Dieter Loibner

Dieter Loibner

Artikel des Autors

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Erholung. Entspannung. Entschleunigung. Ausstöpseln. Was bisher im Urlaub als leicht und selbstverständlich galt, wurde plötzlich zentnerschwer und kompliziert, denn diesmal war ein Smartphone mit von der Partie, weil der Nachrichtenyzklus für die tägliche Berichterstattung ja nicht ruht. Verdammt pflichtbewusst eben. Verdammter dumm aber auch, weil Arbeit und Urlaub nicht unter den selben Hut passen. Und so sah das aus: Morgens ins Boot, nachmittags aufs Rad und spät abends ins Netz. Zwischendurch mit den Damen am Strand. Am Boot war es wie immer: Konzentration auf Trimm und Kurs – aber kein Stress. Am Rad war es wie immer: Mit geringstem Kraftaufwand schnellstmöglich unterwegs sein – auch kein Stress. Und am Internet war es erst recht wie immer, denn digitale Dienste wie e-mail, Facebook, Twitter, SMS etc. haben nie Auszeit – das war nur Stress. Der ständige Kontrast zwischen Abschalten und Einschalten war eine wenig erholsame Dimension. „Aufmerksamkeit ist der heilige Gral”, dozierte David Strayer, ein Psychologieprofessor an der University of Utah, über den Einfluss von Technologiegebrauch auf Gehirnfunktion. „Bewusstsein, Erinnerung und Vergessen, alles hängt davon ab.” Aufmerksamkeit am Boot ist Konzentration, die sensorische Information verarbeitet: Wind, Welle, Strömung und deren Einfluss auf mein Fortkommen. Nicht leicht aber einfach und klar. Am Internet hingegen ist erst mal Filtern angesagt, um aus der endlosen Ramschlawine brauchbare Information herauszulösen. Das klingt leicht, strengt aber an und nervt. Besonders im Urlaub. Und trotzdem: Wer greift nicht gern zum Apparat, wenn ein Piepston oder ein diskretes Vibrieren vom Eingang einer Nachricht informiert? Einige Forscher glauben, dass schon die bloße Erwartung einer solchen Stimulanz Fokus und Aufmerksamkeit reduziert, weil sie einen Teil unseres „Arbeitsspeichers” in Anspruch nimmt, der bei der Ausübung anderer Tätigkeiten fehlt. Auch das kann ich bestätigen, so peinlich das auch sein mag: Eine mehrstündige Paddelexkursion führte mich an einen besonders hübschen, entlegenen Strand. Ideal für Boxenstopp und Foto-Op, denn das schlaue Telefon war natürlich live dabei. Kajak ganz nah am Wasser und in der Sonne, im Hintergrund zwei Motorboote, die gischtsprühend vorüberzogen. Es war der ideale Facebook-Moment. Ausreichende Signalstärke suggerierte, dass der Schnappschuss gleich gepostet werden konnte. Eh klar, wozu hat man so ein Ding schließlich? Wie ich da so fummelte, rollten die Motorbootwellen heran. Die erste kenterte das Boot, die zweite füllte es mit Wasser und Sand und die dritte schwappte es ins tiefe Wasser hinaus, wo der Ebbstrom mit guten drei bis vier Knoten vorbeirauschte. Wo ist die App für so ein Problem? Fazit: Aufmerksamkeit hat seine Grenzen und wenn die überschritten sind, kann man ziemlich blöd dastehen. Auch mit einem Smartphone.









