Air Suzette

Der 14. Wharram Wanderbrief, verfasst auf dem Weg nach Wien

Und das verdanken wir Madame Suzette ... Der Hemingway Ernest hat uns bleibend Wertvolles hinterlassen: Hoch wirksame Getränkerezepte, jahrzehntelang haltbare Lokaltipps - und die endgültige Benimmregel für Aktivurlaube bei spanischen Guerillakämpfern: "Give the men tobacco and leave the women alone."

Lang her, irgendwie: Heutzutage verordnet der Gesundheitsminister selbst in verschwiegenen Bar-Hinterzimmern strengstes Rauchverbot. Und sobald der/die ambitionierte AnarchistIn SätzInnen wie den/die obige/n korrekt gender-mainstreamt, wird sein/Ihr LebIn sowieso sinnlos. Wohl auch deshalb haben Anarching und Untergrundkämpfing EU-weit ihre Bedeutung als Trendsportarten eingebüßt.

Neue Zeiten, neue Regeln. Zum Beispiel der endgültige Survivaltipp für Bootseigner in der Karibik. Hier kommt er schon: "Glaub den Männern kein Wort und schick ihnen die Chefin auf den Hals."

Weil tragende Säulen sind und bleiben weiblich. Auch und ganz speziell im Geschäftsbetrieb karibischer Unernehmungen: In so gut wie jeder erfolgreichen Firma des karibischen Raumes findet sich irgendwo im Büro eine Ehrfurcht gebietende Muttergestalt. Meist ist sie, gemessen an ihrem Lebendgewicht, etwas untergroß. Stets hat sie, auch wenn sie nicht der offizielle Geschäftsführer ist, alle Fäden des Tagesgeschäftes in der Hand. Immer verbindet sie goldenen Humor und ausgesprochenem Charme mit dem Impact eines Caterpillars ohne Rückwärtsgang. Und sobald sie ausführenden Kräften Handlungsanweisungen gibt, akzeptiert sie jede Antwort - vorausgesetzt sie lautet "Yes, madam!"

Das Büro der LIAT auf der streikgeplagten Insel Guadeloupe ruht auf einer solchen Säule. Sie heißt Suzette und wäre ich ihr nicht begegnet, dann sitzert ich jetzt nicht hier in der Stiftgasse, sondern ziemlich in der Tinte.

Die LIAT! Könnten Autobusse schwimmen, wäre die LIAT wahrscheinlich als Busunternehmen zur Welt gekommen. Können sie aber nicht, also ist LIAT eine Airline mit einer Flotte von handlichen Fliegern, die täglich von Karibikinsel zu Karibikinsel hüpfen und selbst so entlegene Flecken wie Union Island und Tobago so regelmäßig und verlässlich verbinden wie unser Postbus Flattach und Heiligenblut. Bitte, das war jetzt die Theorie und wie üblich ist die Praxis ein bissel komplexer, besonders, wenn die französischen Antillen über Wochen generalbestreikt werden.

Ich muss einen Monat Auszeit vom Segeln nehmen, habe die Mother Ocean in der Bas Terre-Marina an vier Murings gehängt und einen LIAT-Flug von Guadeloupe nach Grenada gebucht, für Dienstag Abend vorsichtshalber, weil Mittwoch um 1540h Ortszeit startet in Grenada die Condor nach Frankfurt.

Um drei war ich am Airport, um halber vier eingecheckt und um vier durch die Security. Um fünfe wurde ich dann ans Gate gerufen, wo man mir mitteilte, dass der Flieger leider nicht um sechse starten wird, sondern ersatzlos gecancelt ist: Um sechse starten geht nämlich net, weil da sperrt der Airport aus Sicherheitsgründen zu. Na bumm.

Dass man dann sämtliche Opfer der Absage auf LIAT-Kosten in ein nettes Hotel mit Pool und Strand verfrachtet hat, ist fein. Bitte, die Oliven im Abendsalat waren ein bisserl salzig, aber sonst - nein, wirklich, tadellos. Doch während ich von echtem Porzellan dinierte und danach erstmals seit drei Monaten in einem richtig gefederten Bett schlafen ging, hat doch eine offen gebliebene Frage ein bisserl an mir genagt, nämlich ob ich morgen, zum Geier, die Condor schaffen werde. Die fliegt nämlich nur einmal die Woche von Grenada nach Frankfurt. Und des Abends am Airport hatte uns niemand sagen können, wie es weitergeht. Am Morgen holte uns ein Taxi ab, und dann standen wir wieder in der Abflughalle herum wie bestellt und net abgeholt und die Uhrzeiger tickten unaufhaltsam vorwärts und irgendwie wurden meine Hände immer feuchter.

In guten Hollywoodfilmen würde an dieser Stelle gleißendes Gegenlicht die Leinwand erfüllen und in einem Türrahmen würde sich eine Silhouette abzeichnen und die Musik täte auch ein bisserl aufrauschen. Und das wäre der verdiente Auftritt für Madame Suzette, die örtliche Managerin der Airline LIAT in Guadeloupe.

Die Realität war bisserl undramatischer, aber immer noch denkwürdig: Durch die Glasscheibe des Liat-Buchungsschalters durften wir zusehen und zuhören, wie Madame Suzette, bewaffnet mit nichts als einem Achtelkilo Telefon und einer geschätzten Megatonne Persönlichkeit, über den Flugbetrieb der karibischen Inselkette und wesentlicher Teile der EU hereinbrach. Falls jemand denkt, "Das geht nicht!" ist ein zulässiger Teil des geschäftlichen Alltagsvokabulars: Trennen Sie sich von der Vorstellung, wenn Sie mit Hurrikan Suzette telefonieren.

Was soll ich sagen? Nach knapp 30 Minuten hatten sämtliche Cancellation Victims ihre Bordkarte in der Tasche. Meine galt für einen Air Caraibe-Flug nach Paris. Und wer sich mal Zeit nimmt, das Kleingedruckte auf der Rückseite seines Flugtickets zu studieren, wird draufkommen, dass LIAT dazu aber wirklich nicht verpflichtet war: Streik zählt nämlich zu den Absagegründen, die eine Airline zu keinerlei Ersatz verpflichten.

Was lernen wir daraus? Wer in der Karibik segelt, wird auf Hindernisse stoßen. Die wirklich lästigen bestehen nicht aus hartem Korallengestein, sondern aus zachem Schlampertatsch: Termine, die Vorschlagscharakter haben, Ersatzteile, die unter Zollverschluss verrotten, Fähren, die nicht ablegen, Flieger, die nicht. -seufz. Gwöhnts Euch dran, Weissbrote. Aber wenn wirklich was anzubrennen droht: Glaub den Männern kein Wort und schick ihnen die Chefin auf den Hals.

Thank you, LIAT. Merci beaucoup, Madame Suzette. Und bis demnächst in Guadeloupe.

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