ein herrenloser Trimaran völlig intakt im Atlantik gefunden wurde. Dabei handelte es sich um Teignmouth Electron, das Schiff von Donald Crowhurst. Crowhurst galt zu diesem Zeitpunkt als der wahrscheinliche Sieger des Golden Globe, der ersten Nonstop-Regatta rund um die Welt. Doch Logbücher und andere Indizien machten bald klar, dass er seine Weltumsegelung nur vorgetäuscht hatte und wohl absichtlich von Bord gegangen war, als die Aufdeckung seines Betrugs unabwendbar schien. Es war dies das legendäre Rennen, das Bernard Moitessier in Führung liegend aufgab, um weiter nach Tahiti zu segeln, und so den Weg zum Sieg frei machte für Robin Knox-Johnston, der heute beim Velux 5 Oceans als Methusalem wieder mitmischt. Francis Chichester bezeichnete Crowhursts Story damals als „Seedrama des Jahrhunderts.” Doch diese Geschichte, die von Ron Hall und Nicholas Tomalin akribisch rekonstruiert wurde (Die sonderbare Reise des Donald Crowhurst, Piper, 1994), gibt uns Einblick in seelische Abgründe, die durch die Einsamkeit auf See freigelegt werden können. Wir wissen nicht, was Jim Gray widerfuhr und warum, und das zeigt, dass es (noch) Geheimnisse gibt, die weder Software noch Satelliten entschlüsseln können.









 

Wenn Wahrheit ein Geheimnis bleibt

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Die Nacht war die Hölle auf See: Finster, stürmisch, nass und kalt. Cat Shot, ein neuer Katamaran vom Typ Voyage 440, hatte seit Kapstadt bereits 13.000 Seemeilen hinter sich. Aber jetzt, um 3 Uhr früh, am 11. Dezember 2006, 500 Meilen vor dem Ziel der Reise in Port Townsend im US-Bundesstaat Washington, war das Ende nah. Es war stockdunkel, der Sturm peitschte die eisige Gischt in Fahnen übers Deck, während sich das 14 Meter lange Boot die haushohen Wellenberge emporkämpfte, um gleich dahinter ins Bodenlose zu fallen. Die Position der Yacht war etwa 10 Meilen westlich von Cape Blanco, einem der gefährlichen Kaps an Amerikas Westküste. John Anstess, ein ehemaliger Ausbildner für das National Sea Rescue Institute in Durban, Südafrika, hochqualifiziert und nun Profiskipper in den Diensten der englischen Überstellungsfirma Reliance Yacht Management, hatte bereits alle Segel geborgen und ließ das Boot unter Seeanker treiben. Schiff und Mannschaft waren hilflos, ein Spielball der entfesselten Elemente. Alles, was Anstess und seine zwei Mitsegler, die Amerikaner David Rodman und Richard Beckman, noch tun konnten, war das Logbuch zu ergänzen, sich festzuhalten und zu beten. Vier Tage später, am 15. Dezember um 10 Uhr morgens, wurde das schwer mitgenommene Wrack 120 Meilen weiter nördlich kieloben in der Brandung nahe Lincoln City, Oregon gefunden. Eine sofort eingeleitete Suchaktion mit Flugzeugen, Helikoptern und Schiffen wurde am nächsten Tag ergebnislos abgebrochen. Einzig das Logbuch und ein manuelles, nicht aktiviertes 406-EPIRB wurden am Strand sichergestellt. „Wir haben keine Hinweise auf Notrufe, weder über Funk noch über EPIRBs, oder auf eine ausgebrachte Rettungsinsel“, erklärte Leutnant Adam Birst, der leitende Untersuchungsoffizier der Coast Guard. Was sich auf Cat Shot genau zugetragen hat, bleibt für immer ein Geheimnis. Eindeutig ist nur, dass die Crew trotz der Drohung von mehreren gewaltigen Winterstürmen drei Tage zuvor San Francisco Richtung Norden verlassen hatte, etwa zum gleichen Zeitpunkt als drei Bergsteiger in Oregon zum Gipfel des mehr als 3.400 Meter hohen Mt. Hood aufbrachen, wo sie in einem Schneesturm umkamen. Der Seewetterbericht am 11. Dezember sagte für Cape Blanco Windstärke 10 bis 12 aus Süden und schwere Kreuzseen voraus – bei einer Wassertemperatur von 10 Grad. „Lange Windwellen, die eine hohe Dünung kreuzen, können sich zu Monsterseen aufbauen“, erklärte Meteorologe Sven Nelaimischkies vom National Weather Service in Medford, Oregon. “Dazu kommt noch, dass es entlang dieser Küste sehr wenige Zufluchtshäfen gibt, die man bei schwerem Wetter in der Nacht anlaufen könnte.” Am 12. November war in derselben Gegend ein 135 Meter langer Küstenfrachter von einer 20 Meter hohen Riesenwelle schwer beschädigt worden. Lehnstuhl- und Internetkapitäne können natürlich leicht spekulieren und schlau sein, wertvolle Lehren gibt’s dennoch: Anpassung der Route an die Wettervorhersage, genug Zeit für die Etappe einplanen, rechtzeitig mit Schiffen im Umkreis kommunizieren, Rettungswesten anlegen, Rettungsinsel klar machen, automatische Notsender überprüfen, damit sie ein Signal senden, wenn die Crew das EPIRB durch Verletzung, Kälteschock etc. nicht selbst aktivieren kann. Und: Respekt vor dem Ozean!