 

Das Dumme am Smartphone

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Segeln pfeift aus dem letzten Loch. So zumindest porträtierte die Konferenz der US-Segelindustrie die Lage in einem Land, wo 92 Prozent aller verkauften Boote nur durch Drehen am Zündschlüssel bewegt werden. Anstelle sich als gesunde und vernünftige Alternative zu präsentieren, ist man froh, nicht weiter zu schrumpfen. Seit 1979 ist die Anzahl der US-Segler etwa um 70 Prozent zurückgegangen. Das ist kein Zufall, sondern die Folge der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen, dem Schwund der Mittelklasse, aber auch von konsequenter Misswirtschaft, die die Zukunft sträflich vernachlässigte. Das Resultat: Segeln ist monochromatisch weiß, alt und männerlastig. Dazu kam eine saftige Rezession und das Ende der laxen Kreditvergabe durch die Banken. Andere Faktoren sind Zugangsbeschränkungen zum Wasser, hohe Dropout-Raten junger Segler, die sich den Sport nach Universitätsabschluss nicht mehr leisten können, und die verbreitete solipsistische Tendenz, die Ich-AG zu vermarkten und dabei mehr Zeit vor dem Bildschirm als hoch am Wind zu verbringen. Die Lösung ist klar: Ein neuer Messias muss her. Meet Bob Bitchin. Ein Berg von einem Mann mit langer Lockenmähne, Vollbart und einem Luxuskörper, der mit Tätowierungen zugepflastert ist. Easy Rider im Viagraalter und Kultfigur. In der Tat hat Bitchin Vergangenheit in der Bikerszene, wo er riesige Meetings organisierte und als Bodyguard für den Stuntman Evel Knievel arbeitete, bevor er zum Weltumsegler und zur Medienikone der alternativen Blauwasserszene mutierte. Sein seit 1996 erscheinendes Magazin Latitudes & Attitudes (www.seafaring.com), seine TV-Serie und seine Cruising-Seminare sprechen die rauen Charaktere an, die mit Begriffen wie „Yacht“ und „Club” nichts am Hut haben. Bitchins Cruising Parties sind ein Knaller: Das Bier ist kalt, die Musik laut (z. B. „Weenies And Bikinis” von Brent Burns) und die Besucher selten nüchtern. „Zu viele Leute glauben, Segeln sei nur für die Reichen, die mit dem Blazer, der Megayacht und der Herzeigebraut”, erklärt der gewichtige Mann. „Ich will beweisen, dass der Normalbürger das Segeln genauso genießen kann. Mir geht es dabei nicht um Status oder Boote, sondern um Lifestyle, Einstellung und Abenteuer.” Nun wurde Bob Bitchin (Geburtsname Robert Lipkin) in den Aufsichtsrat des Interessensverbands Sail America berufen, um neues Publikum für den Sport zu rekrutieren. „Wenn wir wachsen wollen, müssen wir uns um neues Zielpublikum bemühen”, erklärt er. Dass er dazu fast buchstäblich aus seiner Haut fahren müsste oder mit dem Versuch scheitern könnte, schreckt ihn nicht. „Der größte Fehler ist die Furcht einen Fehler zu machen”, erklärt er. „Man muss sich Missgeschicke eingestehen und daraus lernen.” Ob Bitchins Strategie aufgehen wird, bleibt abzuwarten, doch man kann ihm nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben. Und damit ist er schon einen Schritt weiter als viele.









 

