Fluch der Karibik
Zum zehnjährigen Jubiläum wurde die Langstreckenregatta Caribbean 600 ihrem großen Vorbild Fastnet mehr als gerecht
Champagne Sailing. So nennen englischsprachige Yachties die typischen Bedingungen in der Passatzone: konstante Brise – nicht zu stark, nicht zu schwach – Sonnenschein, blauer Himmel, angenehme Temperaturen. In der Karibik kommt als Tüpfelchen auf dem i noch eine traumhafte tropische Kulisse dazu.
Unter diesen Voraussetzungen findet seit zehn Jahren Ende Februar die größte Langstreckenregatta der Karibik statt, die Caribbean 600. Ein meist schnelles Rennen über 600 Seemeilen mit vielen Halbwindkursen und einer abwechslungsreichen Streckenführung rund um elf atemberaubend schöne Inseln. Besser kann man den Winter nicht abkürzen – also buche ich mich bei der Godspeed Sail Racing Academy von Peter Steinkogler ein, die mit ihrer X-41 Godspeed den karibischen Regatta-Zirkus absolviert.
Dass der Champagner bei der Jubiläumsauflage der Caribbean 600 wohl im Regal bleiben würde, schwant mir schon Wochen vor dem Abflug nach Antigua. Beim Studieren der Wetterdaten und -prognosen stelle ich nämlich fest, dass die sogenannten Christmas Winds, die wie üblich vor dem Jahreswechsel eingesetzt haben, immer noch mit Vehemenz blasen; für den Zeitraum der Regatta verfärbt sich die Wetterkarte sogar blutrot.
Das Skipper-Briefing zwei Tage vor dem Start bestätigt meine Vorahnungen. Niemand geringerer als Wouter Verbraak, Meteorologe, Chef von Sevenstar Racing Yacht Logistic und den meisten als Navigator des 2015 auf ein Riff gelaufenen Volvo Ocean Racers Vestas Wind bekannt, erklärt die Wettersituation so: „Ein Hochdruckgebiet über dem Nordwestatlantik drückt auf die Passatzone und erhöht die Windgeschwindigkeit, dazu führt eine Troglage vor allem in den ersten Tagen zu starken Gewittern, in denen Böen bis 30 Knoten zu erwarten sind. Die Wellenhöhe ist signifikant mit bis zu drei Metern.“
Da diese Prognose doch einigen die Sorgenfalten auf die Stirn treibt, versucht es Verbraak, der auf Grund einer Skiverletzung selbst nicht teilnehmen kann, mit einer kleinen Auflockerung: „Zwei Tipps zum Abschluss: Versucht nicht, mit 13-jährigen norwegischen Skifahrern mit zu halten und vergesst nicht, bei der Navigation mit elektronischen Karten immer wieder hinein zu zoomen!“
Die anschließende perfekt organisierte Willkommensparty des RORC mit heißen Rhythmen, coolen Drinks und lokalen Köstlichkeiten sorgen darüber hinaus dafür, dass die Teilnehmer auf andere Gedanken kommen.
Den letzten Tag verbringen wir – eine bunt zusammengewürfelte Truppe aus Seglern mit unterschiedlichstem Background und Erfahrungsschatz – mit diversen Last-Minute-Reparaturen, der Erstellung eines genauen Passage-Plans und dem Ausräumen des Schiffs. Das Training beschränkt Skipper Philipp Stampfl auf das Notwendigste – Wenden, Halsen, Ein- und Ausreffen. Wäre doch zu blöd, wenn wir schon vor dem Start etwas ruinieren oder sich jemand verletzen würde.
Déjà-vu
Apropos Start. Er findet um 11 Uhr statt und liefert uns einen Vorgeschmack auf die bevorstehenden 600 Meilen. Der Himmel ist wolkenverhangen, gar nicht karibisch, der sehr böige, drehende Wind wird durch die steilen Kalkstein-Klippen bei English Harbour zusätzlich beschleunigt. „Unglaublich, das Wetter ist exakt so wie vor zehn Jahren, bei der ersten Caribbean 600“, erinnert sich RORC-Geschäftsführer Eddie Warden Owen. Damals gingen 24 Yachten an den Start, heute sind es 84 – so viele wie nie zuvor.
Wie andere auch gehen wir auf Nummer sicher und starten im zweiten Reff. Noch in der Vorstartphase bricht die Fockschot mit einem lauten Knall. Der Schaden ist zwar schnell behoben, aber in mir beginnen Zweifel zu nagen: Sind Mensch und Material den herrschenden Bedingungen wirklich gewachsen?
Nur 15 Minuten nach dem Start fährt die Flotte in die erste Gewitterwolke.