 

Ende vor dem Ziel

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Null-null-sieben steht vor der Tür, stramm, frisch und motiviert. Und mit ihm die Frage, was es uns denn bringen wird. Werden die Eisbären am Nordpol ersaufen? Kommt der Komet oder ein Tsunami von biblischem Ausmaß? Werden Autos endlich Wasser spucken statt CO2? “Green & Clean”, so viel wage ich zu prognostizieren, bleibt in. Hybrid-Technologien, Sonnen- und Windenergie werden sogar an Popularität gewinnen, weil man uns mit viel Hype glauben macht, sie könnten uns vor dem drohenden Armageddon retten. Doch abgesehen davon, dass die Erwärmung der Erdatmosphäre auch nach uns noch ein paar Generationen beschäftigen dürfte, gibt es derzeit einige Entwicklungen, die mir eher grotesk erscheinen. So werden zum Beispiel Segelboote, die ja von Haus aus die billigste und grünste Energiequelle nutzen, neuerdings mit diesel-elektrischem Antriebssystemen angeboten, wie man sie von riesigen Kreuzfahrtschiffen oder Dieselloks kennt. Dabei erzeugen Dieselgeneratoren den Strom für den Elektroantrieb. Der französische Hersteller Lagoon bietet seinen neuen Kat Lagoon 420 ausschließlich mit diesel-elektrischem Antrieb an, denn man wolle mit gutem Beispiel vorangehen. Auf dem Schiff werken zwei 10-kW-Generatoren, denn außer den beiden elektrischen Motoren gilt es auch den stromhungrigen Haushalt zu versorgen. Elf Tonnen hat der Kat, mit acht Fahrgästen und allem Klimbim werden’s wohl an die vierzehn sein. Kein Wunder, dass es ein Minikraftwerk braucht, um genug Saft im Umlauf zu halten. Die U.S. Firma Island Pilot plant, einen 40-Fuß-Motorkat mit Decksalon vorzustellen, der schlauerweise als Hybrid vermarktet wird. Zwei 25-kW-Generatoren und Solarzellen sollen die Batteriebänke speisen. Wenn die Sonne scheint, soll es möglich sein, fünf Seemeilen mit einer Gallone (3,89 l) Diesel zurückzulegen. Damit das Ding nicht zu sparsam wird, greift man bei der Standardausstattung tief in die Kiste: Touchscreen-Monitore für die Kontrolle des Antriebssystems, Joystick-Steuerung, volles Elektronikpaket von Raymarine, dazu 26-Zoll-Flachbildschirm fürs Entertainment Center, Satelliten-TV, Waschmaschine/Wäschetrockner, Gefriertruhe und die unvermeidbare Klimaanlage. Der Antrieb mag zwar umweltfreundlich sein, doch der gesamte Energiebedarf an Bord gleicht dem einer Kleinstadt. Das sind, so leid es mir tut, zwei Schritte nach vorn und drei zurück. Natürlich ist erneuerbare Energie angesagt, doch sollte man im Technologietaumel nicht vergessen, dass “leicht und schlank” die beiden Katalysatoren sind, die ihren Nutzen potenzieren. Wer je mit dem Fahrrad bergauf gefahren ist oder in der Yachtrevue 10/06 den E-Boot-Test gelesen hat, kennt sich aus. Für null-null-sieben hoffe ich, dass wir uns an den Hausverstand erinnern, den ich für die potenteste Waffe im Kampf gegen Klimawandel und Verschwendung von natürlichen Ressourcen halte. Das kostet nix, geht schnell und bringt viel. In diesem Sinne wünsche ich allen eine frische Brise für den eigenen Kurs und viele unbeschwerte und motorlose Segeltage im neuen Jahr. Warm dürfte es dabei ja sein, wenn die Prognose stimmt.