Messias vom Motorrad

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Eigentlich wollte ich ihr nur ein Buch verkaufen. Über die vielen kleinen und größeren Sünden, die wir ach so grünen Segler begehen ohne nachzudenken. Vorsichtshalber fragte ich die aparte Dame aber, was sie an meinen Messesand führt. „Ich segle gerade um die Welt und bin derzeit in San Francisco. Clipper Round the World Yacht Race, you know.” Bumm. Ein Satz und das Thema war gewechselt. Elisa Jenkins, eine 31-jährige Kandierin, ist Dauercrew auf Cape Breton Island, einem der 10 Boote, die gerade im Renntempo 35.000 Meilen um die Welt abspulen. Erfunden vom englischen Weltumsegler Papst Sir Robin Knox-Johnston und erstmals 1995 abgehalten, machen beim jetzigen Clipper Race 430 SelgerInnen (Alter:18 bis 69) aus 41 Nationen mit. Toll, wenn da nicht das Geld wäre. Eine Etappe kostet ca. 4.600 Euro, während das gesamte Rennen für 37.000 Euro wohlfeil ist. Ein Haufen Schotter fürs Privileg, sich abzurackern, zu frieren, zu schwitzen und sich auf manchen Etappen die Koje mit Fremden zu teilen. Aber Jenkins’ Geschichte macht vieles plausibel. „Als ich mir das Segeln beibrachte,” erklärte sie, „wollte ich nur quer über die Bucht und zurück ohne abzusaufen.” Aber als das Clipper Race 2008 in Sydney an der kanadischen Ostküste Station machte, sprach sie mit einer Teilnehmerin und entschied: Will ich auch. Mit ihrem Gehalt als Physiotherapeutin war’s unmöglich, also begann sie Sponsoren zu suchen und half einer Krebsförderung Spenden sammeln. Für mehr als zwei Etappen reichte es aber nicht. Dann hörte sie, dass ihre Heimatstadt ein Schiff sponsert und bewarb sich. Und sie hatte Glück. Sie bekam alle acht Etappen finanziert und verpflichtete sich im Gegenzug, als segelnde Botschafterin von Sydney, Nova Scotia, aufzutreten. Und dies tut sie auch mit Hingabe, allerdings hat sie ein Sekundärmotiv. „Regattasegeln ist für mich Mittel zum Zweck. Nur so lerne ich in 10 Monaten alles, was ich können und wissen muss, um selbst ein Schiff auszurüsten und um die Welt zu segeln. Wollte ich mir das selber beibringen, dauert das mindestens 20 Jahre.” Dann könne sie ja ein Inserat aufgeben: „Weltumseglerin mit Schiff sucht Mann mit Hochsee-Erfahrung. Sonst läuft das ja eher umgekehrt.” Vorher muss sie die gekauften Abenteuer bestehen: Während eines Wachwechsels auf der stürmischen Pazifiketappe von Quingdao nach San Francisco wäre Jenkins beinahe über Bord gewaschen worden, gerade als sie den Sicherheitsgurt auf dem Weg zum Niedergang ausgeklinkt hatte. Wäre sie nicht mit Wucht gegen den Traveller geprallt, wer weiß, ob sie mir je begegnet wäre. Ihr Highlight: „Unter der Golden Gate nach 29 Tagen und fast 6.000 Meilen als Etappensieger durchzusegeln. Auch wenn mir käuflich erworbenes Abenteuer suspekt ist, scheint Elisa Jenkins damit das Tor zum Seglerleben aufgestoßen zu haben. Und das Buch? Hat sie nicht gekauft.









 

