Männerfrühling

Es kribbelt. Aber anders als früher. Nicht mehr überschäumend, ungeduldig, vorwärts drängend, wann-kann-ich-endlich-die-Geschenke-aufmachen-mäßig. Zart. Behutsam. Mit sanfter Vorfreude. Im Wissen um den Wert einer soeben beginnenden neuen Segelsaison.
Harte, abgebrühte Männer – gibt es andere? – bleiben dennoch cool. Lassen Fakten dominieren: Wann werden wir die Schüssel (= zeige nie Zärtlichkeit für dein Boot) ins Wasser geben? Die Muschel braucht schon wieder einen neuen Unterwasseranstrich (= du hast alles im Griff). Die Fock wird es wohl nicht die ganze Saison machen (= der besten Ehefrau von allen – Einstreutechnik! Fuß-in-die-Tür-Technik! – beibringen, dass eine Neuanschaffung bevorsteht und der zusätzlich bestellte Gennaker dabei selbstverständlich inbegriffen ist: „Vorsegel, Schatz, Vorsegel, das ist alles, was nicht Großsegel ist“!). Beim Kranen bin ich schon wieder ganz hinten auf der Liste (= nur wer rummault, liebt seinen Club wirklich, zumindest als gelernter Österreicher).
Männer brauchen Impression Management. Frauen übrigens auch, aber anders. Tief drinnen sind wir vielschichtiger. Ja, wirklich. Zumindest wir Segler und in die Jahre Gekommenen. Die zunehmende Knappheit der verbleibenden Zeit steigert den Wert des Hier und Heute. Wie oft noch das Boot auswintern, zitternd-ächzend den Mast aufstellen, die Segel auspacken, das erste Aufschwimmen des Boots beobachten?
Daher lassen wir ein wenig mehr raus – im Geheimen zwar, aber immerhin. Hier der kühl-prüfende Blick auf den Hänger, da das neugierig-witternde Aufsaugen der vertrauten und doch neu zu entdeckenden Gerüche. Zuerst das Abmontieren aller Hängerstützen, dann ein zärtlich-befühlendes Streicheln des Gelcoats am Heck. Vordergründig die notwendige Fahrt zum Liegeplatz, in der Tiefe die Neueroberung der wilden See, na ja, des Sees.
Eine Bitte zum Schluss: Haben Sie einen von uns in ihrer Nähe, einfach mitspielen, auf der Sachebene bleiben und nicht verstohlen lächeln. Wir sind schließlich Männer.

Weitere Artikel aus diesem Ressort

Ressort Kreuzpeilung
Beruflich bedingt eine Reise nach Boston, USA, mit anschließendem Kurzaufenthalt in einem kleinen Kloster im Südteil der Stadt, um Körper, Seele und Geist ein wenig einzu-norden. Ein nachmittäglicher Spaziergang führte mich zum Jamaica Pond, einem kleinen Gewässer von 600 x 500 m, eingezwängt zwischen zwei stark befahrene Straßen, aber umgeben von viel Grün und einem schönen, häufig als Laufstrecke genutzten Rundweg.









 

Mutiges Segeln am Teich

Ressort Kreuzpeilung
The Ocean Race, Den Haag, 15. Juni, 18:33 CEST: Der große Favorit für den Gesamtsieg, 11th Hour Racing Team mit US-Skipper Charlie Enright, wird in einer simplen Backbord-Steuerbord-Situation am direkten Anlieger zur Bahnmarke von Guyot – Team Europe unter Benjamin Dutreux klassisch abgeschossen. Zum Glück wird niemand verletzt, obwohl sich das Bugspriet von Team Europe tief ins Innere der anderen Yacht bohrt, knapp neben die Arbeitsplätze von Skipper und Crew. Nichtsdestotrotz folgenschwer: Beide Teams müssen aufgeben. Besonders pikant: Die US-Amerikaner hatten dem europäischen Team nach dessen Mastbruch ihren Ersatzmast fürs Comeback zur Verfügung gestellt.









 

Verachtet mir die Grundlagen nicht

Ressort Kreuzpeilung
Die internationalen Sportverbände (International Federations = IFs) steuern odysseisch auf eine Enge zu. Zur Erinnerung: Während seiner Irrfahrten muss Odysseus durch eine von Ungeheuern bewachte Meeresenge. Auf der einen Seite Scylla, ein Wesen, das alles frisst, was ihm nahekommt, gegenüber Charybdis, die Meerwasser einsaugt und so Schiffe zerstört. Odysseus kommt aus Furcht vor Charybdis Scylla zu nahe, sechs seiner Gefährten finden den Tod.









 

Zwischen Scylla und Charybdis

Ressort Kreuzpeilung
Wenn positives Potenzial und tatsächliche Realisierung auseinanderklaffen, zerreißt es mir das Herz. Das ist beim hochbegabten, sich in der Pubertät anderen Dingen zuwendenden Nachwuchssegler genauso wie beim fehlenden Ausschöpfen natürlicher Ressourcen aufgrund schlechter Rahmenbedingungen. Eindrückliches Beispiel für Letzteres auf Basis einer Reise nach Nahost: Segeln im Libanon.









 

Die Zedern des Libanon

Ressort Kreuzpeilung
Nach den messefreien Jahren stehen uns heuer wieder einschlägige Events ins Haus, etwa die Boot Tulln zum gewohnten Termin Anfang März oder Friedrichshafen im September. Braucht es solche Messen in dieser Form und Frequenz?









 

Bootsmessen as usual?

Ressort Kreuzpeilung
19 Grad im solidarisch-kühlen Wohnzimmer, da ist der adventliche Tee umso wichtiger. Also kurzerhand gebraut, noch ein paar Vanillekipferl und – Frucht eines Spanien-Aufenthalts – Ensaimadas auf den Teller. Dann Rush Doshis ‚The Long Game‘* zur Hand genommen, ein wachrüttelndes Buch über Chinas in drei Phasen konzipierte Langzeitstrategie für eine globale ökonomische, politische und militärische Dominanz . Plötzlich ein Geräusch auf der Terrasse. Ich halte Nachschau und sehe, genau, das Weihnachtsengerl.









 

Alles andere ist primär