 

Hybrid Hype

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Österreich, so sagt man, habe das Nostalgiemonopol. Doch Amerika punktet in dieser Rubrik ebenfalls, besonders im nautischen Bereich und da vor allem mit dem Mystic Seaport (www.mysticseaport.org). Wäre Mickey Mouse ein Segler, er wäre in Mystic daheim, ziemlich genau in der Mitte zwischen New York und Boston, am Long Island Sound. Ein ganzes Seefahrerdorf aus dem 19. Jahrhundert wurde aus originalen Gebäuden nachgebildet, samt Seilerei, Schiffsausrüstern, Fassbinderei und Freiwilligen, die in Kostümen der Epoche auftreten. Im Wasser gibt es unter anderem den letzten hölzernen Walfänger zu bestaunen oder einen Grand Banks Schoner, der noch in den 1930ern die Heringfischerei auf traditionelle Art ohne Netz ausgeübt hat. Wie in allen Museen sind die wahren Schätze der Öffentlichkeit nur selten zugänglich, zum Beispiel die berühmte Rosenfeld Kollektion (frühe Yachtfotografie vom Feinsten) oder jene unrestaurierten Schiffe, die in einer feuchten Lagerhalle stumm von hunderten Jahren Bootsbaugeschichte zeugen. Während einer Privatführung durften meine Finger über den allerersten Laser gleiten, fäkalienbrauner Rumpf, gestiftet von Bruce Kirby. Im selben Raum findet sich auch ein Starboot aus dem Jahre 1909 und der erste Lightning aus dem Jahre 1938. Zwei Autostunden nördlich, in Bristol, Rhode Island, liegt das Herreshoff Museum und die America’s Cup Hall of Fame (www.herreshoff.org), Heimstätte des legendären Yachtdesigners und Konstrukteurs Nathanael Greene Herreshoff. Herzstück des Museums ist der Modellraum mit mehr als 500 Halbmodellen, die alles zeigen, was Captain Nat erdacht hat: Die größten und schnellsten America’s-Cupper, Torpedoboote, Katamarane, Dampfyachten oder kleine, aber feine Dingis zum Spazierensegeln. NGH war ein entscheidungsstarker, erfindungsreicher Kerl, gesegnet mit Vision und handwerklichen Geschick. Alle seine Entwürfe fertigte er zuerst als exaktes Halbmodell an, nahm dann mit einer Offsetmaschine die Punkte an den einzelnen Stationen ab, rechnete sie im Kopf hoch und trug sie in ein kleines, braunes Buch ein. Davon wurden direkt die Bauzeichnungen angefertigt. So war es möglich, riesige Yachten wie die 144 Fuß lange Reliance, die 1903 den America’s Cup souverän verteidigte, in weniger als vier Monaten in der hauseigenen Werft zu fertigen. Beide Institutionen sind weniger Nostalgietempel als Gralshüter und glorifizieren einen Teil der nautischen Geschichte, mit der die Welt bis heute lebt. Herreshoff hat mit seiner Arbeit viele Aspekte des modernen Yachtdesigns vorweggenommen. Und Mystic zeigt, welch große Rolle die Schiffe für ein Land spielten, das über die See besiedelt worden und zur Weltmacht aufgestiegen war.









