Schwarze Katze von links

In der Seefahrt gibt es jede Menge abergläubische Mythen und Rituale

Falls demnächst der Urlaubstörn ansteht, nicht vergessen: Der erste Schluck an Bord nach dem Ablegen geht immer über Bord, eine Gabe an Rasmus, den Herrn der Winde. Er soll für gute Unterstützung auf See sorgen, gleichzeitig aber Stürme vom Schiff fernhalten. Liegt man unterwegs in einer Flaute fest, muss man nicht sofort die eiserne Genua anwerfen, sondern sollte erstmal am Mast kratzen. Das bringt Rasmus nämlich dazu, seine Aufmerksamkeit wieder dem Schiff zuzuwenden und eine frische Brise vorbei zu schicken. Und bloß nicht pfeifen, das ist auf einem Schiff strengstens verpönt! Ein Verbot, das relativ leicht einzuhalten ist. Schwieriger wird es mit dem Thema „Frauen an Bord“. Die bringen, wie jedes Kind weiß, einem alten Mythos nach Unglück. Andererseits aber auch jede Menge Spaß und eine ordnende Hand aufs Schiff. Hmm, da heißt es abwägen …

"Viele frühere Bräuche und unumstößliche Fakten sind entstanden, um einer als grenzenlos empfundenen Umwelt den Schrecken zu nehmen", sagt Jürgen Feyerabend von der Kreuzer-Abteilung im Deutschen Seglerverband. Die Welt, das Wetter, die See waren früher schließlich nicht ansatzweise erforscht. Auch die noch heute übliche Äquatortaufe hat in dieser Angst ihren Ursprung: So hielt man in früheren Zeiten die Erde für eine Scheibe, von deren Rand man in die Hölle stürzte. Überlieferungen zufolge haben die Portugiesen beim Überschreiten des gefürchteten Äquators ihren Mut und ihre Gläubigkeit deshalb durch eine neue Taufe bekräftigt. Gehalten haben sich bis in unsere Zeit derbe Späße.

Dass derartiger Glaube sinnvoll ist, erklärt Timo Heimerdinger vom Institut für europäische Ethnologie an der Universität Innsbruck. "Für Segler ist es bis heute wichtig, sich über eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Handlungen zu verständigen. Das hat einen gruppenbildenden Effekt." Deshalb hält der Autor des Buches "Der Seemann" auch längst widerlegte Fakten in der Nachbetrachtung nicht für absurd: "Sie hatten eine klare Funktion", sagt er. Segler, die noch heute an Bord etwa das Pfeifen verbieten, machen damit deutlich, "dass sie sich Respekt vor der Natur bewahrt haben". Trotzdem gibt es hierfür auch noch eine handfestere Erklärung. "Früher gab nur der Bootsmann mit der Bootsmannspfeife die Befehle an Bord", erläutert Feyerabend. Wenn dann noch jemand pfiff, so konnte das für Missverständnisse und somit für allerhand Unglück sorgen, weil zum falschen Zeitpunkt etwa plötzlich Segel gesetzt wurden.

Alles Humbug und Aberglaube? Auch die Tradition der Schiffstaufe, bei der das Schicksal des Kahns in die Hände der Meeresgötter gelegt wird? Übrigens ein Ritual, das es fast überall auf der Welt gibt: Nach islamischer Sitte wird ein Schiff mit dem Wasser aus dem heiligen Brunnen von Mekka getauft. In Schottland nimmt man statt einer Flasche französischen Schaumweins eine Flasche Whisky. Bei Indern ist es dagegen Brauch, ein Schiff mit Kokosmilch zu taufen. Immer geht es darum, dem Schiff auf allen Wegen Glück zu wünschen. Und die Titanic hatte zwar für den damaligen Stand der Technik die modernste Ausrüstung an Bord – aber keine Seetaufe erhalten …

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