Wolfgang Mayrhofer

Wolfgang Mayrhofer

Artikel des Autors

Ressort Kreuzpeilung
Steht uns als einschlägig begeisterter Segelnation eine „golden generation“ ins Haus? Den 78er-Fußballern rund um Schneckerl Prohaska und Goleador Krankl vergleichbar, allen Widerständen zum Trotz international reüssierend? Die Erfolge der jungen Seglerinnen und Segler in diesem Sommer legen das nahe: Welt- und Vizeweltmeister, Top-Platzierungen bei Zoom8- und Optimist-Gipfeltreffen, dazu starke Teamleistungen und weitere hungrige und talentierte Jugendliche, die den Vergleich nicht zu scheuen brauchen. Alles paletti also? Einerseits denke ich: Ja. Die österreichische Jugendarbeit hat in den letzten Jahren einen deutlichen Professionalisierungsschub erfahren. Auf Club- und Verbandsebene haben sich Strukturen wie Hochleistungsgruppen oder Trainingsgemeinschaften entwickelt, engagierte Eltern opfern – besser vielleicht: investieren – viel Zeit und Geld für die Entwicklung der eigenen (manchmal auch fremden) Sprösslinge. Das Umfeld und die Talente sind da, kein Zweifel. Und am wichtigsten: Die Ergebnisse zeigen, dass internationale Erfolge auch bei uns möglich sind. Wenn deine Trainingspartner internationale Spitze sind, ansonsten aber „ganz normal“, dann denkst du dir selbst nicht zu Unrecht: Was die können, ist auch für mich erreichbar. Damit fällt die lähmende „Das geht bei uns nicht!“-Haltung und das destruktive Lamentieren weg. Andererseits aber: Achtung! Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Gerechtfertigte, auch überschäumende Freude ist sicher am Platz, himmelhoch jauchzende Verklärung eher nicht. Wer jetzt die Segelstiefel von Hagara oder Raudaschl beschwört, belastet mehr als er hilft: Sie könnten zu groß sein. Die schwierigen Zeiten in der persönlichen Entwicklung der hier betrachteten Generation der 13- bis 16-Jährigen kommen noch. Sport kann da – auch nach meiner eigenen Erfahrung – sehr helfen, aber er trägt nicht immer durch. Es bleibt also abzuwarten, ob sich die einzelnen Seglerinnen und Segler so entwickeln, dass sie in späteren Jahren langfristig und auf höchster internationaler Bühne erfolgreich sind. Noch ein Hinweis: Die jetzige Generation ist sehr früh in den internationalen Ganzjahreszirkus eingestiegen. Bisher gab es unter Seglern kaum Frühaussteiger, die, wie man es aus dem Tennis kennt, mit knapp 20 den Leistungssport satt hatten. Das könnte sich bald ändern, falls hier nicht gezielt gegengesteuert wird. Wer mit 18 zum zwanzigsten Mal an den Gardasee düst, ist vermutlich nicht ganz unempfänglich für ein Gefühl der Übersättigung. Meine Gesamteinschätzung also: Gratulation an alle beteiligten Personen, herzliche Freude über die Leistungen, die es in dieser Form noch nie gegeben hat, aber auch Hoffnung, dass der Stolz über das Erzielte nicht die für den langfristigen Erfolg erforderliche Nüchternheit verdunkelt.









 

Golden Generation?

