Mallorca 1

Jürgen Preusser über die Umrundung der Balearen-Insel auf einem Katamaran und gegen den Uhrzeigersinn

Mallorca 1

Neulich in Portocolom auf Mallorca. Meine Stammcrew besteigt erstmals einen Katamaran. Die Begeisterung pendelt sich zwischen Heinz-Rühmann-Film und Freddy-Quinn-Schlager ein. Irgendwie eh okay. Aber …

Gemein- und aufmerksam absolvieren wir die Bootseinweisung.

Erste und wichtigste Erkenntnis: Gerefft wird nach Tabelle. Kommentar von Georg, dem ehemaligen Rallyefahrer: „Sicher a Bledsinn, da geht viel mehr.“ Stimmt. Ich möchte aber festhalten, dass wir keinerlei Verantwortung übernehmen, falls jemand bei 25 Knoten ungerefft den Luv-Rumpf aus dem Wasser hebt und die Yacht umschmeißt.

Zweite Erkenntnis: Ich bin 1,93 Meter groß. Und kann im Salon aufrecht stehen.

Dritte Erkenntnis: Beim Anlegen fixiert man das Ruder und gibt Vor- und Rückschub mit den Gashebeln der beiden unabhängigen Maschinen. Noch nie war Drehen auf dem Teller so lustig. Auf den rund 200 Meilen, die vor uns liegen, wird uns das allerdings wenig helfen.

Vierte Erkenntnis: Bei Starkwind und hoher Welle sind die Grenzen eines 40-Fuß-Katamarans auf der Kreuz schneller als befürchtet erreicht. Zum Glück dreht der Wind ab Punta de Capdepera, dem östlichsten Punkt der Insel, zu unseren Gunsten.

Fünfte Erkenntnis: Raumschot- oder Halbwindkurse machen mit der breiten Blunz’n echt Spaß. Und die haben wir bis Punta Negra, dem westlichsten Punkt Mallorcas.

Niemand an Bord hat Kat-Erfahrung, deshalb braucht es seine Zeit, bis wir das Surfen mit zwei Rümpfen beherrschen. Aber dann geht die Post ab! Und zwar buchstäblich doppelt. Nachdem wir an der Südostküste bei Nieselregen, bedecktem Himmel, böigem Starkwind und Welle gegenan fast verhungert wären, treibt uns der Nordostwind am Ende unserer ersten Etappe gerade noch bei Tageslicht nach Port de Pollenca. Acht Stunden für die ersten 27 Meilen, vier Stunden für die nächsten 28.

Port de Pollenca ist die richtige Wahl. Hier sind deutlich weniger Ballermann-Merkmale zu verzeichnen als in Port d’Alcudia, südlich am Cap de Menorca gelegen, auch wenn das Mitte Oktober keine entscheidende mehr Rolle spielen sollte. Traumhafte Ansteuerung durch eine regattataugliche, langgezogene Bucht, vorbei an einem römisch anmutenden Kastell, das auch den Leuchtturm beheimatet. Weitläufige Hafenbucht mit unendlich vielen Ankerplätzen. Allerdings auch mit gefährlichen, nur rudimentär in der Seekarte vermerkten Untiefen. Uns wurscht. Weil Katamaran. Tiefgang 110 Zentimeter.

Anlegen kann man erst am zweiten Steg direkt beim modernen Marina-Gebäude mit Swimming Pool und gutem Kaffee. 43 Euro sind ein Durchschnittspreis für Mallorca um diese Jahreszeit. Nicht für den Kaffee, für den Liegeplatz. Ein aufgeregter Marinero beordert uns nach dem Ablegen allerdings zurück: Wir müssen doch 60 Euro berappen. Es hat nämlich niemand den zweiten Rumpf gesehen.
Generell sind 50 Prozent Ermäßigung für Liegegebühren in allen Häfen und Marinas ab Oktober üblich. So versuchen die maritimen Betriebe der Insel den enormen Ansturm im Hochsommer in Richtung Vor- und Nachsaison zu lenken.

Sonne als seltener Gast

Das dafür ebenfalls häufig genutzte Werbe-Argument greift bei uns allerdings nicht: Die Sonne zeigt sich in dieser Woche nur selten. Es ist zwar warm wie bei Jugo-Wetterlage in Kroatien, doch über den hohen Bergen der Insel hängen schwere Gewitter- oder Regenwolken. Manchmal zieht das Mistwetter auch aufs Meer hinaus. Uns gelingt mit viel Glück, oft unter Donnergrollen, ein perfekter Slalom zwischen vielen kleinen Fronten.
„Ein Respektabstand von zwei, drei Meilen zur Steilküste ist sehr ratsam“, hat uns Stützpunktleiter Oliver Walpott in Portocolom mit auf den Weg gegeben. Die Welle sei draußen zwar höher, aber länger und besser berechenbar, die Fallwinde kämen gemäßigter und es gäbe kaum Flautenlöcher.

Den gesamten Revierbericht inklusive Karte und Info-Kasten lesen Sie in der Yachtrevue 1/2017, am Kiosk ab 3. Februar!

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