Weniger

Ich habe eine Schwäche: Immer will ich etwas. Einen Cappuccino. Ein Stück Schokolade. Dass das Wetter hält, der Wind nicht zu heftig bläst, wir sicher im nächsten Hafen ankommen. Dass der Autopilot schnurrt, der Wassermacher wieder funktioniert, ein Fisch anbeißt. Und läuft es mal nicht so glattgeschliffen, bin ich enttäuscht. Rückschläge zu akzeptieren, das gelingt mir nur mittelgut. Ganz anders die Menschen in Vanuatu. Sie leben Tag für Tag mit Unzulänglichkeiten. Frage ich, wann das nächste Versorgungsschiff kommt, höre ich: Vielleicht morgen, vielleicht übermorgen. Francis, der uns auf der Insel Ambrym auf den Mount Benbow führt, trägt seit sieben Jahren dieselben Wanderschuhe. Sie beginnen, sich aufzulösen. Wolf versucht, sie mit Kleber zu retten – doch viel Hoffnung gibt es nicht. Beim Abstieg verliert Francis auch noch sein Handy. Trotzdem lächelt er, ist weder verzagt noch grantig, wie ich es an seiner Stelle ganz bestimmt wäre. Wir sind Weiße inmitten von Kaffeebraun. Fremde. Jeder weiß es, jeder sieht es. Und doch winken uns die Menschen zu, sie sprechen mit uns, schenken uns Papayas, Bananen, Kokosnüsse. Die Kinder besitzen kaum Spielzeug. Manchmal einen Ball oder ein paar Murmeln. Meist spielen sie mit Muscheln, Steinen oder Stöcken. Ich höre nie eines jammern oder weinen. Wenn wir mit dem Dingi anlanden, rennen sie uns entgegen. Augenpaare strahlen uns an, lachen mitten in unsere Seele. Hier kann man so viel lernen, über Demut, Zufriedenheit und Gelassenheit. Die Menschen von Vanuatu tragen einen inneren Frieden in sich. Trotz der Hurrikans, die jedes Jahr über den Inselstaat fegen, trotz des Spagats zwischen Tradition und Moderne, trotz aller Bruchstellen und Risse. Sie meistern ihr Leben mit dem, was da ist. Ohne Cappuccino, ohne Schokolade. Ich glaube, ich muss dringend weniger wollen.