Oscar Kollisionsverhütungssystem

Mit Know-how aus der Autoindustrie entwickelte ein Linzer Unternehmen ein intelligentes Kollisionsverhütungssystem, das der erste Schritt Richtung Autonomes Navigieren sein könnte. Verena Diethelm hat es am Attersee ausprobiert

Oscar Kollisionsverhütungssystem

Am Attersee gibt es weder Wale noch treibende Container. Aber jede Menge anderer Hindernisse. Bojen, Fischerzillen, Segelboote, Schwimmer oder Paddler zum Beispiel. Ein Zusammenstoß damit kann böse enden. Dennoch steuern wir mit unserem zu einer Teststation umgebauten RIB genau solche Hindernisse gezielt an und starren dabei auf den Bildschirm eines Laptops.

Zu sehen ist das in Grautönen gehaltene Bild einer Thermalkamera. Plötzlich wird eine dunkelgraue Schattierung, die sich in 330 Meter Entfernung befindet, mit einem Rahmen markiert und zunächst als "unbekanntes Objekt" bezeichnet. Einige Sekunden später ändert sich die Bezeichnung für den blauen Kanister auf "Boje" – korrekt. Das Segelboot, mit dem wir uns auf Kollisionskurs befinden, wird sofort als solches erkannt; der Computer schlägt ein Ausweichmanöver von 22 Grad nach Steuerbord vor. Mit einem Tastendruck bestätigen wir die Kursänderung und schon weicht unser Boot automatisch aus. Kursänderung beendet, meldet Oscar, wie sich das Kollisionsverhütungssystem nennt, zurück und bezieht das Ausweichmanöver gleich in die laufenden Berechnungen ein. Hätte die Kurskorrektur nicht ausgereicht, würde das System ein weiteres Manöver vorschlagen. Vom technischen Standpunkt her wäre Oscar auch in der Lage, das Ausweichmanöver vollautomatisch durchzuführen. Im Freizeitbereich ist dies aus Haftungsgründen jedoch nicht erwünscht.

Als ersten Schritt in Richtung „Autonomes Navigieren“ sehen die Entwickler von Oscar ihr Kollisionsverhütungssystem, das mit Hilfe mehrerer Kameras und einem auf künstlicher Intelligenz basierendem Algorithmus Objekte automatisch erkennen kann. Oscar soll auf Gefahren hinweisen, bei denen herkömmliche Verfahren wie Radar, AIS und Sonar an ihre Grenzen stoßen. Radar kann nur elektrisch leitfähige Objekte orten, AIS setzt einen Sender voraus, Sonar ist von der Meerestiefe abhängig und nur bei geringen Geschwindigkeiten verlässlich. Container, Wale, Baumstämme und anderes Treibgut werden mit diesen Verfahren gewöhnlich erst sichtbar, wenn es zu spät ist.

Die Idee für diesen komplett neuen Ansatz in der Kollisionsverhütung stammt vom Franzosen Raphael Biancale. Der Motorsport-Fan ließ sich 2013 von der Abenteuerlust seines Vaters anstecken, der gerade einen Katamaran erstanden hatte und von Südfrankreich in die Karibik segeln wollte. Weder Vater noch Sohn besaßen Segelerfahrung und so kam es speziell zu Beginn der sechsmonatigen Reise immer wieder zu gefährlichen Situationen und Beinahe-Kollisionen, erzählt Biancale offen und ganz ohne Eitelkeit.

Besonders die langen Nachtwachen sind dem 38-Jährigen in einprägsamer Erinnerung. „Es war finster, kalt und nass. Ich wäre viel lieber mit einem guten Buch in der Koje gelegen“, gibt Biancale, der Mathematik und Physik in Frankreich sowie Kraftfahrzeugbau in München studierte, unumwunden zu. Nach sechs Monaten auf See kehrte Biancale in seine Wahlheimat Oberösterreich zurück und stürzte sich gleich ins nächste Abenteuer. Seine Recherchen hatten ergeben, dass es auf See derzeit keine zuverlässigere Lösung gibt, als sich bei jedem Wetter die Nächte um die Ohren zu schlagen – daher begann er, ein eigenes System zu entwickeln.

Augen und Gehirn

Inspirieren ließ sich der Ingenieur, der seit mehr als zehn Jahren in der Autoindustrie arbeitet und auch Simulationsmodelle für Antriebskomponenten anbietet, von Technologien, die beim Auto unter dem Schlagwort "Autonomes Fahren" zum Einsatz kommen.

Oscar besteht aus zwei Einheiten: Am Mast befindet sich ein Kameramodul, das aus zwei Thermalkameras und einer RGB-Kamera besteht, unter Deck ein Computer, der die empfangenen Daten in Echtzeit auswertet und mit Hilfe einer selbstlernenden Bilderkennungssoftware analysiert. Die beiden Thermalkameras decken einen Bereich von 52 Grad und die RGB-Kamera einen Bereich von 120 Grad ab.

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