Ressort Kreuzpeilung
Rechtzeitig zum Sommerloch ein paar Gedankensplitter zu durchaus unterschiedlichen Aspekten des österreichischen Segelsports. Nach dem Ende des America’s Cup stellt sich wie immer die Frage: Wer wird beim nächsten Mal dabei sein? Spekulationen um eine österreichische Teilnahme sind meist mit jenem Salzburger Getränkehersteller verbunden, der für seine Millioneninvestitionen im Sport bekannt ist. Abgesehen von meinen persönlichen Fragezeichen rund um die Wünschbarkeit der steigenden Verbreitung eines solchen Getränks im Zeitalter zunehmender Suchtgefährdung und Fettleibigkeit – nicht immer hat der Konsument recht – stellt sich aus Seglerperspektive die Frage, ob der österreichische Segelsport einer solchen Aufgabe überhaupt gewachsen wäre. Sollten die Regeln für den nächsten America’s Cup fordern, dass überwiegend oder zur Gänze Angehörige eines Landes auf einem Boot sein müssen, halte ich ein solches Projekt für extrem schwierig und wenigstens im ersten Anlauf für wenig Erfolg versprechend. Klar haben wir – wenngleich wenige – Segler und Seglerinnen von internationalem Format. Aber eine erfolgreiche AC-Kampagne braucht mehr: einschlägiges Projektwissen, viel ‚tacit knowledge’, also implizites Wissen um alle Aspekte einer solchen Kampagne rund um Boots- und Segeldesign, Trimm, Teambuilding etc. Hier sind wir klar im Nachteil gegenüber Nationen mit AC-Vorerfahrung oder einer ausgebauten Hochsee-Szene. Sollten die Regeln gemischte Teams erlauben, schaut die Sache allerdings anders aus. * Bin deklarierter verbal-militanter Rauch-(nicht Raucher!)Hasser und daher besonders gespannt auf die Umsetzung der Maßnahmen zum Schutz vor Schäden durch Passivrauchen in österreichischen Yachtclubrestaurants. Vorbei die Zeiten, in denen in aufgeheizten Clubhäusern Rauchschwaden die unschuldigen Bronchien und Lungenalveolen überziehen oder die unvermeidlich sich in Luv befindliche Qualmquelle das sonntägliche Schnitzerl auf der Clubterrasse verfeinert? Ich werde über Erfahrungen berichten. * Der „andere“ ÖSV hat dafür gesorgt, dass kurzzeitig die olympischen Perspektiven auch für eine ganze Generation von Segelsportlern gefährdet waren. Jenseits der zu beobachtenden Präpotenz und Inkompetenz zentraler Funktionäre bei uns und im IOC und einer komplexen Gesamtproblematik: Für den Fall der Fälle hätten sich nach dem Wegfall des Fokus auf olympische Klassen für eineinhalb Jahrzehnte durchaus neue Möglichkeiten eröffnet, etwa eine verstärkte Konzentration auf Match-Race-Serien oder ausgewählte Offshore-Regatten mit den Besten aus Österreich über die bisherigen Klassengrenzen hinweg. Insgesamt ist die Abwendung des Olympia-Ausschlusses zu begrüßen. Es schadet aber nicht, sich wiedermal ins Gedächtnis zu rufen, dass es sinnvolles Regattasegeln auch jenseits von Olympia gibt.









 

Tu felix Austria?

