Sehnsucht nach dem simplen Leben
David Eitzinger, der mit seiner Familie drei Jahre lang über die Weltmeere segelte, über scheinbare Normalität, 30 Sorten Joghurt und die erstaunliche Anpassungsfähigkeit von Kindern
Habt ihr euch schon wieder eingelebt? Diese Frage wurde uns in den vergangenen Jahren mit Sicherheit am öftesten gestellt. Um sie beantworten zu können, musste ich jedes Mal ehrliche Überlegungen anstellen – ein Prozess der Reflexion, der mit manch schmerzvoller Einsicht verbunden war.
Den Entschluss zur Rückkehr trafen meine Frau Guillermina und ich im April 2014; unsere Kinder Bruno und Viola waren damals acht und sechs Jahre alt. Wir befanden uns auf Fidschi, hinter uns lag eine knapp dreijährige Seereise mit vielen Höhen und Tiefen. Niemand in der Familie hatte so recht Lust auf lange Schläge durch den Indischen Ozean, auf das Kap der Guten Hoffnung und den mühsamen Weg zurück nach Europa, der nur wenige und kurze Landgänge ermöglichen würde. Den Kindern fiel es zunehmend schwer, immer wieder Abschied von Freunden nehmen zu müssen, ich war sehr unzufrieden mit den Segeleigenschaften unserer Suvarov, einer Stahlyacht, die wir nach unserem Schiffbruch im Oktober 2012 in Polynesien erworben hatten. Und nicht zuletzt befanden wir uns finanziell am Limit; ein weiteres Jahr auf See würde unsere allerletzten Notreserven aufbrauchen. Erleichtert wurde uns die Entscheidung durch die Tatsache, dass wir die letzten zweieinhalb Jahre ein herrliches Südsee-Leben gelebt hatten – was sollte das noch toppen …
Also ab nach Hause, zurück in unsere Wahlheimat Berlin. Termin für die Ankunft war der Schulbeginn am 1. September 2014, das ließ uns nicht viel Zeit. Wir besegelten noch den Vanuatu-Archipel und liefen danach direkt Australien an. Dort endete unsere Reise, nach 19.000 Seemeilen und 1.125 Tagen. Die Suvarov stand in Brisbane zum Verkauf, wir flogen nach Deutschland.
Aller Anfang ist leicht
Der große, von vielen erwartete Kulturschock blieb zunächst aus. Zum einen hatten wir uns in Brisbane, wo wir die letzten Wochen verbracht hatten, bereits ein wenig an das Leben in einer Großstadt gewöhnt, zum anderen war das Thema Rückkehr nach Berlin natürlich das Hauptthema im Cockpit der Suvarov gewesen. Die herzliche Begrüßung durch Freunde und Familie, das Wiedersehen mit lieben Menschen und die vertraute Umgebung versetzte uns in der ersten Zeit geradezu in einen Glücksrausch. Dann zogen die Wochen ins Land. Nach wie vor ließ mich jeder Windstoß den Himmel nach sich änderndem Wetter absuchen. Zunehmend entnervt stellten wir uns einem endlos scheinenden Irrlauf durch Behörden, Versicherungsgesellschaften, Schulen und potenziellen Arbeitsstätten. Und realisierten langsam: Diese graue, bürokratische, kalte Welt, in der niemand Zeit hat und niemand dem anderen in die Augen sieht – das würde für die nächsten Jahre wieder unsere Welt sein. Staunend standen wir im Supermarkt, völlig überfordert von dreißig verschiedenen Varianten an Joghurt, und vermissten die See, die Tropen und unser einfaches, unabhängiges Leben.
Glücklicherweise konnte ich für ein Jahr als Systemadministrator bei meinem früheren Arbeitgeber unterschlüpfen. Das gab mir Zeit, in Ruhe über meine berufliche Zukunft nachzudenken.