Einäugig

Das allgemeine Urteil ist klar: Francesco Schettino von der Costa Concordia ist ‚Captain Coward‘, der in geheimnisumwitterter Gesellschaft einer nicht auf der Passagierliste geführten Blondine leichtsinnig und mit Imponiergehabe sein Schiff auf Grund gesetzt, sich bei der Rettung skandalös verhalten und das Leben von wenigstens 13 Menschen beendet hat.
Die Wahrheit ist – wie immer – komplizierter. Denn: Die alleinige Fokussierung auf den Einzelnen ist zwar verständlich, aber falsch. Verhalten ist immer ein Zusammenspiel von Person und Kontext. Damit kommen wir zu bisher in dieser Causa nicht gestellten Fragen jenseits der Person. Eine kleine Auswahl:
n Wer verantwortet den Auswahlmechanismus für diese Stelle und die konkrete Beförderung? Wenn es denn ein so ungeeigneter Kapitän ist: Wer hat ihn empfohlen, warum hat etwa Mario Palombo, ein früherer Vorgesetzter des Kapitäns, seine Kritik an dessen Eignung nicht schon früher geäußert?
n Wer formuliert die ‚standard operating procedures‘ bei der Rettung? Es kann ja nicht sein, dass ein geordnetes Verlassen des Bootes von einer einzigen (!) Person abhängig ist. Was wäre denn bei einer schwerwiegenden Verletzung des Kapitäns gewesen? Wo bleibt die Diskussion über das Verhalten der übrigen Offiziere und über die Prozeduren insgesamt?
n Wer nährt die allgemein geteilte Illusion, ein solches Schiff wäre im Notfall überhaupt geordnet evakuierbar? Ich habe mich bei jedem Aufenthalt auf einer Fähre gefragt, ob die sichtbaren Rettungsmittel jenseits der Symbolik und der Eignung für eine kleine Gruppe von Personen irgendetwas bringen. Rettungsboote lassen sich bei starker Krängung nicht mehr zu Wasser lassen – welche Überraschung! Wenn selbst in einem ‚idealen Fall‘ – relativ ruhige See, unmittelbare Nähe zur Küste – das Ganze nicht funktioniert, wie soll es dann erst unter schwierigeren Bedingungen klappen?
Kapitäne haben Verantwortung für ihr Schiff, die Besatzung und die Passagiere. Aber nicht alleine.

Weitere Artikel aus diesem Ressort

Ressort Kreuzpeilung
Yachtclubs in Österreich hatten es gut. Direkt am Wasser auf guten bis sehr guten Plätzen, stabile bis wachsende Mitgliederzahlen, Nachwuchs fast automatisch aus den eigenen Reihen. Eine Erfolgsstory?









 

Festung oder Offenheit?

Ressort Kreuzpeilung
Szene 1: OeSV-Generalversammlung im BLZ Neusiedl; die Spitzen der österreichischen Segelclubs schaffen am Vereinstag wichtige formale Rahmenbedingungen. Adjustierung der Männer: kaum Blazer, eine einzige Krawatte. Szene 2: Generalversammlung des Europäischen Segelverbands in Ungarn; Vertretungspersonen der nationalen Segelverbände besprechen die Zukunft des Segelsports in Europa. Adjustierung der Männer: vereinzelt Blazer, vereinzelt Krawatte.









 

O tempora, o mores?

Ressort Kreuzpeilung
Wer kennt sie nicht, die Klagen über den Nachwuchs, der sich grottenolmig viereckige Augen heranzüchtet durch ständiges Online-Sein? Häufig dann der Ratschlag: „Mach doch mehr Sport!“ Aber Achtung, aufgepasst! Diese gut gemeinte Ermutigung kann zukünftig vom Regen in die Traufe führen. Warum? eSports ist massiv auf dem Vormarsch.









 

Couch Potato

Ressort Kreuzpeilung
Der sanft fallende Schnee dämpft die Geräusche von der Straße. Eine Tasse dampfenden Chai Latte – mann entwickelt sich – und ein Buch in der Hand, Vanillekipferl vor mir, Herz, was willst du advent-abendlich mehr.









 

Tiefe Gräben

Ressort Kreuzpeilung
Jahreskonferenz von World Sailing (WS) im spanischen Malaga. An die 300 Personen versammeln sich im November, um über verschiedenste Aspekte des Segelsports zu diskutieren. Das Themenspektrum ist breit. Es reicht von mittels 3D-Scanner durchgeführter Vermessung der Foils bei Nacras mit Herstellungstoleranzen im 0,2-mm-Bereich über Debatten zur WS Olympic Vision bis hin zur vom ukrainischen Segelverband aufgeworfenen Frage, ob man das russische Pendant nicht eigentlich wegen seiner als illegal angesehenen Segelaktivitäten auf der besetzten Krim aus WS ausschließen müsste.









 

Geist der Regeln

Ressort Kreuzpeilung
Der Segelsport hat beim ersten Hinschauen ein grünes Mäntelchen um. Wind und Wasser als primäre Zutaten, da sollte wenig schiefgehen. Ein genauer Blick zeigt allerdings, dass wir gut daran täten, unseren geliebten Sport in Sachen Umweltfreundlichkeit auf ein neues Niveau zu bringen. Es gilt eine Reihe von Potenzialen zu heben, um unseren Beitrag zum Überleben des Planeten zu leisten. Sicher, viel ist schon getan worden. Wenn wir in die Clubs schauen, dann sehen wir z. B. Auffangvorrichtungen für Abwasser bei Krananlagen, Mülltrennung und energieeffiziente Beleuchtungen. Auch bei den Booten gibt es Verbesserungen, etwa hinsichtlich Fäkalien oder umweltfreundlichere Lacke und Unterwasseranstriche. Aber trotzdem kratzen wir erst an der Oberfläche.









 

Kleines Umweltschweinderl