Ressort Kreuzpeilung
Rar waren die Anfälle von Saturday Night Fever in jungen Jahren, heute sind sie vollständig verschwunden. Wovor ich noch immer nicht gefeit bin, ist die Begeisterung für Segel-Großereignisse. Derzeit bin ich also America’s-Cup-Aficionado; zwar kein Groupie, das in Valencias Hafen, auf den Zuschauerbooten oder vor den Mannschaftshotels abhängt, aber virtuell live dabei. Die offizielle Webpage des Cups (www.americascup.com) bietet eine gute Basis. Vom Layout zwar nicht mein Fall, da viel zu überladen, liefert sie neben Hintergrundinformationen zu den Teams, der Geschichte des Cups oder den Regeln auch den jeweiligen aktuellen Stand der Dinge und schöne Fotos. Das ist gegenüber dem letzten Cup ein Fortschritt, aber noch nicht wirklich aufregend. Tatsächlich „fiebersteigernd“ finde ich AmericasCupAnywhere (www.americascupanywhere.com). Um knapp 30 Euro erhält man Zugang zu einer 3D-animierten Darstellung des Rennverlaufs, ähnlich einem Computerspiel. Auf Basis von GPS-Daten der Yachten ist es möglich, den Rennverlauf live oder durch Aufruf aus dem Archiv relativ exakt zu verfolgen. Startmanöver, Kreuz- und Vorwindkurse können aus unterschiedlichen Perspektiven und mit verschiedenen Zoomoptionen beobachtet werden. Frei zuschaltbare Anzeigen wie Bootsgeschwindigkeit, VMG oder Windstärke bieten zusätzliche Informationen. Der Aufruf von Rennen aus dem Archiv erlaubt unterschiedliche Abspulgeschwindigkeiten und damit das bequeme Überspringen wenig spannender Sequenzen. Trotz kleiner Schwachpunkte – so macht etwa der fehlende Kompasskurs der Boote taktische Entscheidungen etwas schwer nachvollziehbar, da ein „virtuelles Kielwasser“ relativ zu einem über das Wasser gelegtes Gitternetz die einzige Kursinformation ist – bin ich entzückt über dieses Tool. Retrospektiv lassen sich Rennstrategie, Wendeduelle, Vorwindtaktiken etc. recht gut analysieren. Live ist es durchaus spannend, die Wettfahrten in einem kleinen Fenster am Bildschirm nebenher laufen zu lassen. Das konnte ich letztens während einer Konferenz in Brüssel genießen. In weiser Voraussicht und durchaus schamhaft im letzten Eck hinten sitzend, konnte ich dank Laptop und Wireless LAN eine der ersten Überraschungen des Cups, den Sieg der italienischen Mascalzone Latino über Team New Zealand live verfolgen. Geschickt den Gegner auf der benachteiligten linken Seite des Kurses haltend, schafften es die Italiener lange vorne zu bleiben. Auf dem letzten Vorwindgang dann zwei riskante taktische Manöver von ITA 90, welche die Neuseeländer bis auf ein paar Meter heranbrachten, letztlich aber den Sieg von Mascalzone Latino nicht gefährdeten. Nicht sehr professionell, ich weiß schon (von mir, nicht von ITA 90, nämlich während der Konferenz AC schauen), aber im Fieber weiß man halt nicht ganz genau, was man tut. Sagen Sie also nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt …









 

Virtual Fever

Ressort Kreuzpeilung
Heute ein heikles Thema: Fuß. Keine Angst, es geht nicht um Fetischisten, sondern: Wie sind wir als Segler geerdet oder ‚gebootet’? Eine kleine Typologie fasst langjährige Beobachtungen zusammen.









 

