Des Seglers Fluch

Experte sein ist schön und gut. Aber es gibt Schattenseiten. Die größte: Man kennt sich aus. Genauer gesagt: Man kennt sich so gut aus, dass man gar nicht mehr anders kann als sich auskennen. Das Expertentum ist habituell verankert. Es läuft ständig mit, mischt sich in alltägliche Situationen ein und ist überhaupt nicht hilfreich.
Ein Beispiel. Die simple Frage „Ist es heute windig?“ beantworten normale Menschen mit ja oder nein. Ich hingegen, der bereits halb-automatisch Windrichtung und durchschnittliche Stärke registriert hat, gebe – Wetter-Apps sind schließlich nicht zur Dekoration am Handy – eine fundierte Drei-Tages-Prognose ab. Die Reaktion meiner Umwelt: verstört.
Am schlimmsten ist der seglerische Expertenhabitus im Kino. Sobald es aufs Wasser geht, bin ich erledigt. Fluch der Karibik, Der Sturm, Master und Commander, All is Lost – die Liste der einschlägigen Filme auf meinem Index ist lang. Ich zucke zusammen, wenn in der gleichen Sequenz beim nächsten Schnitt die Sonne auf einmal anders steht. Es hält mich kaum mehr im Sessel, wenn in einer Zwei-Minuten-Episode die Windstärke je nach Kameraperspektive viermal zwischen Flaute und zwölf Knoten variiert. Ich bekomme Zustände, wenn der nachts über Bord gegangene Protagonist bei mächtigem Seegang und 50 Knoten Wind mittels Handscheinwerfer nicht nur gefunden, sondern das Boot auch noch so positioniert wird, dass ihn eine gütige Welle schwuppdiwupp wieder an Bord spült. Und so weiter und so fort …
Ich weiß schon, die filmischen Zwänge. Aber ich kann nicht anders. Was also tun? Strategie 1: Abstumpfen. Habe ich probiert. Funktioniert nicht, ES meldet sich automatisch. Strategie 2: Fundamentalopposition. War lange Zeit mein Zugang. Führte leider dazu, dass ich interessante Werke wie zum Beispiel „Das Boot“ nicht gesehen habe. Strategie 3: Anspruchsvolles Fegefeuer. Zumindest die wirklich guten Filme anschauen und mein Leiden als Buße für die eigenen bösen Taten am Wasser verstehen. Meine derzeitige Wahl …

Weitere Artikel aus diesem Ressort

Ressort Kreuzpeilung
Nach den olympischen Segelbewerben in Marseille ein weiteres Highlight: der America’s Cup vor Barcelona. Zum Zeitpunkt der Drucklegung war gerade die viertägige Proberegatta mit einem Sieg des Titelverteidigers Emirates Team New Zealand über Luna Rossa Prada Pirelli abgeschlossen. Alle Wettfahrten waren live und on-demand auf YouTube verfügbar. Auf dieser Basis drei Beobachtungen und eine Prognose.









 

Faktor Mensch

Ressort Kreuzpeilung
Yachtclubs in Österreich hatten es gut. Direkt am Wasser auf guten bis sehr guten Plätzen, stabile bis wachsende Mitgliederzahlen, Nachwuchs fast automatisch aus den eigenen Reihen. Eine Erfolgsstory?









 

Festung oder Offenheit?

Ressort Kreuzpeilung
Szene 1: OeSV-Generalversammlung im BLZ Neusiedl; die Spitzen der österreichischen Segelclubs schaffen am Vereinstag wichtige formale Rahmenbedingungen. Adjustierung der Männer: kaum Blazer, eine einzige Krawatte. Szene 2: Generalversammlung des Europäischen Segelverbands in Ungarn; Vertretungspersonen der nationalen Segelverbände besprechen die Zukunft des Segelsports in Europa. Adjustierung der Männer: vereinzelt Blazer, vereinzelt Krawatte.









 

O tempora, o mores?

Ressort Kreuzpeilung
Wer kennt sie nicht, die Klagen über den Nachwuchs, der sich grottenolmig viereckige Augen heranzüchtet durch ständiges Online-Sein? Häufig dann der Ratschlag: „Mach doch mehr Sport!“ Aber Achtung, aufgepasst! Diese gut gemeinte Ermutigung kann zukünftig vom Regen in die Traufe führen. Warum? eSports ist massiv auf dem Vormarsch.









 

Couch Potato

Ressort Kreuzpeilung
Der sanft fallende Schnee dämpft die Geräusche von der Straße. Eine Tasse dampfenden Chai Latte – mann entwickelt sich – und ein Buch in der Hand, Vanillekipferl vor mir, Herz, was willst du advent-abendlich mehr.









 

Tiefe Gräben

Ressort Kreuzpeilung
Jahreskonferenz von World Sailing (WS) im spanischen Malaga. An die 300 Personen versammeln sich im November, um über verschiedenste Aspekte des Segelsports zu diskutieren. Das Themenspektrum ist breit. Es reicht von mittels 3D-Scanner durchgeführter Vermessung der Foils bei Nacras mit Herstellungstoleranzen im 0,2-mm-Bereich über Debatten zur WS Olympic Vision bis hin zur vom ukrainischen Segelverband aufgeworfenen Frage, ob man das russische Pendant nicht eigentlich wegen seiner als illegal angesehenen Segelaktivitäten auf der besetzten Krim aus WS ausschließen müsste.









 

Geist der Regeln