Gescheckter Seebär in der Salzlake:Der 2. Wharram Wanderbrief 09/10
Ich liebe die Sonne. Die Sonne ist meine beste Freundin. Die Sonne hat mich gern und ich sie. Und überhaupt - Sonnenbrand, was ist das? Dachte ich.
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Und deshalb hab ich dem Bröthaler Raini gesagt, dass er sich schleichen soll. Nein, nicht vom fahrenden Boot. Einfach nur in den Schatten. Weil diese Sonne verträgt halt net jeder, aber ich? Ich pack das schon, am Steuer sitzen, hier in der Sonne. Überhaupt kein… äh… kein… Dings…äh… - aber wart amal, ich bind mir noch rasch ein T-Shirt als Turban um, ja?
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Es war dann unvorstellbar brutal. Am Samstagnachmittag waren wir in Guadeloupe angekommen und hatten dann den Sonntag und den besseren Teil des Montags damit verbracht, die Mother Ocean seeklar zu machen.
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Am Dienstag beim ersten Büchsenlicht liefen wir dann aus. Ich hab übrigens hoch und heilig versprochen, dass ich nicht erzähle, wie wir die erste Untiefentonne an der Ausfahrt beinah verkehrt herum genommen hätten, und deshalb tue ich es auch nicht. Ein Mann, ein Wort.
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Jedenfalls: Eine Stunde lief der Aussenborder, dann zogen wir die weiße Wäsche auf und stellten ihn ab. Für den Rest der Reise. Bis zur Einfahrt von Rodney Bay. Weil der Wind, Leute, der war ein Traum: Stetige vier Beaufort aus Ost, kuschelige eineinhalb Meter Welle in den Pässen, und die Windlöcher hinter den Inseln haben wir auch mit Anstand durchsegelt.
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Nur die Sonne… also die Sonne… - am ersten Tag lösten wir einander so alle vier Stunden ab. Die Nacht war auch kein Problem. Aber am zweiten Morgen, so gegen zehne, da hätte der Raini nur mehr an Backbord sitzen dürfen, so rot hat er geleuchtet, und bei mir hat die Haut auch ein Wengerl gespannt, aber kein Problem, ich fahr das. Ich hatte nur ein wenig Schwierigkeiten, was zu sehen, weil die Reflexe auf den Wellen geblendet haben wie die Suchscheinwerfer, und wenn man einen Köperteil zu lange unbewegt gehalten hat, hat es scheußlich wehzutun angefangen. Aber kein Problem.
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Nach Sonnenuntergang war dann irgendwo bei Castries Landfall in St.Lucia, dann liefen wir nach einer genialen Wende bis vor die Haustür in Rodney Bay, vermieden es grad knapp, uns von einer Segelyacht zusammenfahren zu lassen, die ohne einen einzigen Mann an Deck mit Steuerbordschoten aus der Dunkelheit vor unseren Bug lief – und dann waren wir glücklich in Rodney vor Anker. Und alles war in Ordnung. Dachte ich. Bei den drei standesgemäßen Einlaufbieren dachte ich es. Am nächsten Morgen dachte ich es immer noch, als wir mit den Schiffspapieren untern Arm ins Schlauchboot stiegen und zum Einklarieren in die Marina rollten. Aber als ich dann – pardon! – aufs Häusel ging, dachte ich es nimmer, denn was mir aus dem Spiegel entgegenstarrte, war…naja… Lepra? Oder sowas? Oder noch was Schlimmeres? Und: Isses ansteckend??? Jedenfalls: Unter einer tief gebräunten Haut, die sich gerade in Fetzen vom Gesicht löste, blitzte frisches, aber auch net grad gesund aussehendes Rosa auf.
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Offenbar war mein Gesicht während der 36 Stunden auf See unter Sonneneinwirkung gestorben und jetzt wuchs mir ein Neues nach. Was es wohl werden würde? Bitte um Gottes Willen nicht Tom Cruise, lieber wär ich tot. Ich meine, mit Sean Connery oder George Clooney könnt ich leben, aber… - naja.
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Ich ersuche die geneigten LeserInnen, in dieser Hinsicht ganz fest Daumen zu halten, bis ich mich wieder melde – dann mit einem Bericht von einem schwebenden Wahrram, vier gelöcherten Finnen und einem Kanonenrausch unter Landsleuten. See you, mon, Jah Rastafari willing – and I shall hope he is willing!