G’schichten vom Neusiedler See

Burgenländerwitze und Operetten? Nein, der pannonische Sinn für Humor hat viel mehr Gesichter

G’schichten vom Neusiedler See

Ein burgenländischer Bauer schüttet Erde auf das Eis des Neusiedler Sees und pflügt sie. Sagt sein Freund: „Du bist ja ein Volldepp! Weißt du, was passiert, wenn das Eis schmilzt?“ Der Bauer antwortet: „Wer ist da der Volldepp? In zehn Minuten kommt ein Wiener und kauft das Grundstück.“

Wie man sieht, wehren sich die Burgenländer erfolgreich gegen die witzigen Wiener. So wie auch die Ostfriesen gegen Hamburger Witzkanonen. Die Iren haben den Spieß sowieso längst umgedreht: Seit dem Brexit lassen sie einen Engländer-Witz nach dem anderen vom Stapel.

Der klassische Burgenländerwitz mag zwar aus der Mode gekommen sein. So mancher Vorfall, der einem im Laufe eines Seglerlebens am Pannonischen Meer tatsächlich widerfahren ist, ist jedoch skurril genug.

Wie etwa das Längsseits-Anlegemanöver in Illmitz, das von einem entsetzlichen Knirschen begleitet wurde. Titanic versus Eisberg muss ähnlich geklungen haben. Das Geräusch stammte von einem 200er-Nagel, der fünf Zentimeter unter der Wasseroberfläche aus dem Steg ragte.

Erbost legte ich Beschwerde ein. Die Antwort: „Der Nagel ist mein Wasserstandsanzeiger. Jeder, der hier anlegt, weiß das!“ Mein Konter: „Ja, aber ich hab‘ auch hier angelegt – und ich hab das NICHT gewusst!“ Darauf er: „Na und? Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.“ Meine Fassungslosigkeit ist zwanzig Jahre danach immer noch nicht ganz abgeklungen.

Etwas aktueller: Die Boxen in der neuen Marina Podersdorf sind mit anderen Nummern gekennzeichnet als die zugehörigen Versorgungssäulen. Box Nr. 37 hat beispielsweise Stromanschluss Nr. 81. Ein Freund aus Deutschland fand deswegen seinen Liegeplatz im neuen Hafen erst im vierten Anlauf. Seine Beschwerde fiel trotzdem höflich aus, worauf er folgende Antwort bekam: „Du musst es schon uns überlassen, wie wir unseren Steg nummerieren!“ Echt genial fand ich aber die Antwort meines pazifistischen deutschen Freundes: „Ja, man kann das so machen. Man muss aber nicht ...“

Urlaub am See: Wie an allen anderen Tagen wollten die Kinder nach dem Segeln ins Strandbad Neusiedl. Hauptattraktion: Wasserrutsche! Doch diesmal hing dort ein Schild: AUSSER BETRIEB. Enttäuscht fragte ich, warum. Antwort vom Bademeister: „Weil der Aufgang g‘sperrt ist.“ Darauf ich: „Ja, aber warum ist der Aufgang g‘sperrt?“ Er: „Weil die Rutsche g‘sperrt ist, du oberg’scheiter Wiener!“ Mit dem Nachsatz „Ist das so schwer zu verstehen?“ ließ er meine Kinder und mich stehen.

Das Pannonische Meer ist vor 17 Millionen Jahren verschwunden. Der Rest ist ein großartiger Steppensee, auf dem man vergessen kann, dass man in einem Binnenland lebt. Die Nachteile: Die allsommerliche Mückenplage in der Dämmerung (eines Abends saugte ein Gelsen-Geschwader mein medium rare Porterhouse Steak aus). Und der sehr niedrige Wasserstand in manchen Sommern.

Doch die Burgenländer wissen sich zu helfen: Mit doppelten Insektengittern und Baggern. In einem besonders trockenen Jahr ließ ein Marina-Chef seinen Hafen komplett ausbaggern. Die dankbaren Segler waren beeindruckt, doch schon der erste Skipper, der auslaufen wollte, beschwerte sich fluchend. Sein Kielboot war in der Ausfahrt aufgesessen. Antwort des Hafenmeisters: „Wegen dir kann ich ja nicht den ganzen See ausbaggern!“

Der See birgt auch andere Kuriositäten: So war der Leuchtturm von Mörbisch einst Teil der Kulisse der benachbarten Seebühne. Nach jedem Operetten-Abend wird übrigens ein gewaltiges Feuerwerk gezündet. Viele wundern sich, weil das nahe Vogelschutzgebiet für die deutlich leiseren Segler ein verbotenes Revier ist.

2014 verpasste ein bis heute nicht gefasster Witzbold auf der elektronischen Karte von Google der Schilfinsel bei Podersdorf den Namen Sebastian-Kurz-Insel. Das aufg‘legte Wortspiel mit Witzekanzler erspare ich Ihnen aber.

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