Wehe dem, der Vofü weckt!

Vorführeffekt. Hütet euch vor dem Kobold, der jede Präsentation in einen gefährlichen Drahtseilakt verwandelt

Wehe dem, der Vofü weckt!

Sie kennen den Kobold Vofü? Meistens schläft er in irgendeinem Küchenkastl, unter der Werkbank, in der Garage, in der Ankerkiste. Vofü ist ein unauffälliger Zeitgenosse. Doch kaum setzt jemand an, eine besondere Errungenschaft publikumswirksam zu präsentieren, wacht Vofü auf und verwandelt die Situation in ein historisches Desaster.
Ruhige Bucht, viele freie Bojen. Der Skipper einer einlaufenden Segelyacht steht am Bug. Viel zu laut und übertrieben deutlich doziert er über die Vorzüge eines genialen Bootshaken-Prototyps. Auch jene Crews, die längst sicher an der Boje liegen, sollen den Vortrag offenbar vollinhaltlich mitbekommen. Vofü hört ebenfalls mit. Das Schiff nähert sich der Boje, Vofü klettert aus seinem Versteck, setzt den Bootshaken mittels selbstbekneifender Todesschlinge außer Gefecht, hüpft auf die Schulter des Steuermanns und flüstert ihm ins Ohr, dass er doch um eine Spur mehr Gas geben möge. Vom Bug ertönen Panikschreie: „Aus! Stopp! Halt!“ Schließlich ein weinerliches „Du Trottl!“ Der Skipper, der den Lamborghini unter den Bootshaken keinesfalls aus der Hand geben wollte, plantscht in der Bucht herum, versucht die Teile seines Demo-Objektes aus dem Leinen-Chaos an der Boje zu befreien. Job erledigt. Vofü (mit vollem Namen Vorführeffekt) zieht sich zufrieden zurück.

Bertl hat drei Monatsgehälter investiert. „In die beste Kamera der Welt.“ Davon ist er überzeugt. Leider ist er weder Profi noch Fotograf noch Trapezkünstler. Trotzdem schart er seine Fangemeinde um sich. Bertl eröffnet seine Galavorstellung mit den Worten. „Die besten Bilder entstehen in full action!“ Er verlangt nach dem Bootsmannstuhl. Vofü riskiert zwar ein Auge, doch für die blauen Flecken, die sich Bertl fünfzehn Meter über dem Meeresspiegel selbst zufügt, ist er nicht zuständig. Schließlich ist er ein Kobold, kein Mörder.
Nach diesem ersten Akt lässt Bertl das Dingi zu Wasser. Vofü schickt lediglich ein paar kleine Wellen. Genau in jenem Moment, in dem Bertl mit dem linken Fuß auf der Badeplattform und mit dem rechten im Dinghi steht. Die beste Kamera der Welt umklammert er mit beiden Händen. Bertl ist auch kein Bodenturner. Die Sekunden, die er sich im Spagat hält, werden zur Ewigkeit. Die im Zeitlupentempo einher stürmende Crew greift um ein paar Millimeter ins Leere: „Platsch!“ Winselnd erklimmt Bertl die Badeleiter. Kamera irreparabel. Auch die Fotos aus dem Bootsmannstuhl sind über den Jordan gegangen. Vofü ist happy. Bertl bleibt eine Leistenzerrung zum Preis von drei Monatsgehältern.

Vofü treibt auch an Binnengewässern sein Unwesen. Da sitze ich mit einem überzeugten Vertreter des Salzburger Fremdenverkehrs auf der Terrasse eines See-Restaurants im Salzkammergut. Die lange Wartezeit aufs Essen überbrückt er mit einer endlosen Serie feuriger Werbespots zu den Vorzügen seiner geliebten Heimat. Obwohl ein guter Bekannter, irritieren mich seine abfälligen Vergleiche mit anderen Bundesländern. Auch Vofü wird langsam unruhig.

Ich bestelle ein Steak, was der ambitionierte Botschafter der heimischen Gastronomie als Fehler belächelt. Er freut sich übertrieben schmatzend auf seine Fischplatte und hält einen Vortrag über die unerreichte Qualität der hiesigen Süßwasserfische. Vofü ist inzwischen hellwach. Mein Steak kommt; wenig später seine Fischplatte. Der Tourismusexperte durchstöbert erst seinen Salat, dann das Gemüse, schließlich wirft er einen neidischen Blick auf meinen Pinzgauer Hochalmochsen. Verstört ruft er den Kellner und es kommt zum legendären Dialog:

„Herr Ober, was soll das sein?“
„Das ist eine Fischplatte, mein Herr.“
„Und wo ist der Fisch?“
„Ui, den hamma vergessen.“

Noch heute bin ich dankbar für diese unvergesslichen Festspiele des Salzburger Humors und den Gesichtsausdruck der beiden Männer. Zwischen Bodensee und Neusiedler See findet man keine bessere Situationskomik. Zur Ehrenrettung der Salzburger Gastronomie: Das Steak war fantastisch!

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