Auf einer Kufe

Mein behagliches Advent-Ambiente – eine Tasse dampfenden Darjeeling Broken Orange Pekoe, Schoko-Lebkuchen, Kerze und die mit Hilfe von Stanza geöffnete abendliche Lektüre von Alice im Wunderland am iPhone 4 – wird jäh durch ein unangenehmes Kratzgeräusch und dumpfen, an Hammer-auf-Holz erinnernden Schlägen gestört. Leicht irritiert öffne ich die Tür zum Garten und erblicke Seltsames: Ein Rentiergespann scharrt verloren im Gras, dahinter ein mächtiger Schlitten mit nur einer zentral angeordnetn Kufe, auf beiden Seiten von je 8 Stützen gesichert. Mein Freund, das Weihnachtsengerl, verankert diese emsig mit einem Hammer. Dabei hat es den linken Unterschenkel hochgebunden und rechts einen Schlittschuh, auf dem es mangels Schnee und Eis von Stütze zu Stütze hüpft.
Gespannt auf eine Erklärung warte ich, bis mein gefiederter Freund seine Arbeit beendet hat und mir, recht erschöpft, in die Arme hüpft. Verstohlen löst das Engerl ein gepolstertes Dyneema-Schnürl („Fast kein Reck“, bemerkt es spitzbübisch) von seinem linken Bein und zieht den Schlittschuh aus. Im Wohnzimmer und nach einer ersten Grundversorgung mit Tee und Gebäck setzt das Engerl zur Erklärung an. „Wir wertekonservativen Himmlischen beobachten mit großer Sorge … – ach was, pfeif auf die offiziell-gedrechselte Sprachregelung für uns Engerln: Ich finde den neuen Modus für den America’s Cup einfach einen, entschuldige die Ausdrucksweise, Schaas.“ Mir ist, als ob sich die blütenweiße Pracht seiner Flügel ganz leicht verdunkelt, aber das kann auch am Flackern der Kerzen liegen. „Wir haben doch schon gesehen, wohin das führt mit diesen Zweikufern. Autobahnrennen, wenig spannende Bord-an-Bord Kämpfe, technologische Gigantonomie, die Kreuz eine binäre Entscheidung rechts oder links.“ Die Suada geht noch eine Weile weiter, bis ich unterbreche: „Und das da draußen?“ „Protest. Symbolischer Protest. Ausdruck des Missfallens. Unseren Chef – du weißt ja, in manchen Ländern tritt er als Santa mit Schlitten und Rentier auf – möchte ich davon überzeugen, dass wir heuer das Einkufige betonen, jahreszeitgemäß mit Schlitten und Eisschuh. Meine Chancen stehen schlecht, weil der Chef in solchen Sachen für seine Allparteilichkeit bekannt ist, aber wer weiß? Ich jedenfalls werde weiter kämpfen für die Rückkehr zu den wahren Werten.“ Unser Gespräch bewegt sich dann langsam in andere Bereiche und nach einem Segenswunsch für die obligate Handbreit Wasser unter dem Kiel („Die Zweikufer brauchen ja nicht viel“, wie der Gefiederte leicht süffisant bemerkt) macht sich das Engerl wieder auf den Heimweg. Den Wunsch gebe ich gerne an die p. t. Leserinnen und Leser weiter – egal, ob auf einer Kufe unterwegs oder auf zwei bis drei.

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