Wir raunzen nicht, wir evaluieren

Sommerferien XI.* Alte Logbücher sind oft hilfreich. Unschätzbar wertvoll werden sie aber erst, wenn man darin einst Kindersprüche notiert hat

Wir raunzen nicht, wir evaluieren

Sonne, Halbwind mit 15 Knoten. Eine Delfinfamilie spielt mit unserer Bugwelle. Doch ab und zu werden in den Ferien selbst Kinder vom Alltag eingeholt: „Hat irgendwer die Delfine gefragt, ob sie mit ph oder mit f geschrieben werden wollen?“ Die zwölfjährige Julia war zur Jahrtausendwende von der Rechtschreibreform direkt betroffen. „Den Tunfischen ist es egal, ob wir sie mit T oder mit Th schreiben“, filosofiert… pardon: philosophiert sie. „Für die wär’s wichtiger, wir würden sie nicht essen.“

In alten Logbüchern findet sich sogar das eine oder andere versteckte Loblied auf den Segelurlaub: „Mama, ich geh‘ heute nicht schlafen. Ich will nicht aufwachen, und alles war nur ein Traum.“

Kindermund! „Dauernd muss ich meine Kabine aufräumen. Ich darf euch daran erinnern, dass ihr vor zehn Jahren ein Kind gemacht habt – und keinen Sklaven!“ Apropos Kindermachen: „Krieg‘ ich schon wieder ein Geschwisterl?“ fragt ein Erstgeborener besorgt. „Wie kommst du denn darauf?“ wundert sich sein Papa. „Weil sich die Mama dauernd den Bauch einschmiert.“

Ein anderer junger Mann wählt ein Wirtshaus, in dem nicht nur die zwölf Erwachsenen unserer Flotte mithören können, als Bühne für folgende Enthüllungsstory: „Mama hat Albträume. Sie hat in der Nacht furchtbar geschrien, obwohl der Papa eh bei ihr war.“ Jetzt werden alle sechs Frauen am Tisch rot, denn die anderen Gäste können ja nicht wissen, wer die Mutter der hinterhältigen Bestie ist.
Greta Thunberg war noch nicht geboren, da begannen unsere kleinen Monster auf sehr eigenwillige Weise, an die Umwelt zu denken. „Ich bin nicht faul, sondern im Energiesparmodus“ stammt von meinem Sohn. Dann fand ich in einem alten Logbuch diesen Frühstücksspruch: „Mama, sind das Eier von freilaufenden Bauern?“ Und diesen Dialog zwischen mir und meiner Tochter: „Warum kugelt euer Zeug in allen Ecken des Salons herum?“ – „Papa, das nennt man Mülltrennung.“

Mütter haben es mit ihren Ordnungsrufen noch viel schwerer: „Mama, du kannst ruhig weiterreden, bis dir etwas einfällt.“ Ein Tipp an alle Jungväter unter den Lesern: Verkneif‘ dir in so einem Moment das Lachen! Ab und zu darfst du eh lachen, ohne es zu bereuen. Etwa wenn dir ein Siebenjähriger, der gerade angefangen hat, Schilder zu entziffern, in einem italienischen Hafen diese Frage stellt: „Wenn die Mama Kapitän wäre, wäre sie dann Capitaneria?“

In der Sandstrandbucht Stončica auf der Insel Vis versuchten ein paar kroatische Kinder, unsere Sprösslinge zum Volleyball zu motivieren. Einer unserer Buben mischte sich sofort lautstark mit unverständlichem Gebrabbel ein. Ein kroatischer Bub fragte ungläubig: „Du sprichst Kroatisch?“ Antwort: „Nein, aber ich kann es sehr gut nachmachen.“ Und dann irritierte er die Kroaten mit der Frage: „Stimmt es, dass eure Häuser keinen Balkon, sondern einen Balkan haben?“

Auf der Promenade von Primošten fiel mein Co-Skipper einem Ehepaar um den Hals. „Jö, unsere lieben Nachbarn!“ Sein achtjähriger Sohn ließ die rührende Szene desinteressiert links liegen. „Kannst du nicht grüßen?“ mahnte sein Vater. Antwort: „Oja, aber nur nette Leute.“
Kindermund tut Wahrheit kund. Auch, wenn er sich ab und zu der Managersprache bedient: „Wir raunzen nicht, wir evaluieren.“ Oder: „Ich bin nicht neugierig, ich recherchiere.“ Oder: „Ich spinne nicht, ich bin ein Prototyp.“ Oder: „Ich zicke nicht herum. Das sind Special Effects!“ Oder: „Ich bin nicht frech, sondern verbal überlegen.“ Oder mein Lieblingsspruch, der das Wunder Familientörn auf unschlagbare Weise charakterisiert: „Ich mache keine Probleme, ich schaffe Herausforderungen.“

*Immer in den Ferienmonaten Juli und August dreht sich die ABDRIFT um das Wunder Familientörn.

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