Golden Generation?

Steht uns als einschlägig begeisterter Segelnation eine „golden generation“ ins Haus? Den 78er-Fußballern rund um Schneckerl Prohaska und Goleador Krankl vergleichbar, allen Widerständen zum Trotz international reüssierend?
Die Erfolge der jungen Seglerinnen und Segler in diesem Sommer legen das nahe: Welt- und Vizeweltmeister, Top-Platzierungen bei Zoom8- und Optimist-Gipfeltreffen, dazu starke Teamleistungen und weitere hungrige und talentierte Jugendliche, die den Vergleich nicht zu scheuen brauchen. Alles paletti also?
Einerseits denke ich: Ja. Die österreichische Jugendarbeit hat in den letzten Jahren einen deutlichen Professionalisierungsschub erfahren. Auf Club- und Verbandsebene haben sich Strukturen wie Hochleistungsgruppen oder Trainingsgemeinschaften entwickelt, engagierte Eltern opfern – besser vielleicht: investieren – viel Zeit und Geld für die Entwicklung der eigenen (manchmal auch fremden) Sprösslinge. Das Umfeld und die Talente sind da, kein Zweifel. Und am wichtigsten: Die Ergebnisse zeigen, dass internationale Erfolge auch bei uns möglich sind. Wenn deine Trainingspartner internationale Spitze sind, ansonsten aber „ganz normal“, dann denkst du dir selbst nicht zu Unrecht: Was die können, ist auch für mich erreichbar. Damit fällt die lähmende „Das geht bei uns nicht!“-Haltung und das destruktive Lamentieren weg.
Andererseits aber: Achtung! Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Gerechtfertigte, auch überschäumende Freude ist sicher am Platz, himmelhoch jauchzende Verklärung eher nicht. Wer jetzt die Segelstiefel von Hagara oder Raudaschl beschwört, belastet mehr als er hilft: Sie könnten zu groß sein. Die schwierigen Zeiten in der persönlichen Entwicklung der hier betrachteten Generation der 13- bis 16-Jährigen kommen noch. Sport kann da – auch nach meiner eigenen Erfahrung – sehr helfen, aber er trägt nicht immer durch. Es bleibt also abzuwarten, ob sich die einzelnen Seglerinnen und Segler so entwickeln, dass sie in späteren Jahren langfristig und auf höchster internationaler Bühne erfolgreich sind. Noch ein Hinweis: Die jetzige Generation ist sehr früh in den internationalen Ganzjahreszirkus eingestiegen. Bisher gab es unter Seglern kaum Frühaussteiger, die, wie man es aus dem Tennis kennt, mit knapp 20 den Leistungssport satt hatten. Das könnte sich bald ändern, falls hier nicht gezielt gegengesteuert wird. Wer mit 18 zum zwanzigsten Mal an den Gardasee düst, ist vermutlich nicht ganz unempfänglich für ein Gefühl der Übersättigung.
Meine Gesamteinschätzung also: Gratulation an alle beteiligten Personen, herzliche Freude über die Leistungen, die es in dieser Form noch nie gegeben hat, aber auch Hoffnung, dass der Stolz über das Erzielte nicht die für den langfristigen Erfolg erforderliche Nüchternheit verdunkelt.

Weitere Artikel aus diesem Ressort

Ressort Kreuzpeilung
Wer kennt sie nicht, die Klagen über den Nachwuchs, der sich grottenolmig viereckige Augen heranzüchtet durch ständiges Online-Sein? Häufig dann der Ratschlag: „Mach doch mehr Sport!“ Aber Achtung, aufgepasst! Diese gut gemeinte Ermutigung kann zukünftig vom Regen in die Traufe führen. Warum? eSports ist massiv auf dem Vormarsch.









 

Couch Potato

Ressort Kreuzpeilung
Der sanft fallende Schnee dämpft die Geräusche von der Straße. Eine Tasse dampfenden Chai Latte – mann entwickelt sich – und ein Buch in der Hand, Vanillekipferl vor mir, Herz, was willst du advent-abendlich mehr.









 

Tiefe Gräben

Ressort Kreuzpeilung
Jahreskonferenz von World Sailing (WS) im spanischen Malaga. An die 300 Personen versammeln sich im November, um über verschiedenste Aspekte des Segelsports zu diskutieren. Das Themenspektrum ist breit. Es reicht von mittels 3D-Scanner durchgeführter Vermessung der Foils bei Nacras mit Herstellungstoleranzen im 0,2-mm-Bereich über Debatten zur WS Olympic Vision bis hin zur vom ukrainischen Segelverband aufgeworfenen Frage, ob man das russische Pendant nicht eigentlich wegen seiner als illegal angesehenen Segelaktivitäten auf der besetzten Krim aus WS ausschließen müsste.









 

Geist der Regeln

Ressort Kreuzpeilung
Der Segelsport hat beim ersten Hinschauen ein grünes Mäntelchen um. Wind und Wasser als primäre Zutaten, da sollte wenig schiefgehen. Ein genauer Blick zeigt allerdings, dass wir gut daran täten, unseren geliebten Sport in Sachen Umweltfreundlichkeit auf ein neues Niveau zu bringen. Es gilt eine Reihe von Potenzialen zu heben, um unseren Beitrag zum Überleben des Planeten zu leisten. Sicher, viel ist schon getan worden. Wenn wir in die Clubs schauen, dann sehen wir z. B. Auffangvorrichtungen für Abwasser bei Krananlagen, Mülltrennung und energieeffiziente Beleuchtungen. Auch bei den Booten gibt es Verbesserungen, etwa hinsichtlich Fäkalien oder umweltfreundlichere Lacke und Unterwasseranstriche. Aber trotzdem kratzen wir erst an der Oberfläche.









 

Kleines Umweltschweinderl

Ressort Kreuzpeilung
Beruflich bedingt eine Reise nach Boston, USA, mit anschließendem Kurzaufenthalt in einem kleinen Kloster im Südteil der Stadt, um Körper, Seele und Geist ein wenig einzu-norden. Ein nachmittäglicher Spaziergang führte mich zum Jamaica Pond, einem kleinen Gewässer von 600 x 500 m, eingezwängt zwischen zwei stark befahrene Straßen, aber umgeben von viel Grün und einem schönen, häufig als Laufstrecke genutzten Rundweg.









 

Mutiges Segeln am Teich

Ressort Kreuzpeilung
The Ocean Race, Den Haag, 15. Juni, 18:33 CEST: Der große Favorit für den Gesamtsieg, 11th Hour Racing Team mit US-Skipper Charlie Enright, wird in einer simplen Backbord-Steuerbord-Situation am direkten Anlieger zur Bahnmarke von Guyot – Team Europe unter Benjamin Dutreux klassisch abgeschossen. Zum Glück wird niemand verletzt, obwohl sich das Bugspriet von Team Europe tief ins Innere der anderen Yacht bohrt, knapp neben die Arbeitsplätze von Skipper und Crew. Nichtsdestotrotz folgenschwer: Beide Teams müssen aufgeben. Besonders pikant: Die US-Amerikaner hatten dem europäischen Team nach dessen Mastbruch ihren Ersatzmast fürs Comeback zur Verfügung gestellt.









 

Verachtet mir die Grundlagen nicht