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Langfahrt-Paare leben ihre Partnerschaft unter ganz speziellen Bedingungen und sind auch im übertragenen Sinn sturmerprobt. Judith Duller-Mayrhofer hat österreichische Seglerinnen und Segler nach Erfahrungen, typischen Konfliktthemen und bewährten Bewältigungsstrategien gefragt

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Das Leben auf einer Yacht ist ein Leben unter der Lupe. Gute Eigenschaften und Eigenheiten bekommen besondere Wichtigkeit, negative werden bis ins Unerträgliche gesteigert. Dieses Prinzip hat schon beim Urlaubstörn Gültigkeit. Auch wenn man nur für eine Woche buchstäblich in einem Boot sitzt, bergen unterschiedliche Erwartungen, Einstellungen und Lebensrhythmen Konfliktpotenzial. Befeuert wird es von der Enge an Bord, fehlenden Rückzugsmöglichkeiten und dem Gefühl, dass man aufeinander angewiesen, vielleicht sogar einander ausgeliefert ist. Kommt es vor so einem Hintergrund zu einer als kritisch erlebten Situation – missglücktes Anlegemanöver, tagelanges Schlechtwetter, verstopfte Toilette –, kann die Lage eskalieren und es kracht. Zwischen befreundeten Crewmitgliedern, zwischen Eltern und Kindern, aber auch zwischen Paaren. Wie, so fragt man sich, gelingt es jenen, die langfristig auf See unterwegs sind, die Nerven und die Harmonie an Bord zu bewahren? Und was könnten wir „Normalos“ von ihnen lernen?

Eigentlich sollten Menschen eine Zeitlang auf ein Boot ziehen, ehe sie eine feste Beziehung eingehen, findet die Seenomadin Doris Renoldner: „Da würden sie sehr rasch herausfinden, ob es eine gute Idee war, sich zusammenzutun.“ Denn das gemeinsame Segeln schweiße ein Paar entweder zusammen oder treibe es auseinander; dazwischen gäbe es nichts, so ihre feste Überzeugung. Und sie sollte es wissen, ist sie mit ihrem Skipper Wolf Slanec doch schon seit über 30 Jahren auf allen sieben Meeren unterwegs. Derzeit befinden sich die beiden mitten in ihrer dritten Weltumsegelung in Französisch Polynesien und besegelt auf der 41 Fuß langen Sonate Ovni Nomad den Archipel der Marquesas. Die Seenomaden zählen nicht nur zu den gefragtesten Vortragenden der Szene, sondern gelten auch als das Blauwasser-Traumpaar schlechthin. Ganz ohne Konflikte geht es aber auch bei ihnen nicht ab. „Eine Frage, über die wir uns immer noch in die Haare bekommen können, ist die Wahl des Ankerplatzes“, plaudert Doris Renoldner aus dem Nähkästchen, „ich hab meistens das Gefühl, dass wir zu nahe am Nachbarboot dran sind, Wolf sieht das eher entspannt.“

Rollenverteilung auf Augenhöhe

Ein Thema, das auch zwischen Claudia und Jürgen Kirchberger früher hitzig diskutiert wurde – mit denselben Positionen der Geschlechter übrigens. Die Oberösterreicher, die auf einem alten Stahlschiff rund zehn Jahre auf See verbrachten und die entlegensten Flecken der Erde besegelten, haben aber eine simple Lösung gefunden: Sie legt den Platz vom Steuerhaus aus alleinverantwortlich fest, er wirft den Anker erst, wenn ihm ein entsprechendes Handzeichen gegeben wird. Ansonsten lebt das Duo strikt nach dem Prinzip der Gleichberechtigung: „Wir machen Wetterrouting und Etappenplanung immer gemeinsam, sprechen vorab unterschiedliche Segelstrategien durch und kommen so zu einer Einigung, mit der wir beide gut leben können“, beschreibt Jürgen Kirchberger die typische Vorgangsweise an Bord der 44 Fuß langen La Belle Epoque, „Hierarchie geht für uns gar nicht.“

Birgit Hackl und Christian Feldbauer, die als Mittdreißiger Anfang 2012 in Pula mit einer 41-Fuß-Yacht zur großen Fahrt aufgebrochen sind und derzeit vor Tahiti cruisen, sehen sich ebenfalls als Team auf Augenhöhe. „Wir sind mit null Erfahrung ins kalte Wasser gesprungen, haben zusammen gelernt und Erfahrungen gesammelt“, erinnert sich die ehemalige Sprachtrainerin, „unsere Pitufa hat zwei Kapitäne und wir versuchen Entscheidungen demokratisch zu treffen. Dann kann hinterher auch niemand jammern und dem anderen die Schuld in die Schuhe schieben.“ Für die Aufgaben an Bord gibt es hingegen eine fixe Zuschreibung. „Ich bin immer am Steuer und koche auch bei widrigsten Bedingungen“, erzählt Birgit Hackl, „Christian macht die meiste Segelarbeit, ist unser Ausguck und ankert. Wir versuchen aber von Zeit zu Zeit die Tätigkeiten des anderen zu übernehmen, um im Fall der Fälle einspringen zu können.“

Klare Funktionen, klare Rollenverteilung, aber kein Alleingang bei übergeordneten Themen – das kann man sich auch für den Urlaubstörn merken …

Respektvolle Kommunikation

Grundsätzlich seien Paare die bestmögliche Besetzung an Bord, glaubt Claudia Kirchberger: „Ich empfinde es als großes Glück, mit Jürgen unterwegs sein zu dürfen. Er ist der Mensch, den ich mir ausgesucht habe, mit dem ich meine Gedanken und meine Privatsphäre am liebsten teile. Auf See hat man Zeit füreinander, weil die typischen Ablenkungen fehlen. An Bord unserer La Belle Epoque können wir stundenlang über alles Mögliche reden. Diesen intensiven Austausch schätze ich total, im Alltag an Land bekommen wir das aber kaum hin.“

Die Übersetzung in die Welt der segelnden Urlaubspaare könnte lauten: In der Marina oder Bucht nicht zwanghaft nach einem WLAN Ausschau halten, das Smartphone in der Kajüte lassen, auch das Buch zur Seite legen und bewusst das Gespräch suchen. So entsteht nicht nur Nähe, sondern auch Verständnis für das Gegenüber.

Reden, reden, reden, das ist auch die Strategie der Seenomaden. „Wir versuchen, nichts anstehen zu lassen, sondern Probleme früh anzusprechen“, sagt Wolf Slanec, „Scheuklappen anlegen und so tun, als wäre nichts, ist tödlich. Heuchelei wird speziell an Bord gnadenlos bestraft, untergräbt die Beziehung und setzt sie letztlich aufs Spiel.“ Doris Renoldner, die seit 1989 an seiner Seite ist, gibt ihm recht und wehrt sich zudem gegen die rosarote Brille, durch die Partnerschaften oft betrachtet werden.

Die gesamte Story lesen Sie in der Yachtrevue 5/2021, am Kiosk ab 30. April!

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