Hassobjekt

Ich liebe Segeln. Aber ich hasse Wasser. Genau genommen: unfreiwillig ins Wasser fallen, präziser: Kentern. Klar, unangenehm ist in unserem Sport vieles – von A wie Außenborder beim Dingi reparieren bis Z wie Zusammenpacken im Regen. Kentern aber ist ganz oben auf meiner kurzen Liste echter seglerischer Hassobjekte. (Knapp gefolgt vom Reinfummeln der Splintringe in kleine Bolzen bei nasskaltem Wetter mit klammen Fingern übrigens).
Jahrelange Analysearbeit auf der Couch (na ja, Wohnzimmercouch) hat keine Aufklärung über die tieferen Ursachen gebracht. Ist es das mich verfolgende Foto im Familienalbum, auf dem mein Vater – Gott hab‘ ihn selig – in einer Mischung aus Stolz und Verachtung einen mangels Auftriebskörpern bis zum Deck untergegangenen Piraten durch den Neusiedler Schlamm zieht, für mich der ultimative Ausdruck von Kontrollverlust? Basiert das auf meiner Neusiedler Prägung, in der Kentern praktisch immer gleichbedeutend ist mit Boot und Segel stundenlang putzen und den Schlamm aus verborgenen Hohlräumen schwemmen, Stander zerstören und oft auch Mast verbiegen? Liegt der Grund in der Sichtweise, Kentern sei handfester Beweis seglerischer Unzulänglichkeit? Liegt die Wurzel in der quälenden Nasse-Sack-Erfahrung, vom Felgaufschwung über Seilklettern bis hin zum Reinquälen ins halbvolle Boot in unzähligen Variationen seit meiner Kinderzeit präsent, die das körperliche Ungenügen so drastisch exemplifiziert? Buchstäblich kein Land in Sicht bei der Aufarbeitung.
Wie habe ich sie immer schon bewundert, die virtuosen Kenterkünstler und Wiederaufsteller. Egal wie sie stürzen, sie sind ganz schnell buchstäblich oben auf und haben ihr Bein schon wieder in der Plicht, da ist der Mast noch nicht einmal aus dem Wasser. Federleicht schweben sie scheinbar mühelos in die korrekte Position und berichten an Land nicht von Niederlage, sondern von aufregender Erfahrung.
Ich dagegen – ein normal Sterblicher, der wieder einmal im Wasser liegt, sich mühsam hochwuchtet und irgendwie weiter wurstelt. Ich hasse es …

Weitere Artikel aus diesem Ressort

Ressort Kreuzpeilung
Beruflich bedingt eine Reise nach Boston, USA, mit anschließendem Kurzaufenthalt in einem kleinen Kloster im Südteil der Stadt, um Körper, Seele und Geist ein wenig einzu-norden. Ein nachmittäglicher Spaziergang führte mich zum Jamaica Pond, einem kleinen Gewässer von 600 x 500 m, eingezwängt zwischen zwei stark befahrene Straßen, aber umgeben von viel Grün und einem schönen, häufig als Laufstrecke genutzten Rundweg.









 

Mutiges Segeln am Teich

Ressort Kreuzpeilung
The Ocean Race, Den Haag, 15. Juni, 18:33 CEST: Der große Favorit für den Gesamtsieg, 11th Hour Racing Team mit US-Skipper Charlie Enright, wird in einer simplen Backbord-Steuerbord-Situation am direkten Anlieger zur Bahnmarke von Guyot – Team Europe unter Benjamin Dutreux klassisch abgeschossen. Zum Glück wird niemand verletzt, obwohl sich das Bugspriet von Team Europe tief ins Innere der anderen Yacht bohrt, knapp neben die Arbeitsplätze von Skipper und Crew. Nichtsdestotrotz folgenschwer: Beide Teams müssen aufgeben. Besonders pikant: Die US-Amerikaner hatten dem europäischen Team nach dessen Mastbruch ihren Ersatzmast fürs Comeback zur Verfügung gestellt.









 

Verachtet mir die Grundlagen nicht

Ressort Kreuzpeilung
Die internationalen Sportverbände (International Federations = IFs) steuern odysseisch auf eine Enge zu. Zur Erinnerung: Während seiner Irrfahrten muss Odysseus durch eine von Ungeheuern bewachte Meeresenge. Auf der einen Seite Scylla, ein Wesen, das alles frisst, was ihm nahekommt, gegenüber Charybdis, die Meerwasser einsaugt und so Schiffe zerstört. Odysseus kommt aus Furcht vor Charybdis Scylla zu nahe, sechs seiner Gefährten finden den Tod.









 

Zwischen Scylla und Charybdis

Ressort Kreuzpeilung
Wenn positives Potenzial und tatsächliche Realisierung auseinanderklaffen, zerreißt es mir das Herz. Das ist beim hochbegabten, sich in der Pubertät anderen Dingen zuwendenden Nachwuchssegler genauso wie beim fehlenden Ausschöpfen natürlicher Ressourcen aufgrund schlechter Rahmenbedingungen. Eindrückliches Beispiel für Letzteres auf Basis einer Reise nach Nahost: Segeln im Libanon.









 

Die Zedern des Libanon

Ressort Kreuzpeilung
Nach den messefreien Jahren stehen uns heuer wieder einschlägige Events ins Haus, etwa die Boot Tulln zum gewohnten Termin Anfang März oder Friedrichshafen im September. Braucht es solche Messen in dieser Form und Frequenz?









 

Bootsmessen as usual?

Ressort Kreuzpeilung
19 Grad im solidarisch-kühlen Wohnzimmer, da ist der adventliche Tee umso wichtiger. Also kurzerhand gebraut, noch ein paar Vanillekipferl und – Frucht eines Spanien-Aufenthalts – Ensaimadas auf den Teller. Dann Rush Doshis ‚The Long Game‘* zur Hand genommen, ein wachrüttelndes Buch über Chinas in drei Phasen konzipierte Langzeitstrategie für eine globale ökonomische, politische und militärische Dominanz . Plötzlich ein Geräusch auf der Terrasse. Ich halte Nachschau und sehe, genau, das Weihnachtsengerl.









 

Alles andere ist primär