Auf Golfkurs
Drei Schläge. Golf von Korinth, Saronischer Golf, Argolischer Golf. Von Athen aus muss man auch mit einer Cyclades nicht unbedingt in die Kykladen. Jürgen Preusser frischte seine Liebe zu griechischen Gewässern in drei Golf-Revieren auf
Daumen hoch! Sonnenuntergang hinter der Insel Dokos. Der Argolische Golf im Süden der gleichnamigen Halbinsel, dem Daumen des Peloponnes ist ein sehr (ent-)spannendes Stückchen Meer. Manchmal anspruchsvoll, manchmal trickreich, meistens friedlich
Er war längst überfällig, der Törn mit Ionian-Charter. Nicht so sehr wegen diverser kleiner Ärgernisse bei anderen Anbietern. Doch der Messestand des renommierten Unternehmens ist bei der BOOT in Tulln seit vielen Jahren in direkter Nachbarschaft der Yachtrevue angesiedelt, und der Ouzo, den Gastgeberin Elena Vrioni dort ihren Stammkunden anbietet, exquisit; nicht selten hat er mir geholfen, messetypische Leerläufe zu überbrücken.
Ausgangsbasis Marina Alimos. Höflich formuliert, kein lauschiges Plätzchen. Laut, überlaufen, riesig, weit weg vom Flughafen Venizelos. Auf einer Fläche von 600.000 Quadratmetern liegen fast 1.200 Yachten. Es kann dauern, bis man die seine findet: Die Piers sind insgesamt knapp zwei (gefühlt 20) Kilometer lang und werden immer wieder mit Schwimmstegen verlängert. Weht der Wind von der Akropolis herunter, ist in manchen Ecken des Hafens der Abwasser-Mief nicht zu überriechen. Die Wasserqualität ist dementsprechend mäßig. Der Taucher, der die Yachten nach Schäden absuchen muss, tut mir leid. „Brauchst du viel Gefühl in Finger. Augen sehen nix“, lacht er, „brauchst du auch Kondom. Aber für ganze Körper.“
2020 wurde die Marina von der Firma Development of New Alimos Marina S.A. übernommen. Dabei handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Ellaktor Group, die langfristig das gesamte griechische Marina-System konkurrenzfähig machen will. Nicht nur im Saronischen und Argolischen Golf, sondern auch in weiten Teilen der Ägäis sowie im Golf von Patras und Korinth.
„Höchste Zeit!“, werden viele passionierte Griechenland-Segler sagen, „Bitte nicht!“, jene erwidern, die von den meist kümmerlichen Hafengebühren schwärmen. Vor allem im Vergleich zu den geradezu entfesselten kroatischen Marinas. Auch jene, die Bugankermanöver in engen „Parklücken“ bei böigem Seitenwind nicht fürchten und rustikale, verwaiste Steinmolen ohne Murings oder Nachbarn zu schätzen wissen, werden der bevorstehenden Entwicklung eher skeptisch gegenüberstehen.
Die Marina Alimos soll zu einem Vorzeigeprojekt werden, finanziert teilweise mit niederländischem Geld: Ein moderner Tourismus-Hafen mit Gastronomie, Infrastruktur und Hotelbetrieben. So lautet die offizielle Diktion für die Zukunft. Es gibt aber auch in der Gegenwart Argumente, die für den dortigen Massenbetrieb sprechen: Perfekt eingespielte, gute und schnell erreichbare Taxi-Syndikate etwa. „Wir sind arme Schweine“, sagt der Fahrer, der lang in Deutschland gearbeitet hat. „Wir dürfen jetzt nur noch fünfzig fahren, wie damals in Braunschweig.“ Und während er ein Polizeiauto mit Tempo 110 rechts überholt, beschwert er sich wild gestikulierend: „Polizisten sind jetzt sehr streng! Politiker sagen, die müssen uns die Lizenz wegnehmen, wenn wir zu schnell fahren!“ Laut seiner Lizenz, die trotz der Menschenjagd unbehelligt an der Windschutzscheibe klebt, heißt der gut siebzigjährige Straßenrowdy Philipos. „Kollegen nennen mich Fittipas. Wie der große Emerson Fittipaldi“, erklärt er. Auch Spitznamen verpflichten: Der Brasilianer war 1972 und 1974 Formel-1-Weltmeister.
Kaum langsamer, aber ebenso effizient: Der kleine Tankwagen, der jedem Skipper die zeit- und nervenraubende Diesel-Schlacht am letzten Törntag erspart. Der lange Schlauch reicht bis ans äußere Ende des längsten Piers. „Wir hatten noch nicht einmal die Leinen festgemacht“, staunt ein Skipper aus Bern, „da war unser Tank auch schon voll!“ Ich konnte mir die Frage nicht verkneifen, ob der Tankwart so schnell oder seine Crew so langsam gewesen war. Der Schweizer empfand meine Wortmeldung nur bedingt lustig.
Ein weiteres Argument für Alimos: Athen wird immer schöner und moderner. Speziell der von hier aus leicht erreichbare historische Kern sowie der Gastronomie- und Kultur-Hotspot Piräus. 2004 wurden Roman Hagara und Hans Peter Steinacher nur drei Seemeilen von Alimos entfernt zum zweiten Mal Olympiasieger. Damals war Athen ein echter Saustall: Unfertige Sportstätten, ewige Baustellen, Schutthalden und eine nur sporadisch aktive Müllabfuhr. Die Straßenbahnlinie entlang der vielen Athener Strände wurde gerade noch rechtzeitig vor den Olympischen Spielen unter Strom gesetzt. Von der Station bei Alimos bis zur Olympia-Marina Agios Kosmas – eine Kultstätte des österreichischen Segelsports – braucht die Tram etwa zehn Minuten.
Was noch für Alimos spricht, sind die Hafen-Crews der meisten Charterfirmen. Flexibel, schnell, freundlich, hilfsbereit und kompetent. Da ich dank Fittipas viel früher als erwartet im Hafen war, konnte ich mir ein Bild machen: Hier ist eine ganze Armee von Troubleshootern am Werk. Das ist auch notwendig, denn viele Charterboote kommen nach harten Meltemi-Tagen ziemlich ramponiert aus den Kykladen zurück. „We are good workers“, sagt Panagiotis, der auch die Kleinigkeiten auf unserer Galaxy, einer Beneteau Cyclades 50.5, in Windeseile behebt. Ich werde den Eindruck nicht los, dass der junge Familienvater nicht nur der beste von allen ist, sondern auch über die besten Kontakte verfügt: Schwager Taxler, Cousin Wirt, Schwester beim Reinigungspersonal, Onkel Segelmacher, Bruder Elektriker. Klischees wie aus Asterix bei den Olympischen Spielen – Band XII.