Abenteuer zu verkaufen

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Der Tag danach ist der Tag der Besserwisser. Gewöhnlich ist das immer ein Montag. Nicht nur Fußballtrainer, auch America’s-Cup-Verlierer Ernesto Bertarelli muss ihn hassen. Vom strahlenden Sieger im Jahr 2003 und dem erfolgreichen Titelverteidiger von 2007 stieg er zum Watschenmann für seinen Widersacher Larry Ellison ab. Die Mega-Multihulls der beiden Milliardäre rasten in Valencia bei schwacher Kaffeebrise zwar so schnell über den Parcours wie kein Segelboot zuvor und doch war’s ein langweiliges Spektakel, weil Ernesto Larry nicht das Wasser reichen konnte. Ellison hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und nahm dafür die barocke Kanne in Empfang. Die Gründe aus der Montagsperspektive: Design: Als der Trimaran von BMW Oracle in der ersten Wettfahrt nach verpatztem Start mit besserer Geschwindigkeit und besserer Höhe an Alinghis Kat vorbei- und davonzog, war der Klasseunterschied der Fahrzeuge klar. Das flügelbestückte Boot der Amerikaner war auf allen Kursen haushoch überlegen. Damit konnten sie praktisch die gesamte Zeit elegant, ruhig und effizient auf einem Rumpf segeln. Hut ab vor Mike Drummond und dem Designteam, das den Monsterflügel entwarf, baute und perfektionierte. Segeln: BMW Oracles Rudergänger James Spithill hatte alles im Griff, im Gegensatz zu Mr. Bertarelli, der sich bei beiden Starts wegen Regelverstößen einen Strafkringel eingefangen hatte. Auch danach segelte Alinghi nicht rund. Das konstante Abfallen und Anluven, um das Gefährt auf einem Rumpf zu halten, schien oft „out of sync”. Selten hatten die Schweizer die richtige Kombination von Segelfläche und Segelschnitt für die Verhältnisse und selbst wenn das Gefährt im Groove war, schaukelte es und zog eine gischtende Heckwelle hinter sich her, was Turbulenzen im Wasserablauf verriet. „Gratulation an BMW Oracle”, sagte Bertarelli hinterher, „das Boot war schneller, keine Frage”. Rechtsbeistand: Ernesto lamentierte, dass BMW Oracle vom Richter bevorzugt behandelt worden sei. Doch die Strategie, sich auf ein Deed-of-Gift-Match einzulassen und dabei gegen ein US-Team vor einem US-Gericht zu prozessieren, war riskant. Schließlich, und das sagte BMW Oracle bei jeder Gelegenheit, sei es „der America’s Cup, nicht der Bertarelli Cup.” Personal: Die Entscheidung, Ed Baird, einen der weltbesten Steuerleute und Matchracer zusehen zu lassen, und der Rauswurf von Russell Coutts haben sich für Alinghi gerächt. Ellison ersetzte den erfolglosen Chris Dickson durch Coutts, der es seinem Ex-Chef Bertarelli heimzahlen wollte. Russell Coutts ist als AC-Finalist weiterhin ungeschlagen (16 Siege), auch wenn er diesmal nicht selbst segelte. Coutts, der den Pokal 1995 mit Team New Zealand aus den USA entführt hatte, bringt ihn auch wieder dorthin zurück. Bleibt zu hoffen, dass BMW Oracle und der neue Herausforderer Mascalzone Latino den Bewerb wieder in geregelte Bahnen bringen und andere daran teilhaben lassen. Doch genug der Montagsexpertise. Was jetzt zählt, sind Taten.









 

