Schätze aus der Kiste

Zack, zack! Von Eierbechern, Bändseln, Stamperln, Kluppen, Kaffee-Trichtern, G’schirrtücheln und anderen Fetzen

Schätze aus der Kiste

Als gewissenhafter Skipper pflege ich vor jedem Törn eine Schatzkiste mit lebenswichtigen Gegenständen in meine Tasche zu stopfen. Wieder einmal habe ich für alle anderen mitgedacht! Doch anstatt Huldigungen einzuheimsen, muss ich mir jedes Mal die Frage gefallen lassen: „Wieso ist deine Tasche so schwer?“ Fünf Minuten später: „Wird das eine Atlantik-Überquerung?“ Nein, zum Henker, wird es nicht! „Und wennst nochamal so deppat fragst, kannst nächstes Jahr am Schlossteich von Laxenburg mim Tretboot ummadumgurken!“

Solche Dialoge beeinträchtigen die Bord-Harmonie. Darum habe ich mir angewöhnt, alle Fragen ohne Worte, nur mit Taten zu beantworten:

„Gibt’s auf dem Schiff keine Bändsel?“ Zack, zack … Bändsel flugs ausgehändigt.

„Wo ist das G’schirrspülmittel?“ Zack, zack … Spüli liegt schon in der Abwasch.

„Hast du vielleicht G’schirrtücheln gesehen?“ Zack, zack … Fetzen fliegen durch den Salon.

„Sind Kaffeefilter an Bord?“ … Fünf Minuten später: „Müssen wir uns den Kaffee-Trichter wieder aus einer leeren Wasserflasche schnitzen?“ Zack, zack …

„Hat jemand einen Leatherman?“ … „Hat jemand ein Pflaster?“ Zack, zack …

„Gibt’s auf dieser sogenannten Yacht nicht einmal Eierbecher?“ ...

„Wo sind die Kluppen?“ … Fünf Minuten später eine ganz ähnliche Frage, weil unser norddeutscher Mitsegler auch nach 46 Jahren in Wien nur rudimentär Deutsch versteht: „Habt ihr irgendwo Wäscheklammern gesehen?“ Zack, zack … Sackerl mit der Aufschrift KLUPPEN übergeben. Sein rätselnder Blick ist unbezahlbar.

„Ist dieses zerfledderte Hafenhandbuch noch aktuell?“ … „Kann mir jemand von euch einen 12-Volt-Stecker borgen?“ … „Gibt’s hier nicht einmal eine Taschenlampe?“ Fünf Minuten später: „Haben wir Batterien?“ … Zack, zack. „Wir“ nicht. Aber ich.

„Haben wir auch ein Fernglas, mit dem man etwas sehen kann?“ … „Hat wer einen Umlenkblock mit?“ … „Schnaps-Stamperln wären ein Hit!“ … „Schraubenzieher?“ … „Ersatz-Schäkel? … „Gelsenstecker? … „Decklicht?“ … „Korkenzieher?“ Fünf Stunden später: „Hat wer was gegen Sodbrennen?“ Zack, zack …

All diese gefragten Dinge blitzschnell und wortlos auszuhändigen, ist durchaus befriedigend und stärkt das skipperliche Selbstwertgefühl. Das tun übrigens auch Antworten wie: „Du, das Fernglas ist eh ganz okay. Noch besser funktioniert es aber, wenn du die Schutzkappen runternimmst …“

Die Schatzkiste hat aber leider einen Haken: Nimmst du Eierbecher mit, sind eh welche an Bord. Nimmst du keine Eierbecher mit, sind natürlich keine an Bord. Offenbar ein eisernes Charterboot-Gesetz. Es gilt für alle oben erwähnten Gegenstände. Zusätzlich für Topflappen, scharfe Messer, Dreifachstecker, Feuerzeuge, Salzstreuer, Thermosflasche, Alufolie, Küchenrollen, womöglich fürs Klopapier und im schlimmsten Fall für ordentliche Weingläser.

Selbst ein Anruf beim Stützpunkt wäre nutzlos: Die Basis-Crew, die Reling-Stützen geradebiegt, im Masttopp Blöcke klariert, dort oben den Verklicker neu justiert, den Ankerkasten verschweißt oder das Großsegel flickt, interessiert sich für die Bestecklade ungefähr so brennend wie ein Paragleiter für Schwimmflossen. Somit würdest du mit so einem Anruf deinen Ruf als Skipper demolieren, noch bevor du daheim ins Auto steigst: „Vorsicht, ein pedantischer Dilettant ist im Anrollen!“

Daher ein ehrlicher und gut gemeinter Rat: Nimm alles mit, was rein theoretisch nicht an Bord sein könnte. Solltest du per Flugzeug kommen: Zahl fürs Übergepäck! Oder lass gleich all jene unzähligen Wäschestücke zu Haus, die du normalerweise sowieso unbenützt zurückbringst. Denn wenn mich einer fragt, warum ich die Gift-Plättchen für die Gelsen-Stecker vergessen habe, kann es passieren, dass er … zack, zack … über Bord geht.

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