Das Leben nehmen, wie es kommt

Die Seenomaden besegeln wieder die schönsten Inseln der Südsee – und mussten im Schatten von Corona lernen, Reisebeschränkungen, Distanz-Regeln und ungewisse Perspektiven als Teil ihres Alltags zu akzeptieren

Das Leben nehmen, wie es kommt

2020 wird uns als schwieriges Reisejahr in Erinnerung bleiben; wie die meisten mussten auch wir unsere Ziele, Träume und Visionen ändern oder aufgeben. Mitte Februar, kurz bevor das Corona-Virus die Welt lahm legte, erreichten wir Französisch-Polynesien. Die Südsee lag vor uns; Palmeninseln, Strände, türkisblaues Wasser, Passatwolkenhimmel, Blumenketten … Doch es kam völlig anders als gedacht. Lockdown. 49 Tage lang saßen wir im stickigen Hafen von Atuona auf der Insel Hiva Oa fest, durften unser Boot kaum verlassen, mussten umdenken, improvisieren und uns vor allem in Geduld üben. Selbst auf den abgelegenen Marquesas kam das Leben zum Stillstand. Vieles schien wirr und vage, klang wie die Antwort auf eine Frage, die nie gestellt wurde. Die Welt war aus den Fugen geraten, die Gegenwart verwirrend komplex. Auch auf der Rückseite des Globus fühlte sich die Pandemie bedrohlich und unheimlich an, als ob es kein Entrinnen gäbe.

Mitte Mai durften wir endlich weiter. Zwar mussten wir in Französisch-Polynesien bleiben, dennoch kam mir der Aufbruch wie eine Befreiung vor. Die Inselstaaten westlich von uns hielten weiterhin ihre Grenzen geschlossen und waren damit unerreichbar. Wohin uns also wenden? Das Schmieden eines Törnplans unter Coronabedingungen gleicht einem Start mit angezogener Handbremse. Äußerst holprig. So ließen wir uns treiben. Zeit war bedeutungslos, wir lebten langsam, ohne jede Eile. Über sechs Wochen stromerten wir durch die spektakulären Marquesas, schaukelten uns auf den vom Schwell geplagten Ankerplätzen die Seele aus dem Leib. Bei Jimmy auf Tahuata feierten wir unseren letzten Abend in diesem wilden Archipel. „Zu den Tuamotus wollt ihr? Wo es weder Fleisch noch Obst und Gemüse und kaum Süßwasser gibt? Na viel Spaß!“ lachte er und überreichte uns zum Abschied eine Kiste voll mit Limonen, Grapefruits, Mangos, Bananen, Süßkartoffeln und einer riesigen Brotfrucht.

Wir steckten Kurs ab zu den Tuamotus, der weltgrößten Gruppe von Korallenatollen. Hier sind mehr Schiffe gesunken als in irgendeinem anderen Teil der Südsee. Hoch aufragende Landmarken, an denen man sich orientieren könnte, gibt es nicht. Unberechenbare Strömungen versetzen die Schiffe von ihrem Kurs. Heute ist die Situation dank moderner Technik entschärft. Punktgenaues GPS, diverse Displays an der Steuersäule, per App aktualisierte Tochtergeräte wie Tablet und Smartphone verleiten den modernen Yachtie dazu, selbst in stockfinsterer Nacht durch die Atollpässe zu steuern und sich von Wegpunkt zu Wegpunkt quer durch die Lagune zum Ankerplatz zu hangeln. Wir trauen uns das nicht. Macht die Technik die Natur beherrschbar? Für mich unterstützt die digitale Navigation unsere Erfahrung, aber sie ersetzt sie nicht. Wir verlassen uns in riffgespickten Revieren lieber auf unsere Augen und unser Gefühl.

Fern von allen Sorgen

Es ist eine archaische Sehnsucht, die uns zu den einsamsten, abgelegensten Eilanden zieht. Nach einer herrlichen Überfahrt holen wir die Segel ein, der Dieselmotor treibt Nomad auf eine schmale Lücke zwischen Brandungswellen zu. Leichter Schiebestrom drückt uns durch den Teavatapu-Pass ins unbewohnte Tahanea-Atoll, das eine Zeitlang das Zentrum unseres Wasserreichs werden soll. Und ja, wir ankern mit Blick auf Palmen, wir schnorcheln mit Riffmantas, Napoleonfischen und Haien. Aber das größte Geschenk sind die vom planetarischen Flüstern erfüllten Vollmondnächte – es hagelt Sterne! Nomad ist ein Raumschiff auf der Reise zu fernen Galaxien. Alles Irdische existiert nur in einer jenseitigen Welt. Vom Riff ist ein sanftes Grollen zu vernehmen. Hört man genau hin, vernimmt man darin ein feines Murmeln und Wispern. Es rührt von Milliarden zerbrochener Skelette und Gehäuse bizarrer Lebewesen, die dieses Atoll erbaut haben. In der immerwährenden Brandung zerreiben sie und zerfallen zu Sand.

Eine Woche später verholen wir uns in den Südosten von Tahanea. Das Wasser ist so durchscheinend, dass uns Nomads Schatten auf dem hellen, sandigen Grund der Lagune voraussegelt. Wir werfen Anker über drei Meter Wassertiefe. Angekommen auf unserem Lieblingsplatz in den Tuamotus! Die Landschaft eines Atolls wirkt zeitlos und ruhig. Eine flache Welt aus Korallen, Muscheln, Sand, Inselchen und Palmen. Du hast, was du brauchst, du bist autark. Alles ist an Bord. Beschränkung und Verzicht schaffen Freiheit. Weniger ist mehr.

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