Geist der Regeln

Jahreskonferenz von World Sailing (WS) im spanischen Malaga. An die 300 Personen versammeln sich im November, um über verschiedenste Aspekte des Segelsports zu diskutieren. Das Themenspektrum ist breit. Es reicht von mittels 3D-Scanner durchgeführter Vermessung der Foils bei Nacras mit Herstellungstoleranzen im 0,2-mm-Bereich über Debatten zur WS Olympic Vision bis hin zur vom ukrainischen Segelverband aufgeworfenen Frage, ob man das russische Pendant nicht eigentlich wegen seiner als illegal angesehenen Segelaktivitäten auf der besetzten Krim aus WS ausschließen müsste.

Während dieser Tage hört man immer wieder Geschichten, die einen je nach Inhalt und Stimmung an der segelnden Menschheit verzweifeln oder auf sie hoffen lassen. Ein Beispiel für Ersteres: Foilende Surfer nutzen eine in bester Absicht entworfene Bestimmung zu ihrem Vorteil aus. Die Regel erlaubt, vereinfacht gesagt, bei unverschuldeten, also von anderen durch deren regelverletzendes Verhalten ausgelösten schweren Zwischenfällen (wie z.B. Kenterung, Segel im Wasser) eine Wiedergutmachungsmöglichkeit. So weit, so gut und auch richtig. Was sich allerdings im Gefolge dieser Regel herausgestellt hat: Die Zahl der Anträge auf Wiedergutmachung stieg um rund das 500-fache. Bei genauerem Hinschauen zeigt sich ein klares Muster: Bei schlechtem Abschneiden stellten viele Surfer einen entsprechenden Antrag, willige Kollaborateure gaben an, dass sie in der entsprechenden Wettfahrt zwar eine Regel verletzt, sich aber gleich entlastet hatten (nicht überprüfbar im allgemeinen Gewurl) – und, zack, das schlechte Ergebnis der Wettfahrt mutiert nach der Wiedergutmachung plötzlich zu einem durchschnittlichen oder gar guten.

Und die Moral von der G’schicht jenseits der Notwendigkeit für Regeländerung? Möglicherweise zwei ernüchternde: Erstens, auch unter Seglerinnen und Seglern gibt es genug, die gnadenlos schummeln, wenn die Gefahr des Erwischt-Werdens gering ist. Und zweitens, der Geist der Regeln ist bei diesen Personen nicht mehr als ein Relikt aus der Mottenkiste der Sportlichkeit. Schade eigentlich, denn Orientierung an diesem Geist würde uns (nicht nur) im Segeln einiges ersparen.

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