 

Nautische Pilgerfahrt

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Clubs, Vereine, Gremien und Ausschüsse sind weniger meine Sache, doch wenn der Kärntner Yacht Club Ossiachersee, wo ich die frühen formativen Segeljahre verbracht habe, den 50er feiert, ist das ein paar Reminiszenzen wert. Begonnen hat’s in den späten sechziger Jahren in Sattendorf, auf einem idyllischen Grundstück neben der Standmann Werft. Segeln war anfänglich mehr ein Vorwand, denn der wirkliche Kinderspaß war natürlich das Baden am Steg und das Fischen mit Frau Kastners Zauberteig. Doch wenn der thermische Ost durchstand, wurde der Min (Anm.: Jugendboot, auch die Min) gesattelt und ab ging’s, über den See zum fernen Südufer oder einfach bis Stöcklweingarten. Anfang der Siebziger übersiedelte der Club nach Bodensdorf, etwa fünf Kilometer seeabwärts. Das war höchst suspekt, denn Bodensdorf war eine andere, eine ferne Welt, versteckt hinter dem Seespitz, doch ein lustiges Segellager im neuen Clubanwesen, einem ehemaligen Strandbad, brach den Bann. Strammer Wind war weiterhin Mangelware, doch in der richtigen Umgebung macht auch Segeln auf der Glatze Spaß. Zu dieser Zeit begann akutes Laserfieber zu grassieren. Die frühen Geräte kosteten 13.000 Schilling, ein Pappenstiel nach heutigem Maßstab. Schmalzl, der lokale Dealer, verschenkte als Einstiegsdroge dunkelblaue Abziehbilder. Fight Pollution, Sail a Laser stand drauf. Natürlich hatte er auch härteres Zeug, wie zum Beispiel ein fetziges Poster, das das Objekt der Begierde in rasanter Gleitfahrt auf der San Francisco Bay zeigte. Dieses Bild sollte für mich Symbol und Kompass werden. Aber voher gab’s noch definierende Erlebnisse wie ein Ostertraining am Balaton, wo die Neoprenhäuteln morgens steifgefroren aus der Dusche des Hotelzimmers kippten und Nationaltrainer Andras Gostonyi die Nahrungsaufnahme am Wasser mit dem legendären Einzeiler regelte: “Hungriges Hund laufen schneller.” Mit dem Verlassen von Haus und Herd und der Selbstgeißelung als Finnsegler gingen die Unschuldsjahre am See zu Ende. Doch irgendwie wehte es immer aus einer guten Richtung, und das bescherten Wettsegeln gegen Cracks wie Russell Coutts, Peter Holmberg oder Jochen Schümann, Mitfahrgelegenheit beim America’s Cup, einen Platz im Pressezelt bei den olympischen Segelbewerben 1996, Kantensitzen für Cayard, Kostecki und Conner und Margaritas am Großbaum der J-Klasse Endeavour, gefolgt von Privataudienzen bei Paul Elvström und Olin Stephens. Fast genau 20 Jahre nachdem ich Schmalzls Poster an die Wand gepickt hatte, wurde der Traum Wirklichkeit, und die Gewässer unter der Golden Gate Brücke zur seglerischen Spielwiese. Triumph und Tragödie spielen sich nun genau dort ab, wo das Foto des gleitenden Lasers geschossen wurde. Wie passt das mit den ersten Gehversuchen im KYCO zusammen? Ganz einfach: So wie damals in den frühen Jahren in Sattendorf werden auch hier viele Regatten vom Balkon aus gestartet. Fixe Kurse – auf und ab – fixe Bojen und die gleiche Windrichtung, die mir auch am Ossiacher See das beste Segeln beschert hat: West. Also dann: Zum Wohl, auf die nächsten 50 Jahre meiner Segelwiege.









