Phänomen Helga Cup

Die erste Kielbootregatta nur für Frauen lockte 250 Seglerinnen im Alter von 16 bis 70 Jahren an die Hamburger Außenalster

Phänomen Helga Cup

Mit dem Gedanken, dass eine Regatta nach ihr benannt wurde, musste sich Helga Strelow erst einmal anfreunden. Denn eigentlich hat die Hamburger Pensionistin, die sich sonst dezent im Hintergrund hält, mit Segeln nicht so viel am Hut. Aber als lautstarke „Helga, Helga, Helga"-Chöre aus den Kehlen von knapp 250 Seglerinnen die Stege des Norddeutschen Regatta Vereins (NRV) erbeben lassen, weicht die anfängliche Zurückhaltung und die Begeisterung schwappt auch auf die Namensgeberin über. "Es ist gut, dass es eine Veranstaltung nur für Frauen gibt und dass die auch einmal am Ruder stehen", bekundet Strelow auf der Bühne und erhält dafür frenetischen Applaus.
Die Idee, eine reine Frauenregatta zu veranstalten, schwelte schon seit längerem. Die Präsidentin des Deutschen Segler-Verbandes und Vorsitzende des Deutschen Frauenrates Monika Küppers suchte nach einer Möglichkeit "unsere Seglerinnen sichtbarer zu machen" und Wassersport-Fotograf Sven Jürgensen vom NRV nach einer Gelegenheit "coole Bilder" zu schießen. Den Anstoß gab schließlich der Auftritt einer reinen Damenmannschaft beim Segel Media Cup, den ebenfalls Jürgensen initiierte. „Sven hat uns beim Segeln erlebt und gesehen, wie viel Spaß wir hatten und wie enthusiastisch wir waren“, erzählt Annette Bruhns vom Team Kielbomben. Und so taten sich DSV und NRV kurzerhand zusammen, um das Projekt Frauen-Regatta anzugehen.
Ein Name war schnell gefunden. Über mehrere Monate trainierten die Journalistinnen der Kielbomben auf einer J70 namens Helga, die dem NRV von Strewlows 91-jährigem Lebensgefährten Eberhard Wienholt, einem erfolgreichen Unternehmer und großzügigen Förderer des Segelsports, zur Verfügung gestellt wurde. Und hier schließt sich der Kreis. Beim gemeinsamen Après Sail nach einer Trainingseinheit wurde der Name Helga in die Runde geworfen und sofort einstimmig angenommen.
Der Helga Cup war ursprünglich als kleine Wochenendregatta gedacht; die Organisatoren rechneten mit bestenfalls 15 Damen-Crews. Als bereits am ersten Tag 36 Anmeldungen eintrudelten, war die Überraschung groß. Und wurde immer größer: Mehr als 80 Teams aus ganz Deutschland sowie je zwei Crews aus Österreich und den USA sagten schließlich ihre Teilnahme zu. Damit durfte sich der Helga Cup aus dem Stand als größte Frauenregatta der Welt bezeichnen.

Erfolgsgeheimnis
Der Hype um den Helga Cup ist jedoch keineswegs eine glückliche Fügung des Schicksals, sondern vielmehr die Kombination aus richtigem Timing und harter Arbeit. Der emsige Netzwerker Jürgensen band von Anfang an alle wichtigen Player mit ein und schuf so eine breite Unterstützungsbasis aus Seglerinnen, Medien und Sponsoren. „Es war ein geschickter Schachzug und wichtiges Signal, so bekannte Crews wie Tutima oder Hotquito sofort ins Boot zu holen“, bestätigt Birte Lindlahr von den Kielbomben. Zudem wurde ein Beirat gegründet, der sich aktiv an Planung und Durchführung des Helga Cups beteiligte. Mitglieder waren nicht nur die Journalistinnen der Kielbomben, sondern auch die Skipperinnen der einzigen Damen-Crews im ORC-Rennzirkus Tutima und Hotquito, Silke Basedow vom HSC Women Team und erfolgreiche Steuerfrau in der Deutschen Segel-Bundesliga sowie zwei Vertreterinnen des Deutschen Segler-Verbands (DSV).
Um die Schwelle für eine Teilnahme so niedrig wie möglich zu halten, war schnell klar, dass eine Flotte zur Verfügung gestellt werden musste. Mit J70, dem Boot der deutschen Segelbundesliga, und Seascape 24 war diese schnell gefunden. „Der Helga Cup soll dazu beitragen, eventuelle Einstiegsängste abzubauen und zu zeigen, dass Segeln nicht nur etwas für den Harvesterhuder Millionär ist", betont Bruhns.