Jenseits der Bloßfüßigen

Ressort Kreuzpeilung
Bei einer Tasse Tee sowie ein paar Linzeraugen genieße ich einen nachweihnachtlichen Abend. Plötzlich durchbricht ein seltsames Piepen, Surren und Pfeifen leise, aber doch deutlich vernehmbar die Stille. Dann rhythmisches Klopfen an der Terrassentür: kurz – lang-kurz – lang-lang-kurz – kurz – kurz-lang-kurz-kurz. Ich muss lächeln: E-N-G-E-L im Morsecode. Ohne zu schauen mache ich die Türe auf – und pralle entsetzt zurück. Das ist ja gar nicht mein gefiederter Freund, das Weihnachtsengerl, sondern ein Furcht erregender StarWars-Abkömmling! Elektronisches Gerät, wohin das Auge blickt, futuristisch gestylte Schutzkleidung und eine dunkle Sonnenbrille. Schon will ich entsetzt die Türe zuknallen, als eine vertraute Stimme ertönt. Tatsächlich schält sich nach und nach der Gefiederte aus seiner High-tech-Hülle, legt seine Gerätschaften ab, schüttelt Lockenhaar und Flügel aus und setzt sich zu mir. Nach ein paar Minuten kann ich meine Neugier nicht mehr zähmen. Ich deute wortlos auf das Equipment. „Das, lieber Freund“, so die Antwort, „ist auch deine Zukunft auf See!“ Auf meinen ratlosen Blick hin erläutert mir das Engerl, dass sich die Himmlischen auf ihren Reisen schon lange nicht mehr auf Führung durch den Heiligen Geist verlassen. „Unsere Erzengel setzen ganz auf die neueste Technologie“, doziert das Engerl und erklärt mir dann lang und breit, was es alles mit sich führt. Nach einer Weile kann ich nicht mehr richtig folgen und meine Gedanken schweifen ab. Vielleicht hat das Engerl ja Recht, denke ich. Was hat der Fahrtensegler nicht schon alles an Bord: GPS, Farbplotter, diverse weitere Bordinstrumente, eigener Laptop mit Navigationsprogrammen, die alle Stücke spielen, GPS-Maus, integriertes Navtex und Logbuch … Und was erst die Zukunft bereit hält: intelligente Textilien, die Infos über Kurs, Untiefen oder Winddrehungen direkt auf die Sonnenbrille liefern, Joystick-Yachten, die komplett vom Zentralcockpit aus zu steuern sind. Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als das Engerl ruckartig aufsteht: „Tja, mein Lieber, so schaut’s aus. Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten, auch auf See.“ Das Engerl zieht seine Montur über und verschwindet mit Wünschen für ein gesegnetes Jahr 2007 an die p.t. Leserschaft und unter Mitnahme aller Gerätschaften. Ich bleibe nachdenklich sitzen. Ist das die Zukunft? Wird „Segeln pur“ zum Anachronismus? Sehen wir bald vor lauter Monitoren das Wasser nicht mehr? Oder werden wir beim Segeln die Technik als Hilfe nützen, ohne das Wesentliche zu verlieren? Aber was ist das Wesentliche? Kommt es vielleicht zur Gegenbewegung? Ohne wirkliche Antworten sinniere ich weiter, übermittle aber jedenfalls die Engelsbotschaft und wünsche Ihnen – mit oder ohne Technik – immer die obligate Handbreit Wasser unter dem Kiel.









 

Segeln pur?

Ressort Kreuzpeilung
Individuelle Lebensentwürfe sind von faszinierender Unterschiedlichkeit. Bord- und Bargespräche mit hauptberuflichen Kapitänen, Skippern, Maaten und Matrosen beeindrucken mich jedes Mal aufs Neue hinsichtlich Lebensgeschichte und Zielsetzungen. Dabei habe ich mit drei unterschiedlichen Typen häufig Bekanntschaft gemacht: Maritimer Backpacker. Backpacker reisen mit wenig bis gar keinem Geld und einem Rucksack auf möglichst billige Art durch die Welt. Das maritime Pendant macht das als mehr oder weniger erfahrene Deckshand auf Yachten aller Art. Simon etwa, 19 Jahre jung und aus dem Großraum London stammend, war nach dem Schulabschluss mit 16 einige Zeit im öffentlichen Dienst beschäftigt, später arbeitslos. Jetzt stromert er von Schiff zu Schiff, mit nicht mehr als einer Sporttasche im Gepäck. Wochenverdienst ca. 200 Dollar, dazu Kost und Logis, hin und wieder ein Abstecher nach Hause. Ansonsten: Arbeit an Bord, fremde Länder und Häfen, Winter in der Karibik, Partys. Was kommt später? „Let’s see, I am still young!“ Heißes Herz, kühler Kopf. Das Herz schlägt heiß fürs Segeln, dennoch wird das Leben auf See mit kühlem Kopf geplant. Weit entfernt von romantischen Vorstellungen über ewige Freiheit kombiniert dieser Typ auf bestmögliche Weise Passion und Existenzsicherung. So wie Anderl, Salzburger, Mitte 20, nach Kindheitserfahrungen auf dem elterlichen Boot im Mittelmeer und Publizistikstudium heute zertifizierter Yachtmaster Offshore, erster Maat auf einem Traditionssegler und auf der Suche nach einer Skipperstelle. Er rechnet nüchtern: 15 Jahre Arbeit bei einem Monatsverdienst von 4000–7000 Dollar und kaum Ausgaben für Essen und Wohnung ermöglichen eine finanziell relativ unbeschwerte zweite Lebenshälfte. Alles neu mit 40. Krisen in der Mitte des Lebens sind ein Klassiker. In der maritimen Variante führen sie zum radikalen Wechsel vom bürgerlichen Brotberuf zum Leben auf dem Wasser. Dem Abbruch aller Brücken folgt ein von vielen Hoffnungen getragener Neuanfang auf See. JoJo, 42-jähriger Deutscher, hat nach dem Ende einer langjährigen Beziehung Pharma-Job und Wohnung aufgegeben und sich auf einer Oceanis 44 CC im Hafen von Palma niedergelassen. Er verdingt sich als Skipper und ist begeistert: von der Umgebung, den unterschiedlichen Schiffen, der Szene, den Bars rund um die Kathedrale mit viel Essen für wenig Geld. Berufene sind sie allesamt, die See und das Segeln ist ihr Leben. Klar gibt es dunkle Seiten: Wenn der Körper nicht mehr so will, wenn die Partnerschaft belastet ist. Berufungskrisen scheint es trotzdem kaum zu geben – das Leben auf See scheint besser zu sein als alles, was dauerhaft nach Land riecht.