 

Am Anfang war der See

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Im April segelt man nur dann nach Neu-England, weil man muss – oder weil man einen kennt, der sich nach Steinhof sehnt. Es kann schön und einsam sein wie Kroatien im Winter, aber viel wahrscheinlicher ist ein Nor’easter auf die Nase, und das heißt Regen, Wind und Kälte. Dann gibt’s da noch Millionen von Reusen, deren Bojen Scherzartikeln gleichen, die man bei Nacht nicht sieht, aber jeden Nahkampf mit dem Propeller gewinnen. Beste Voraussetzungen also, einem alten Freund einen Dienst zu erweisen und sein Haus/Vehikel/Boot an seine Sommerresidenz zu überstellen. Leider war’s auch der letzte Walzer auf Sonata, denn Kollege David Shaw, den man aus diesen Zeilen kennt und der letztes Jahr seinen Job gekündigt hatte, um auf seinem Schiff zu schaffen, musste erkennen, dass Plan und Realität manchmal uneins sind. “Mir tut keine Minute Leid”, gestand er, “aber: Viele Geschichten über die Cruising-Romantik sind illustrierte Märchen.” Shaw, der so ein Märchen zwar gelebt, aber nicht geliebt hat, führt folgende Argumente ins Treffen: Erstens, der Zeitaufwand: Wenn man pro Monat ein halbes Dutzend Artikel für Magazine schreibt und gleichzeitig an einer Romanserie arbeitet, kann einen die Frage “Wasserpumpe oder Wasserleiche?” schnell zum Wahnsinn treiben, vor allem, wenn ein Verleger auf die Wasserleiche wartet. Zweitens, der saisonbedingte Ortswechsel: Zugvögel, auch Snowbirds genannt, verbringen den Sommer in Maine und den Winter in gemäßigtem Klima, z. B. in North Carolina. Dazwischen liegt ein dornenreicher Weg durch eines der meist befahrenen Seegebiete der Welt. Golfstrom oder Intracoastal Waterway? Die richtige Antwort: American Airlines. Drittens geht ihm die Art vieler Marinasegler auf den Geist, die in der Pension zwar auf einem Schiff leben, aber ihre unflätigen Landmanieren nicht ablegen. Und letztlich hat man dauernd die Sparbüchse offen. “Manchmal musst du vor dem Wetter flüchten und du endest in einer Marina, in der sie für ein 36-Fuß-Schiff 150 Dollar pro Nacht verlangen. Sag mir, ob das Sinn macht?” Die Antwort gab uns die Reise, die aufgrund der vielen Motormeilen zum “Westerbeke-Törn” mutierte. Es war die letzte Etappe der Frühjahrsüberstellung, von Perth Amboy, New Jersey, um Staten Island herum, den East River hinauf, Long Island Sound, Newport, Buzzards Bay, Cape Cod-Kanal und quer durch den Golf von Maine. Das waren nur 320 Meilen – aber mit dichtem Unterhaltungsprogramm: Steile Optik und Stoßzeit vor Manhattan, Reuse am Ruder, Temperaturen um den Gefrierpunkt, Maschinenaussetzer vor dem Bug eines Hochseeschleppers, Propellerinspektion bei 8 Grad Wassertemperatur, drei Tage Hafentherapie, Dingi in einer Wasserhose gekentert, Totalverlust des Außenborders und Buckelwale auf Tuchfühlung unterm Kiel. Als wir mit unrasierter Eleganz am Zielhafen festmachten, schüttelten die wortkargen Einheimischen uns die Hand. “Früh dran dieses Jahr?” Was sich ungefähr so anhörte: “Wo seid ihr abgehauen?”