Wilde Mischung
Das Konzept "Regatta für jederfrau" sprach damit nicht nur Profis aus dem deutschen Olympiakader, Nachwuchshoffnungen, Bundesliga- und Hochsee-Crews, Matchracerinnen, Dickschiff- und Jollenseglerinnen an, sondern auch Wiedereinsteigerinnen, die nach Karriere und/oder Familiengründung erstmals wieder Regattaluft schnuppern wollten, Fahrtenseglerinnen oder komplette Segelsport-Neulinge, für die der Helga Cup die erste Regattateilnahme überhaupt darstellte.
Nicht nur für Letztere wurde ein umfassendes Trainingsangebot konzipiert. Es umfasste die Möglichkeit Trainingsboote zu chartern und Trainer zu vertretbaren Kosten zu engagieren, aber auch Taktik-, Wettfahrtregel- und Teambuilding-Seminare sowie Camps in ganz Deutschland, am Gardasee und in Kroatien. Daneben organisierten sich die Frauen selbst und bildeten Trainingsgemeinschaften über Team- und Vereinsgrenzen hinweg. Erfahrene Seglerinnen gaben ihr Wissen an die weniger versierten Kolleginnen weiter, über Social-Media-Kanäle wurde Know-How ausgetauscht und in Videos-Tutorials vermittelt, wie man einen Gennaker setzt, halst und birgt.
Selbst bei unfreundlichsten Bedingungen wurde nicht gekniffen – die Frauen trainierten zum Teil bei Temperaturen um den Nullpunkt, Schneegestöber und Sturm. Und lernten dabei ihre Grenzen kennen und diese zu überschreiten. „Ich musste mich überwinden, weil ich anfangs Schiss hatte, auf so ein kleines Boot zu gehen. Aber das hat sich im Laufe der Übungseinheiten stark gebessert. Beim Training am Möhnesee haben wir die Angst bei 35 Knoten in den Wind rausgebrüllt“, erzählen Marion Köhler und Anke Teschner, die seit mehr als 25 Jahren mit dem familieneigenen Dickschiff in der Ostsee unterwegs sind. Gemeinsam mit zwei anderen Fahrtenseglerinnen vom Segelverein Lemkenhafen auf Fehmarn bildeten sie das DSV Rookie Team. Auf den Gedanken, sich auf ein offenes Kielboot zu setzen und eine Regatta zu segeln, wären die vier vor dem Helga Cup nie gekommen.
"Beim Helga Cup musste Seascape einfach dabei sein. Dieser Event sieht das Segeln so wie wir: Wir wollen die Menschen aus ihrer Komfortzone locken und sie herausfordern", erklärt Andraz Mihelin, Gründer von Seascape, warum er den Helga Cups unterstützt.

Typisch Alster
Herausfordernd waren auch die Bedingungen am Regattawochenende Anfang Juni. Die Alster wurde ihrem Ruf gerecht und zeigte sich von ihrer launischen Seite. „Die Vorhersagen sind relativ mau. Man kann an Land stehen und auf schönen Wind warten oder aber mit dem segeln, was da ist. Wir wollen aufs Wasser, auch wenn das eine oder andere Schweinerennen dabei sein wird", kündigte der Regattaverantwortliche des NRV, Klaus Lahme, bei der Steuerfraubesprechung an. Und so kam es, dass zum Auftakt eine Wettfahrt gesegelt wurde, bei der der sehr schwache Wind viermal um 360 Grad drehte. Die folgenden Tage brachte zum Glück konstantere Verhältnisse, sodass insgesamt 76 kurze Wettfahrten im Bundesliga-Stil über die Bühne gebracht werden konnten. Gesegelt wurde auf zwei Bahnen, eine für die acht J70, eine für die sechs Seacape 24.
Trotz der Eintracht und guten Stimmung schenkten sich die Teilnehmerinnen am Wasser nichts. Eine neue Erfahrung für die Einsteigerinnen: "Man hat an Land gemeinsam viel Spaß und eine Minute später wird Raum gebrüllt. In dem Moment ist nichts mehr mit Freundschaft und Rücksichtnahme. Wir sind sogar einmal mit unserer Trainerin ins Gehege gekommen", beschreibt Teschner die Wettkampfsituation.
Der Spaß kam aber keineswegs zu kurz. So wurden am Abend nicht nur die Tagessieger gekürt, sondern auch Preise für die beharrlichste Crew im Regattabüro, für die längste Anreise, den übelsten Schaden an Bord und den schönsten Wiedergutmachungsantrag verliehen.
Die sieben besten Teams qualifizierten sich für das auf Seascape 24 ausgetragene Finale, wobei die Punkte aus der Vorrunde nicht mehr zählten. Die Nase vorne hatte das Team des DSV, bestehend aus vier Kaderseglerinnen, die sonst auf 470er, 49er FX und Laser zu finden sind, davor noch nie gemeinsam auf einem Boot gesessen waren und die Seascape nur von den Rennen aus der Vorrunde kannten. Dennoch fand das Quartett auf der ersten Kreuz die schnellste Linie, ging als Erste um die Luvboje und verteidigte die Führung bis zum Ziel direkt vor dem NRV. Dort wurden sie von Zuschauern und Gegnerinnen frenetisch bejubelt – ein Empfang, wie man ihn sonst nur vom Volvo Ocean Race kennt.
Für die meisten Crews war der Helga Cup aber nicht das Ende des Weges, sondern vielmehr der Anfang. Man verabredete sich für Mittwochsregatten, zum Freizeit-Segeln oder für gemeinsame Chartertörns. Und natürlich für die Teilnahme am Helga Cup 2019, der von 14. bis 16. Juni stattfinden wird.

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