 

Leben auf See

Ressort Kreuzpeilung
Ein Sommer am See birgt so manches Erlebnis in sich. Nachstehend eine kleine Auswahl. * Altbekannt unvermeidlich: Unsere Spur im Stau ist die langsamste, Ampeln sind überwiegend rot und das bissbereite Butterbrot fällt immer mit der bestrichenen Seite auf den Boden. Weit gehend ungeachtet der Gegebenheiten konstruieren wir uns die Welt passend zu unserem subjektiven Erleben. Mein Beitrag dazu aus diesem Sommer: El Ni\u00F1o hat einen pannonischen Ableger, der die Windmuster durcheinander bringt. Woher ich das weiß? Nach 40 Jahren am See schien ich gegen Überraschungen gefeit – Fehlanzeige: von 7 bis 12 Uhr strahlender Sonnenschein und 6–7 Beaufort aus Süd – dann ohne erkennbare Wetteränderung fast übergangslos 5–6 aus Nordwest; an einem Tag mehrfacher Wechsel zwischen Flaute und 5 Windstärken; seltsame Winde in einem schmalen Uferstreifen, die Anzeichen von thermischen Winden haben, aber eigentlich keine sein dürften. Ja, ich weiß, woanders ganz normal, Meteorologen könnten das ganz logisch erklären, aber ich weiß auch: Burgenlands El Ni\u00F1o lebt! * Haben Sie sich auch schon angesichts der LKW-Mengen an einem Sonntagnachmittag über das Wochenendfahrverbot für Brummis gewundert? Mir ging es während der letzten Clubregatta ähnlich. Wir lagen wegen Flaute nördlich des Podersdorfer Schoppens wie angenagelt und ohne Chance auf regelkonforme Fortbewegung. Daher: Alle Zeit der Welt, unsere Umgebung wirken zu lassen. Statt himmlischer, lediglich durch einzelne Möwen oder Fischhupfer angereicherter Ruhe jedoch: fast permanentes Motorengedröhn. Bei Flaute ist jeder Motor im weiten Umkreis zu hören. Und wir hörten viele: Fischer, Ausflugsboot, Fähre, Segelschulbegleitboot, Startschiff 1, Rettungsboot 1, Startschiff 2, Begleitboot 2, Wassertaxi, Feuerwehrboot, Motorrad. Bei Wind gibt es genug Eigengeräusche, ohne Wind ist meditatives Flautenschieben auf dem „motorbootfreien“ See aber nicht (mehr) angesagt. * Arbeit am Boot im laufenden Betrieb nervt – bei Sonnenschein, Flaute und während des Urlaubs ist sie herrlich. Es sollte nichts Gröberes sein, aber ansonsten finde ich es ausgesprochen entspannend, eine unter Druck vielleicht 40 Minuten dauernde Reparatur unter den genannten äußeren Bedingungen über den gesamten Vormittag hinzuziehen. Im Boot sitzen und das Problem gelassen – man hat ja Zeit! – von mehreren Seiten betrachten; verschiedene Varianten andenken und dann – es ist ja heiß! – ein Pause machen; die Angelegenheit – Club ist Club! – mit ein paar Leuten besprechen; in absichtsvoller Absichtslosigkeit – ich bin im Urlaub! – das perfekte Loch, den formvollendeten Spleiß anstreben. Schließlich wie immer – ich bin auch im Urlaub noch ich! – irgendwo zu patzen, so dass das Ergebnis zwar funktional, nicht aber ästhetisch passt – das nenne ich einen gelungenen Urlaubshalbtag.