Die Montagsexperten

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Im Februar also. Und in Valencia. Nach jahrelanger Prozessiererei scheinen wir nun doch wieder einen America’s Cup serviert zu bekommen. Zwar gibt es wie zu Steinzeiten nur zwei Bewerber, doch die verpulvern dafür umso mehr Geld für die Entwicklung von gigantisch großen und gigantisch schnellen Multihulls. Bei Redaktionsschluss wurde wieder Streit vom Zaun gebrochen, weil der amerikanische Herausforderer BMW Oracle Zweifel an den Segeln des Schweizer Verteidigers Alinghi geäußert hatte. Ob die denn wohl in der Schwyz genäht worden seien, lautete die Frage. Aber über die vergangene beiden Jahre hat man sich an derlei Gezank gewöhnt, weil es der modus operandi der Herren Bertarelli und Ellison zu sein scheint. Damit wurden ein paar Anwälte reich, aber viele Leute halt gar nicht glücklich, weil es einem mit der Zeit zum Halse raushängt. Dabei könnte die Sache diesmal durchaus interessant werden. Nie wurden mehr Segel-PS auf einen schwimmfähigen Untersatz gepackt als vom BMW Oracles Trimaran und Alinghis Kat. Alles was gut, teuer, leicht und stark ist, kommt zum Einsatz: Karbon, Kevlar, Flügelrigg, Kippmast, Hydraulik, Elektronik, Schießmichtot. “Da herrscht inverser Kostendruck”, scherzte BMWs Entwicklungsingenieur Thomas Hahn, der gewohnt ist, Serienautos zu bauen, die nur ein Zehntel so cool sind wie die so genannten Concept Cars, die auf Messen ausgestellt werden. Beim Cup ist es anders. Da wurden Concept Boats gebaut, aber für den Renneinsatz. Bis zu 40 Knoten sollen sie erreichen und das bei nur 15 Knoten Wind. Beherrschbar ist so viel Technologie natürlich nur durch Technologie. Der Mensch ist degradiert zum Knöpferldrücker und zum Störfaktor. “Ob das 50 oder 100 Tonnen Last sind, kann keiner mehr unterscheiden”, erzählt Murray Jones, der Segelkoordinator von Alinghi. Lastsensoren und Computer sagen an, wie lange man noch Gas geben darf. Erstmals wurden bei diesem Cup auch motorbetriebene Winschen zugelassen. Nicht wegen der gigantischen Zuglasten, wohlgemerkt. Das bekommt man mit Gorillas an den Kurbeln auch hin. Es geht auch hier um Speed. Auf diesen Schiffen wird der Mast bei jeder Wende um ca. 8 Grad nach Luv geneigt, um eine bessere projizierte Segelfläche bei Krängung zu erzielen. Geschieht das mit Muskelkraft, dauert das fünf bis sechs Minuten. Mit Motor aber nur 20 Sekunden. Man wird sehen, wie sich die Schlacht am Wasser entwickeln wird. Zumindest die ersten zwei Minuten nach dem Start der ersten Wettfahrt werden spannend sein. Sind die Boote annähernd gleich schnell, könnte es eine interessante Serie werden. Ist der Geschwindigkeitsunterschied aber deutlich, droht der 33. America’s Cup zu einem Gähnfest zu degenerieren wie damals im Jahr 1988, als Conners Kat den riesigen Bleitransporter der Kiwis blamierte. Sollte allerdings auf Alinghi oder BMW Oracle die Maschine schlapp machen, die die Hydraulik für die Winschen antreibt, ist der Ofen aus. Krass gesprochen: Man könnte eine Segelregatta durch Motorschaden verlieren. Aber auch an das wird man sich vermutlich gewöhnen.









 

Gewöhnungssache

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Malen, musizieren, Gemüse pflanzen, Boote bauen: Selbst Hand anzulegen erfreut sich mancherorts steigender Beliebtheit. Es ist eine Form der Emanzipation vom schier endlosen Ramsch, mit dem wir uns umgeben, ein Aufstand gegen billige Minderwertigkeit, die für ein lineares System produziert wird, das über den kurzen Umweg des Konsums geradewegs zum Mistplatz führt und dabei die tatsächlichen ökologischen und sozialen Kosten verschleiert. Rolf Halle, der Ayatollah der Kanusegler, dachte wohl Ähnliches, als er seine Jugendzeit in den späten zwanziger Jahren mit heute verglich: „Wir hatten keine eigenen Boote, sondern mussten die Schiffe der Alten in Schuss halten, damit wir mitsegeln durften. Wir lernten von Grund auf und wussten, wie man Boote mit Respekt behandelt. Es ist ein furchtbarer Verlust, dass junge Segler von heute diesen Respekt nicht mehr haben, denn sie müssen für das Privileg des Segelns nichts mehr tun. Sie bekommen ein Schiff von den Eltern, vom Club oder einem Sponsor. Und wenn es kaputt ist, steht ein neues da.“ Dass es auch anders geht, demonstrieren die Geschwister Brendan, Amanda und Geoffrey Ravenhill, die mit ihrer Nonprofit Organisation Islesford Boatworks (www.islesfordboatworks.org) auf dem winzigen Little Cranberry Island vor der Küste des US-Bundesstaats Maine jeden Sommer Bootsbaukurse für Kinder halten. Diese kosten rund 80 Dollar pro Woche, aber niemand wird abgewiesen wenn die Eltern den Betrag nicht aufbringen können. Damit wird vieles erreicht: Einerseits lernen die Kinder Handarbeit und entwickeln Kreativität, andererseits sehen sie, wie viel Schweiß und Tränen sogar beim Bau eines kleinen Holzdingis draufgehen. Zudem ist Islesford Boatworks stark in die Gemeinde eingebunden, weil die gesamte Familie Ravenhill dort seit Jahrzehnten den Sommer verbringt, manchmal auch mehr. Am Ende des Kurses gibt es eine Strandparty fürs Dorf, bei der das im Kurs gebaute Boot mit einer großen Tombola verlost wird, deren Erlös der Erhaltung des Programms zugute kommt. Die Idee war Brendan Ravenhill gekommen, als er Ghettokindern in der New Yorker Bronx im Rahmen des Sozialprogramms Rocking the Boat (www.rockingtheboat.org) die Prinzipien des Bootsbaus beibrachte, um ihnen Selbstvertrauen und Zugang zur eigenen Kreativität zu geben. „Holzbootsbau lehrt die Kunst der Kurve“, sagt Ravenhill, „es ist aber auch eine Schule fürs Leben, selbst wenn die Kinder nie wieder ein Boot bauen sollten. Denn sie haben gelernt, dass sie selbst etwas schaffen können.“ Diese Einsicht ist vielleicht wichtiger als wir wahrhaben wollen, denn sie hilft heranwachsenden Generationen, dem unendlichen Ramsch und dem Wahnsinn des Einwegkonsums Herr zu werden. In der Bronx gibt es dazu folgenden Spruch: „Kids don’t just build boats, boats build kids.” Besser kann man Do-It-Yourself nicht umschreiben.









