Zeitloser Glanz
Geschichtsträchtig. Der Drachen Diamant war der erste seiner Klasse, der ins österreichische Yachtregister eingetragen wurde, und befindet sich nach wie vor in Besitz einer Juweliersfamilie. Anlässlich seines 70. Geburtstags begab sich Judith Duller-Mayrhofer auf Spurensuche an den Attersee
Ein Segelboot kann allerlei sein – Sportgerät, schwimmendes Heim, Badeinsel, Prestigeobjekt, Transportmittel. Der Drachen Diamant ist weit mehr als das. Er ist Teil einer Familie. Und das ist nicht nur so dahingesagt, sondern wird im Gespräch mit seiner Eignerin Katharina Sturzeis auf anrührende Weise spürbar.
Gekauft hat ihn ihr Großvater, Hans Heldwein, Spross der gleichnamigen, höchst angesehenen Wiener Juweliersdynastie, die einst das Kaiserhaus belieferte. Man schrieb das Jahr 1954, das Boot war damals gerade mal ein Jahr alt und primär für Sohn Karl-Hans sowie als Eintrittskarte in den noblen UYC Attersee gedacht. Es stammte aus der legendären Werft Abeking & Rasmussen, gehörte einem Orthopäden aus Kiel und galt als besonders leichtes und schnelles „Spitzenrennboot“. Für 4.900 D-Mark wechselte der Drachen den Besitzer und damit von der kühlen Ostsee an den lieblichen Attersee. Mit der Abwicklung von Reise und Zollformalitäten wurde ein Transportunternehmen beauftragt, bei der Nationalbank eigens eine Bewilligung für die Finanztransaktion im Ausland eingeholt. Am 10. April 1954 kam das Boot in Wels an. „Segelboot eingetroffen erwarten Weisungen“, telegrafierte die Spedition Englmayer daraufhin an Karl-Hans Heldwein in die Hauptstadt. In Folge wurde der Drachen per Bahn nach Seewalchen gebracht, dort zu Wasser gelassen, vom Bootsbauer Hannes Haitzinger nach Attersee überstellt und schließlich im UYCAs an eine Boje gelegt. Ein Name war schnell gefunden: Diamant sollte das schwimmende Schmuckstück heißen; wie passend für eine Familie, deren Geschicke sich seit Jahrhunderten um edle Steine drehen. Der Diamant wurde als erster österreichischer Drachen in das Yachtregister des Segelverbands eingetragen und erhielt damit die Nummer OE 1. Sie prangte stolz auf jenem baumwollenen Großsegel, das man vom Erstbesitzer miterworben hatte.
Gemeinsame Zeit am Wasser
Als die kleine Katharina im April 1960 zur Welt kam, war der Diamant längst fixer Bestandteil des Heldweinschen Freizeitvergnügens. Die Erstgeborene – ein Bruder und eine Schwester sollten noch folgen – wurde in der Tragtasche ins sichere, trockene und beschattete Vorschiff gestellt und war so bereits mit zwei Monaten bei jedem Segelausflug dabei. „Lee ist, wo die Kinder liegen“, pflegte der Herr Papa, der stets in korrekter Kleidung, sprich mit weißem Hemd, Blazer und Kapitänsmütze an Bord ging, zu sagen, wenn er bei Rosenwind für den ersten Schlag das Trafo-Häuschen am gegenüberliegenden Ufer ansteuerte. Als die Geschwister größer wurden, lernten sie auf dem Diamant das Segeln. Pinne fest in die Hand nehmen, einen Punkt an Land suchen und konsequent darauf zu halten, lautete die Anweisung an die Sprösslinge. Der Vorwindkurs war stets mit Badespaß verbunden. „Der Papa hat die Fock eingerollt, damit wir nicht zu schnell wurden, und dann das Bade-Tau ausgebracht, an dem wir uns nachziehen lassen durften“, erinnert sich Katharina Sturzeis an die Freuden ihrer Kindheit.