 

Sommerimpressionen

Ressort Kreuzpeilung
Demut ist gut für die Entwicklung einer reifen Persönlichkeit, sagen uns die spirituellen Meister. In diesem Sinne war der Juni für mich persönlichkeitsbildend. Aber der Reihe nach: 21 Führungskräfte eines großen österreichischen Unternehmens sollten mit ihrem Chef drei Tage auf einem Schiff vor Amsterdam auf der Nordsee verbringen, der Autor dieser Zeilen als Trainer mit dabei. Außergewöhnlich die Wahl des Schiffes: Der Clipper Stad Amsterdam (www.stadamsterdam.nl), gebaut zwischen 1997 und 2000, ist ein 76 Meter langen Rahsegler mit drei Masten und beeindruckenden Daten. Stahlbau mit 4,8 m Tiefgang, 46,5 m Masthöhe, auf 29 Segel verteilte 2.200 m2 Gesamtsegelfläche, 1018 PS Dieselmotor, 723 Bruttoregistertonnen und rund 30 Personen Besatzung. Ein wesentliches Kennzeichen der Stad Amsterdam ist das Bemühen um möglichst authentisches „tall ship feeling“. Abgesehen von Zugeständnissen wie Metallmasten und -rahen, Rettungsbooten, Dieselmotor, Steuerhydraulik sowie modernster Technik in der Steuerkabine schaut es aus wie damals. Stage, Tauwerk, Belegnägel, Holzblöcke – das Schiffshandling ist so, wie man es von bekannten Großschiffen kennt. Das lehrt Demut in mehrfacher Hinsicht. Erstens: Alles braucht seine Zeit und hat seinen eigenen Rhythmus. Beim Durchgehen des Ablaufes mit dem Kapitän habe ich beispielsweise für das Segelsetzen eine Stunde – großzügig, wie ich meinte – einkalkuliert. Mit unterdrücktem Lachen und professioneller Höflichkeit weist mich der Kapitän darauf hin, dass wir rund zweieinhalb Stunden brauchen werden, da wir für jedes Segel aufentern, auf jeder Rah die Zeisinge von den Segeln nehmen, aufschießen und befestigen, dann die Segel setzen und entsprechend anbrassen (= dichtnehmen) müssen. Dazu kommt, dass zwei der Segel mitsamt ihrer jeweiligen Rah, jedes rund 700 kg schwer, nach oben zu hieven sind. Zweitens: Jeder Plan muss, noch mehr als sonst beim Segeln, auf die Gegebenheiten abgestimmt werden. Als wir am letzten Tag rund 20 Seemeilen gegen den Wind in Richtung Ausgangshafen Ijmuiden müssen, zeigt sich, dass wir nach einer Stunde bei 12 Knoten Wind aufgrund des Stromes, der Abdrift und des großen Wendewinkels des Bootes rund 2 Seemeilen nach Lee (!) gutgemacht haben. Drittens: Regattasegler oder Top-Executive sein hilft dir relativ wenig, wenn du 40 m über Deck mit einem Gemisch aus Angst- und Anstrengungsschweiß in leicht überhängender Lage auf das Krähennest kletterst und dich zitternd auf das äußerste Ende der Rah vorschiebst. Wissend, dass ein Fehltritt dich entweder in die Tiefe sausen oder hilflos im Sicherungsgurt baumeln lässt, hoffend, dass weder Gurt noch Stahlseil reißen. Hier zählen körperliche Gewandtheit, Selbstvertrauen, Erfahrung. Fazit: Die See und ihre Schiffe machen einen als große Umverteiler schneller zum Leichtmatrosen als man glaubt ...









