Der Fluch der Karibik

Der multiple Markus hat jetzt aufgehört zu wimmern. Die Infusion wirkt allmählich. Durch das glaslose Fenster des Behandlungzimmers im Spital von Union Island pfeift der Passatwind. Man hat einen herrlichen Blick auf Clifton Harbour und die Yachten, die im türkisgrünen Wasser ankern. Aber das ist relativ reizlos für den multiplen Markus mit seiner veritablen Nierenkolik, Margarita, die seit einer Stunde die ÖAMTC Reiseversicherung zu überzeugen versucht, dass eine Nierenkolik ein medizinischer Notfall ist - und für mich: Ich hänge halb aus dem Fenster und halte mit einem Handfunkgerät Kontakt zur Mother Ocean, die in den Tobago Cays an der Muring hängt.

Irgendwann ist dann Atempause. Ich sitze auf den Spitalsstufen, rauche eine Zigarette und lasse die letzten Tage vor meinem geistigen Auge vorüberziehen:

Island Dreams, die Reparaturcrew, hat Scheiße gebaut. Buchstäblich. Auf dem Weg von Grenada nach Union entdeckten wir eine Flüssigkeit in der Bootsbilge, die selbst für eine Äquatortaufe ungeeignet wäre. Seifzend schraubte ich die Sichtblende vom Fäkalien-Tank-Compartment. Dann begann ich zu schreien. Ich hörte erst wieder auf, als ich heiser war: Rob, der knieweiche Bootstischler, hatte sich offensichtlich Zugang zum Schott hinter dem Tank verschafft, indem er den Anschlussstutzen der Tankzuleitung entfernt hatte. Dann hatte er die Sichtblende wieder sorgfältig mit 14 Schrauben angebracht und den Stutzen irgendwo als Sondermüll entsorgt. Mit dem Resultat, dass sich der Raum um den Tank mit menschlichen Recyclingprodukten gefüllt hat, die jetzt in die Bilge übergeflossen sind. Und übrigens auch in meine Koje, sprich auf meine Matratze und mein Gepäck.

Die Repartaur dauert drei Stunden, findet in einer Zweimeter-Windsee statt, und jetzt weiss ich, dass ich wirklich seefest bin: Nicht einziges Mal gekotzt. Nur vor der Crew musste ich dann flüchten - die wollte nicht nur meine Arbeitskleidung, sondern auch mich selbst als Sondermüll entsorgen.

Den angeblich professionell reparierten Beamtrog backbord vorne, der währenddessen Wasser in Strömen ins Boot ließ, haben wir dann auf Union in Behandlung genommen: Beam mit dem Fall angehoben, rottes Holz raus, frisches Holz rein, zwei Meter Glasfaser und ein Viertelliter-Epoxi - dicht!

Dass ich dann auf dem Weg zu den Cays so durch war, dass ich statt neben dem Riff über das Riff gefahren bin (Kein Schaden am Boot, aber ein Korallkopf irgendwo beim Baleine-Felsen hat jetzt einen Kopfverband, sorry, liebe Koralle!) war die Kirsche auf dem Schlagobers.

Margarita hat übrigens am Abend vor Markus' Nierenkolik mit einer Räucherzeremonie versucht, die ösen Geister zu bannen. Hat nicht funktioniert. Der Fluch der Karibik ist einfach stärker.

Ich kehre ins Behandlungszimmer zurück. Der multiple Markus ist jetzt wach, schmerzfrei und wird morgen ausgeflogen. Alles wird gut, denke ich, bis es im Handfunkgerät raschelt: Die Crew, die das Boot zurück nach Union bringen wollte, hat beim Ablegen von der Mooring die nebenan liegende Catana gestreift. Wo denn die Deckungserklärung von Pantaenius ist, bitte?

Äh, Margarita, wenn Ihr morgen heimfliegts - darf ich Eure Räucherstäbchen behalten? Vielleicht krieg ich den Fluch der Karibik klein... - aber... seifz!

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