 

Do It Yourself

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Berlin im Sommer ist flau. Das Durchschnittslüfterl hat 3 Windstärken und kommt aus WNW. Sagt Windfinder. Ein paar 22er-Rennjollen-Segler sehen das freilich anders. Michael Gubi: „Erste Wettfahrt: Ruderbeschlag abgebrochen, nach ruderlosem Ballett bei Starkwind Sturz mit Höchstnoten. Zweite Wettfahrt: Aufenthalt beim Schlosser. Dritte Wettfahrt: Schote trampelt auf Fockschot herum – Sturz mit Niedrigstnoten.” Wolfram Ainetter: „Ein klassischer Propeller, gefolgt von ohnmächtiger Kenterung nach Luv. Der Großbaum hat mit dem Mast die Funktion getauscht.” Wolfgang Friedl: „Unsere Kenterung war durch die Selbstwendefock verursacht. Wer denkt schon, dass das Fetzerl so einen Zug ausübt?” Soviel zum Thema kognitive Dissonanz. Doch zurück zu meinem Besuch in Seattle. Microsoft, Starbucks, Boeing oder Amazon kommen von dort und die kennt jeder. Nicht aber die lokalen vergütungsfreien Regattaregeln. Es ergab sich die Gelegenheit, mit einer Firefly, einem 45-Fuß-Möbelstück von Morris Yachts, bei der Donnerstagabendregatta mitzumachen. Die Kulisse der glitzernden Wolkenkratzer war würdig, der Wind kooperativ und das Racerl ein Hit: Etwa 70 Schiffe, geteilt in Racing- und Cruisingklasse, Raumschotstart, eine Runde, winner takes all. Vergütung? „Screw the handicap”, feixte einer. Der Erste im Ziel gewinnt die Wettfahrt, aber nicht unbedingt einen Preis. Und trotzdem sind am Ende alle froh. Nach dem Start ging es mit böiger Brise und rauschender Bugwelle Richtung Leetonne, die downtown vor dem Fährdock ausgelegt war. Da versägte uns Gray Wolf, ein eleganter 40-Füßer mit unverstagtem Mast und Wasserballast. Mann am Steuer, Frau an der Schot und die Kids an der Reling, tanzend, nicht hängend. Dann geigte da mit viel buntem Tuch Snake Oil, Platzhirsch und Abonnementmeister, mit motivierter Mannschaft vorbei. Und kurz vor dem Fass schwappte uns noch eine Juxpartie auf einer Beneteau mit Gennaker durch. Die Kreuz war ein Anlieger, auf dem es dann sehr schnell zur Sache ging. Alle werkten und Bob, der Eigner, der letztes Jahr von seinem Stinkpott auf Segeln umgestiegen war, legte am Steuer eine Talentprobe ab. Der Ho-Tschi-Minh-Pfad führte knapp unterm Heck eines ankernden Tankers vorbei – und genau dort lief Snake Oil in einer scharfen Bö aus dem Ruder. Oben hatten wir die Nase vorne, aber nur um’s sprichwörtliche Arschlecken. Mit Glück und Wasserlinie retteten wir uns über den letzten Bahnschenkel ins Ziel. High-Fives, gute Laune und Aussicht auf die Poleposition bei Schaumkronen und Hotdogs. „Wir haben gewonnen und das verschafft Respekt”, erklärte der strahlende Skipper. „Aber wer die coolen Preise abholt, bestimmt die Verlosung.” Und das war der Clou, weil für alle spannend – ganz ohne Handicap.









