Normal abnormal

Advent als Zeit der Besinnung schön und gut, aber so Lockdown-zwangsbesinnlich brauche ich es auch wieder nicht. Augen bereits ziemlich viereckig vor lauter zusätzlichen Bildschirmkonversationen (‚covido ergo zoom‘, wie es ein Reddit Meme nicht ganz unwitzig auf den Punkt brachte), das Homeoffice als Schnittpunkt ineinanderfließender Lebenswelten. Die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) rät uns u.a.: „Essen Sie gut und trinken Sie ausreichend.“ Wenigstens etwas. So ermutigt, pfeif ich auf den abendlichen Tee. Da hast du was falsch verstanden, höre ich die verinnerlichte Stimme der besten aller Ehefrauen, aber sei’s drum: Whiskey-Glas raus, zwei Finger Redwood Single Malt vom Pfanner rein, dazu handgeschöpfte Styx-Schoko Marillenbrand-Ganache.

Auf einmal von der Terrasse her verdächtiges Keuchen. Ein Blick zeigt: Das Weihnachtsengerl hat sich seinen Besuch ungeachtet der Ausgangsbeschränkungen nicht nehmen lassen. Aber wie es aussieht! Der Himmlische, fast vollständig verdeckt durch eine FFP2 Maske, scheint seine Flügerln verloren zu haben. Meinem fragenden Blick begegnet der Gefiederte fast unwirsch: „Corona-Erlass von Petrus. Allen Engerln wurden die Flügel gestutzt, damit sie keine Aerosole verteilen können.“

Ich bitte den Götterboten trotzdem herein und wir kommen ins Gespräch. Er scheint besorgt: „Neuer World-Sailing-Präsident aus China, den kaum einer wirklich kennt; Olympische Spiele ein Jahr später als geplant mit viel schlechteren Vorbereitungsmöglichkeiten für euch Binnenländer; Clubs, die ihrer Aufgabe als soziale Drehscheibe kaum mehr nachkommen können; eine weitere Chartersaison, die wenigstens im ersten Halbjahr ordentlich wackelt. Soll ich fortfahren?“ Betreten schüttle ich den Kopf: „Ich dachte, ihr da oben seid auch für Hoffnung zuständig?“ – „Ja eh, aber was weiß man schon als kleines Engerl?“ Er schien sich etwas beruhigt zu haben. „Sei es wie es sei, wenigstens kann ich dir wie jedes Jahr den Gruß der Himmlischen an die p.t. Leser/innenschaft und deren Wunsch nach der obligaten Handbreit Wasser unterm Kiel übermitteln.“ Sprach’s, deutete eine Corona-kompatible Ghettofaust an und verschwand im Dunkel der Nacht. Grüße und Wunsch gebe ich wie jedes Jahr gerne – und etwas nachdenklicher als sonst – weiter.

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Am 9. April war Lostag für den Segelsport bei Olympia. Das IOC verkündete auf einer live übertragenen Pressekonferenz die für 2028 gültigen Zahlen in Sachen Teilnehmende und Medaillen. Bereits im Vorfeld war Segeln klarer Wackelkandidat: teuer durch Unterbringung der Boote und der Abwicklung der Wettkämpfe, relativ geringes Publikumsinteresse außerhalb der Nationen mit unmittelbaren Medaillenchancen und schwer durchschaubare Formate und Abläufe. Entsprechend groß dann das Aufatmen: keine Veränderung. Auch in Los Angeles 2028 werden so wie in Marseille insgesamt je 165 Frauen und Männer in 10 Events (‚Klassen‘) um Medaillen segeln. Alles paletti?









 

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Yachtclubs in Österreich hatten es gut. Direkt am Wasser auf guten bis sehr guten Plätzen, stabile bis wachsende Mitgliederzahlen, Nachwuchs fast automatisch aus den eigenen Reihen. Eine Erfolgsstory?









 

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