 

Der letzte Walzer auf Sonata

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Angesichts der immer bombastischer werdenden Vehikel, über die in Heften wie diesem zu lesen ist, möchte ich einen Kontrapunkt setzen. Vor ein paar Wochen hat mich der Zufall nach Korneuburg verschlagen, in die Bootstischlerei Friedl (www.woodenboat.at). Der Anblick von restaurationsbedürftigen Bioschifferln, der Duft von frischem Holz, der Lärm der Bandsäge und das fliegende Sägemehl waren ein feines Kontrastprogramm zu den Stätten des Glasfaserkults. Der Spritverbrauch pro Stunde – nach Feierabend – wird in Achterln gemessen, nicht in Tankwagenladungen von Diesel. Friedl und ich haben Geschichte, und dabei kennen wir uns kaum. Er hat mir vor Jahren meinen ersten Kajak verkauft, ein antikes Renngerät, mit dem ich auf der Donau fast ersoffen wäre und das ich beim Hochwasser von 1991 in der Wachau zwischen den Reben von Joching nach Wösendorf gepaddelt habe. Eines Tages, auf der San Francisco Bay, hat mich diese Geschichte eingeholt, als ich aus Neugierde einen Ozeankajak ausprobierte und mich damit nolens volens zum Häretiker verdammt habe. Im Laufe der Jahre wurde ich zum engagierten Paddler und kam zur Überzeugung, dass dieser Sport eine gesunde und unterhaltsame Ergänzung oder gar eine Alternative zu Gashebel und Pinne sein kann. Alleine einen Eskimokajak zu bewegen ist ein Ritual, das auf eine 5000-jährige Geschichte zurückblickt. Gefertigt aus einem Spantengerüst von Knochen oder Treibholz, zusammen gehalten von Sehnen und bespannt mit Tierhäuten, waren (und sind) diese Boote leicht, schnell und äußerst seetüchtig. Den Inuit und anderen Eskimostämmen dienten sie zum Transport und zur Jagd. Für mich ist ein Kajak auch eine Zeitmaschine, denn anders als komplexere Boote, die oft monatelang ungenutzt vor sich hingammeln, ist dieses Gefährt immer zur Hand. Paddeln geh ich, wenn das Nirvana ruft, und zwar ohne lange Vorbereitung, Warten auf Wind oder Betteln um einen Fockaffen. Die hohe Nutzungsfrequenz und die mikroskopisch kleinen Betriebskosten suchen dabei ihresgleichen. Dann ist da die Flexibilität, das Boot einfach irgendwo alleine vom Autodach ins Wasser zu befördern, wobei sich die Wahl der Spielfläche zwischen den Extremen bewegt. In der Pazifikbrandung steht der Adrenalinspiegel oben an, während eine frühmorgendliche Überquerung des Mono Sees zwischen Wüste und Bergen stark meditativen Charakter hat. Und Kinder? Meine Tochter begleitet mich oft, vorne in einem Tandem sitzend. Dabei muss sie nicht paddeln wenn sie nicht will, denn es gibt genug zu sehen oder mit dem Käscher aufzufischen. Dass es auch Freizeitvergnügen gibt, bei denen man 500 Liter Sprit oder mehr pro Stunde zum Spaß durch den Auspuff jagt, erzähl ich ihr lieber nicht.









 

Geständnis eines Herätikers

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