Wolfgang Mayrhofer

Wolfgang Mayrhofer

Artikel des Autors

Ressort Kreuzpeilung
Der Anlass war unbedeutend, die Folgen verheerend. Rechtzeitig vor Weihnachten wurden in dieser Zeitschrift ausgewählte österreichische Segel-Promis zwar nicht nach dessen Sinn, aber immerhin nach seiner ökonomischen Komponente gefragt, sprich: Was schenkst du? Mein konsumkritisch-hochmütiger Überblätterimpuls wurde von voyeuristischer Neugier besiegt und so erfuhr ich dies und das. Schließlich stolperte ich über H. P. Steinachers Geschenk an seinen Sohn (ja, ja, zum Glück gibt es dafür Söhne …) – eine Regattasimulation am PC – und es war um mich geschehen: „Erleben Sie … aufregende Regatten … vier verschiedene Boote … berühmteste und beliebteste Segelreviere der Welt … realistischer 3D-Engine … verschiedene Blickwinkel …“ – ja, jaaa, jaaaaaa! Ein fast lupenreiner Spontankauf über Internet war binnen weniger Minuten erledigt. Fast spontan: Immerhin liebäugle ich, speziell fasziniert von der Variante mit Mini-Pinne als Joystick-Ersatz, seit Jahr und Tag mit so einem Zeitvertreib. Aber jetzt: Nach einigen Tagen trudelte das Spiel per Post ein, die Installation war relativ schnell erledigt und los ging’s. Zunächst Wahlentscheidungen: America’s Cupper, Melges 24, Offshore Racer oder Trimaran Open 60? Sonnig, Regen, Tag, Nacht? Fleet oder Match Race? San Francisco, Porto Cervo, Auckland oder Sydney? Vier, fünf, sechs oder sieben Windstärken? Anfänger, Normal, Fortgeschritten oder Profi? Der Mantel des Schweigens sei über die eher unbeholfenen ersten Schritte im Trainingsmodus gehüllt. Kaum zu schaffen, in einer vorgegebenen Zeit mit schlichter Links-rechts-Tastensteuerung einen bestimmten Kurs einfach abzusegeln. Wenden wie Halsen arteten in wilde, jedem Opti-Anfänger-Kurs zur Ehre gereichende Schlenkerbewegungen aus. Aber – Triumph! – die Manöver wurden besser, die Selbstsicherheit wuchs. Auf in die erste Regatta: Sonnenschein, 6 Windstärken, America’s Cupper, 5 weitere Teilnehmer. Den Start versch…enkt, dann auf der Kreuz ganz gut dabei, auf der Vorwind mit Spinnaker alles wieder verloren, Extremschlag auf der zweiten Kreuz, Anschluss gefunden, die zweite Vorwind dann völlig verschlafen – das gibt’s doch gar nicht: wie im richtigen Leben! Also, zweiter Versuch, gleiche Konstellation, schon ein wenig besser, bereits Dritter im Ziel. Nach einigen Regatten schreckt wildes Geheul meine Familie auf – Sieg, Sieg, Siiiiieg!!!! Heute bin ich routinierter, wenngleich vereinsamter Player. Sicher navigiere ich meine – meine! – Boote über den Parcours, bin über den automatischen Anfängermodus weit hinaus und bestimme selbst die Segelstellung, wechsle blitzschnell von der Vogelperspektive über die Bordkamera zur Totale von schräg vorne und weiß über Wendewinkel, Target Speed und Velocity Made Good meiner – meiner! – Boote Bescheid. Allerdings: Die beste Ehefrau von allen kenne ich kaum mehr, unsere jüngste Tochter Katharina hat sich nach anfänglicher Begeisterung für die Rolle als Spinnakercrew ebenfalls abgewandt. Sollten Sie mich heuer nicht auf dem Wasser treffen – ich bin im Internet-Multiplayer-Modus. Sie bestimmen Ort und Bootsklasse, ich Wind und Wetter – okay?









 

König der Tasten

Ressort Kreuzpeilung
Noch erschöpft vom Slalom zur Vermeidung vorweihnachtlicher Punschstände nippe ich im Wohnzimmer an einem heißen Tee, als mich leises Geklirre am Fenster irritiert. Ein rascher Blick zeigt schwache Umrisse einer Gestalt, die mich an einen Admiral erinnert. Ich zwinkere, aber kein Zweifel: Die Gestalt bleibt und scheint mir sogar auffordernd zu winken. Sollte das etwa …? Sofort eile ich zum Fenster, öffne – und herein bewegt sich, auffallend würdig, mein gefiederter Freund, das Weihnachtsengerl. In bester k. u. k. Kriegsmarinetradition mit allen Insignien eines Admirals ausgestattet steht das Engerl da. Meinen fragenden Blick beantwortet es gerne: „Na, da ihr ja laut Dezember-Rangliste der ISAF die fünftbeste Segelnation der Welt seid, übrigens: Chapeau dafür“ – das Engerl verbeugt sich und lüftet leicht die Admiralskopfbedeckung – „habe ich mir gedacht, ich komme bei dir ohne entsprechende Aufmachung gar nicht mehr beim Fenster herein.“ Ich bin noch immer sprachlos, im Gegensatz zum Engerl: „Ihr habt ja eine umfassende maritime Vergangenheit!“ Republikanische Reflexe und Grant auf die den Zerfall Altösterreichs fördernden Habsburger machen die österreichische Militärgeschichte vor der Ersten Republik zu einem meiner blinden Flecken. Das Engerl scheint das zu ahnen und lächelt leicht. „Du weißt ja sicher um die große Rolle der österreichischen Handelsflotte schon im frühen 18. Jahrhundert und die Bedeutung des Österreichischen Lloyd, der als bedeutende Reederei beispielsweise im 19. Jahrhundert regelmäßig bis nach Hongkong und Singapur fuhr.“ Das Engerl wurde ein wenig ernster. „Und eure Kriegsmarine erst. Klein angefangen, zum Schutz gegen Adria- und Mittelmeerpiraten, aber dann durchaus oho. Ich sage nur: griechischer Freiheitskampf um 1820, Marokko und Syrien in der ersten, Frankreich, deutsch-dänischer Krieg in der zweiten Hälfte des 19., Boxer-Aufstand in China zum Beginn des 20. Jahrhunderts, vom Ersten Weltkrieg ganz zu schweigen – Respekt, wenn man das in diesem Zusammenhang aus der Sicht eines Himmlischen überhaupt sagen kann“, schloss der Gefiederte. „Und Admiräle wie Tegetthoff, Montecuccoli oder Haus – tja, wer hat, der hat. Und, wie die neuen Resultate zeigen, hat offensichtlich noch immer.“ Plötzlich verschwammen mir die Bilder, ich sah Roman Hagara und Hans Peter Steinacher mit Bordkanone statt Spinnakertrompete am Tornado flitzen, Andreas Geritzer in Admiralsuniform statt Taucherhaut am Laser hängen, unser k. u. k. Schlachtschiff Viribus Unitis durch den Schlamm des Neusiedler Sees pflügen – und dann wachte ich auf. Hatte ich nur geträumt? Aber da lag neben mir ein Zetterl am Tisch: „Richte deiner p. t. Leserschaft die besten Wünsche für 2006 und eine obligate Handbreit Wasser unter dem Kiel aus. W. E.“ Was ich hiermit tue, wie immer gerne, aber diesmal leicht verwundert …









 

Navigare necesse est1)

1  ...  9 10 11 12