 

Kein Handicap – keine Probleme

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Vatertag war’s und ich paddelte am windschwachen Lake Washington in Seattle vor der dem Palast von Bill Gates herum, wo ich doch eigentlich lieber am Wannsee in Berlin gewesen wäre. Dort gab’s wohl auch nicht viel Wind, aber den Europapokal der 22er-Jollen und eine feine Party anlässlich des 100-jährigen Klassenjubiläums beim Potsdamer Yacht Club. Damals, im Jahre 1909, als Jollensegeln noch als „Feld seniler Tätigkeit” definiert war, beschlossen Segler aus Hamburg und Berlin die Einführung einer nationalen Jolle, um sich messen zu können. Die Regeln waren lose, die Formel einfach. Länge plus Breite = 7,8 m, minimale Breite 1,70 m, vermessene Segelfläche 22 Quadratmeter. Daher der Name 22er oder J-Jolle. In der damaligen Buchstabenhierarchie bekam der 22er das Segelzeichen „I” zugewiesen, auch wenn es in der Steinschrift aussieht wie ein „J”. Die anfänglich geklinkerten Boote waren schwer und ungeschlacht. Nach einer Novelle der Konstruktionsvorschriften durfte leicht und schnell gebaut werden, womit der Spaß richtig losging. Konstrukteure wie Reinhard Drewitz oder der Ungar Jenö Benaczek trieben die Entwicklung in den zwanziger Jahren voran. Das Boot für Zweier- oder Dreiercrews war technisch und taktisch anspruchsvoll. Segler wie der geniale aber umstrittenen Tüftler Manfred Curry sowie Star-Weltmeister Walter von Hütschler und der Olympiasieger von 1936, Dr. Peter Bischoff, saßen am Steuer. Wer jemand war, segelte damals eine Nationale Jolle. Nach dem Krieg, als sich alles um billige Plastikboote drehte, mutierte die Nationale Jolle zur „Einheitsklasse”, erzählt der Kärntner Wolfram Ainetter, der damals einen alten 22er zu einem Jollenkreuzer mit Kiel und Schlupfkajüte umbaute. „Keiner wollte so ein Boot.” Ende der siebziger Jahre beschlossen zwei Bodenseer, Werner Weisshaar und Joe-Dieter Häberle, Kimm Scho, einen alten 22er zu restaurieren und damit wieder Regatten zu segeln. Das Beispiel machte Schule und 1981 wurde mit 12 Eignern die J-Jollenvereinigung neu gegründet. Da es in allen möglichen Winkeln noch altes Bootmaterial gab, wurde die Einheitsklasse zur Restaurationsklasse. Klassenpräsident Manfred Jacob aus Hamburg schätzt, es wurden bisher ca. 40 Schiffe restauriert, wobei es mindestens ebenso viele rettenswerte J-Jollen geben soll. Gaffel- oder Hochrigg, Harkenklemmen oder Belegklampen, schlankes Squaretop-Groß oder traditioneller Segelschnitt mit langem Unterliek, Familiensegler oder Regattacracks im Harleyalter, alles trifft sich im „großen Zelt” der 22er. Was ist der Magnet? Die Tradition. Titelverteidiger Michael Gubi: „Heute gibt’s zu viele Klassen und zu wenige Boote. Die Leute verlieren das Interesse oder kehren zu den Wurzeln zurück. Das ist der Reiz des 22er.” In diesem Sinne: Zum Wohl und auf mindestens ein weiteres Jahrhundert.