 

Leichtmatrose

Ressort Kreuzpeilung
Würden Sie gerne ganz von vorne beginnen? Ich nicht. Klar, die Verabschiedung von zwickender Achillessehne hier und herausspringender Bandscheibe dort, das Tauschen des Gössermuskels gegen einen wenigstens in der Erinnerung ultraharten Sixpack-Bauch hat Verlockendes. Aber sonst bin ich froh über das, was ich im Segeln hinter mir gelassen habe – nicht zuletzt deswegen, weil ich den heutigen Anforderungen kaum genügen würde. Segeln hat sich zum Ganzjahressport entwickelt. Auf höchster Ebene Wettsegeln heißt heute – warum sollte es anders sein als in anderen Sportarten – Ganzjahressegeln. Auch für den Nachwuchs. Wintertraining, Ostertraining, seglerische Einheiten unter der Woche. Um nicht im falsch Eck zu landen: Gut so, in den meisten anderen Disziplinen ist es nicht anders. Und: Wenn man die jungen Seglerinnen und Segler mit ihren schwimmenden oder Tennis spielenden Altersgenossen vergleicht, bleibt immer noch etwas aufzuholen. Ich persönlich aber habe Zweifel, ob ich aus einem solchen Holz geschnitzt gewesen wäre. Eine hypothetische Frage, natürlich, aber trotzdem: Zu meinen ganz lebendigen, frühesten Segelerinnerungen gehören die Zeiten des Nicht-Segelns. Seltsam verschämt, aber doch aus tiefem Herzen war ich froh, auch Auszeiten zu haben – und zwar nicht nach einem nach heutigen Maßstäben voll durchgeplanten Trainings- und Regattajahr. Beispiel 1: Bei der damals noch als Teamwettbewerb ausgetragenen Opti-WM 1967 war ich Ersatzmann und buchstäblich das fünfte Rad am Wagen. Wie heute weiß ich noch um mein Zusammenzucken und meine Enttäuschung ob des Verlusts eines freien Tages im Juli (!), als ich kurzfristig für einen erkrankten Teamkollegen einspringen musste. Klar, ich war erst neun, aber trotzdem. Beispiel 2: Bis weit in meine Teenagerjahre hinein habe ich es sehr genossen, nach einem Monat Sommerferien mit täglichem Segelpensum den Neusiedler See mit meiner Kärntner Heimat zu tauschen, um bei den Großeltern den ganzen August (!) die Wälder unsicher zu machen und den Wörther See im Pörtschacher Strandbad lediglich als große Badewanne zu nutzen. Mein Fazit: Hut ab vor denen, die schon in jungen Jahren rund um die Uhr segeln und die Freude daran nicht verlieren, sondern sogar steigern können; nachdenklicher Blick nach innen – habe ich schon früh nach einer für mich passenden „Work-Life-Balance“ gestrebt oder fehlte einfach das Feuer? Zum Glück muss ich, siehe oben, nicht von vorne beginnen…









 

Ich bekenne

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