Jenseits der Bloßfüßigen

Heute ein heikles Thema: Fuß. Keine Angst, es geht nicht um Fetischisten, sondern: Wie sind wir als Segler geerdet oder ‚gebootet’? Eine kleine Typologie fasst langjährige Beobachtungen zusammen.

Bloßfüßige
Gleichsam die Urform. Zeigen, was sie haben: krumme oder gerade Zehen, zierlich oder Schuhgröße 46, schmal oder breit. Gegen Ende des Sommers meist mit beachtlicher Hornhaut. Schulmeisterliche Hinweise auf zehenbrechende Gefahren wie Klampen an Bord oder Glassplitter prallen an Natur-pur-Einstellungen ab. Oft symbolträchtiger Kontrast zum Alltag. In domestizierter Normalform als ‚Teilzeit-Bloßfüßige’ unbedenklich, da situativ angepasst. Eigene Erfahrung: drei Sommermonate totale Schuhabstinenz, interessantes Gefühl, mütterliche Ohnmachtsanfälle ob barfüßigen Kirchenbesuchs, sensibilisiert für Unterschiede von sonst unbeachteten Böden; beim Segeln für mich zu stressig, da geborener ‚Kümmerer’ mit ständiger Angst vor Verletzung.

Modische
Brauchen jedenfalls etwas am Fuß, da ansonsten ‚unvollständig’. Spektrum reicht von zarten Flip-Flops über Bootsschuhe bis zu verschiedenen Bootsstiefeln. Funktionalität ist allenfalls Randbedingung, im Vordergrund steht das angestrebte Gesamtkunstwert der eigenen Erscheinung bei Preisverteilung, Steggeplauder oder Ausfahrt. Erfordert neben praller Geldbörse Stilsicherheit und Bereitschaft zum mehrfachen täglichen Schuhwechsel. Früher etwas eintönig, heute breites Angebot: Alleine für Herren bietet der Katalog eines großen Segelversandhauses 101 Typen von nautischem Schuhwerk, Neopren-Schuhe nicht eingerechnet. Eigene Erfahrung: keine.

Funktionale
Bei ihnen gilt: Je nach Anforderungen der geeignete Schuh, Funktionalität über alles, Aussehen zweitrangig. Kommen üblicherweise mit vier Arten von Schuhen aus: Land normal, z. B. Straßenschuh; Land heiß, etwa bloßfüßig oder mit Schlapfen; Segeln Standard, unterschiedlich, schwankt üblicherweise je nach Bootstyp zwischen Neopren-Füßlingen und Segelschuhen; Segeln/Land Schwerwetter: meist Bootsstiefel. Eigene Erfahrung: reichlich.

Cross-Overianer/innen
Unbeeindruckt von segelspezifischen Entwicklungen, sorgen via Transformation eines für andere Zwecke optimierten Schuhwerks in den maritimen Bereich für die Integration sonst getrennter Lebensbereiche. Bekannteste Vertreter: sonntägliche Clubgäste, die sich mit glatten Ledersohlen inklusive Messingplatten an Schuhspitzen und Absatz auf die Reise vom Vordeck ins Cockpit begeben, idealerweise bei feuchtem Deck; Sparmeister mit grünen Gartenstiefeln, deren grobe Stollen zwar nicht an Deck, aber jedenfalls bei Kenterung im Neusiedlersee-Schlamm optimalen Halt verleihen. Eigene Erfahrung: langjähriger Birkenstock-Schlapfen-Träger an Bord mit Mut zu kontrolliertem Risiko und dezenter Provokation.

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