 

Der 100er der 22er

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Als ob die Zeiten für die Branche nicht hart genug wären, jetzt muss noch einer lästige Fragen zum Thema Nachhaltigkeit beim Segeln stellen. Schadstoffausstoß, umweltgerechte Entsorgung von Bordabfällen, toxische Unterwasseranstriche oder Plastikvermeidung werden nur zu gern ignoriert oder zur Bagatelle heruntergeredet. Man sei derzeit mit den Auswirkungen der Rezession beschäftigt, heißt es. Jemand werde sich später melden. Aber nur, wenn es ein später gibt. Nur wenige wie Hanse-Chef Michael Schmidt vermögen der unangenehmen Realität ins Auge zu sehen: „Bei uns geht Müll zum Recycling und zur Wärmegewinnung und es gibt eine neue Lackierungsanlage, die mit wasserlöslichen Lacken arbeitet, also keine Belastung der Umwelt und keine Ausdünstungen im Schiff erzeugt.” Auch wenn Schmiddel sagt, dass es für die Entsorgung von alten Polyesterbooten derzeit keine verwert- und bezahlbaren Lösungen gibt, weiß er, dass es mit Zusammenschneiden und Einplanieren bald vorbei sein dürfte. Ein komplexes Problem, das nur branchenübergreifend zu lösen ist. Tatsächlich ist die Bootsindustrie im Vergleich zu anderen im Hintertreffen. Soziale und ökologische Verantwortung gelten eher als kostspielige Ablenkung denn als lohnende Geschäftsinvestition. Aber wie lange noch? Am Responsible Business Summit 2009 in London werden 500 Firmen Strategien zum Klimawechsel und für die Produktion von umweltfreundlichen Produkten diskutieren. In der Oudoor Industry Association arbeiten mehr als 100 Firmen (z. B. Nike, Adidas, K2 und Patagonia) an einem Öko-Index, der eine Benotung der Umweltverträglichkeit von Produkten ermöglicht. „Man muss es angehen und zwar gemeinsam mit den anderen, sonst bleibt man übrig”, findet Chris Enlow, Umweltbeauftragter beim Sandalenhersteller Keen. Was tut sich diesbezüglich in der Bootsbranche? Sailors for the Sea, eine Nonprofit Organisation, informiert US-Segler. West Marine, der weltweit größte Anbieter von Bootszubehör, investiert in Solaranlagen und publiziert demnächst einen Konzernbericht, der sich mit Umweltmaßnahmen befasst. Aber auch in Österreich gibt es aktuelle Beispiele: Frauschers Zukunftsprojekt Wasserstoff, das Ende April vorgestellt wurde, macht einen weiteren Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und nützt dabei den Vorteil der Flexibilität, den kleine, innovative Firmen haben. Und Blauwasserzigeuner wie die Seenomaden und Wolfgang Hausner, die mit niedrigem Budget auf Hoher See wirtschaften, liefern erprobte Weisheiten. Verlässlichkeit und Langlebigkeit der Ausrüstung sind für sie lebenswichtig, Qualität eine Form von Nachhaltigkeit. Einfach währt am längsten. „Simple boats, simple problems”, sagen die Seenomaden. Stimmt, bloß manche Branchenvertreter hören so etwas nicht gern. Denn das hieße, dass man auch mit weniger gut leben kann. Und das ist ein echtes G’frett, das es auch nach der Rezession geben wird.









 

Das G’frett mit der Nachhaltigkeit

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