Künstlerische Freiheit

Mit Hilfe der zeichnenden Landratte Reini Buchacher gelang es dem schreibenden Skipper Jürgen Preusser, das altbekannte Revier der Kornaten neu für sich zu entdecken

Künstlerische Freiheit

Eines vorweg: Es war für die gesamte Crew eine große Ehre, mit einem Weltrekordmann gesegelt zu sein. Und eine Herausforderung. Nein, wir hatten weder Thomas Coville, noch Alex Thomson, Ken Read, François Gabart, Boris Hermann oder Christian Kargl an Bord.
Dafür den Reini Buchacher.

Klingelt es? Der 63-jährige Gailtaler hat keine Segel-Bestmarke gebrochen, steht aber trotzdem im Guinness Buch der Rekorde. Und zwar als schnellster Schnellzeichner der Welt. Buchacher hat 174 Menschen innerhalb von 60 Minuten porträtiert. Da ich in den letzten vierzig Jahren mit ungefähr ebenso vielen verschiedenen Typen in irgendwelche Häfen gespült wurde, erschien er mir als Idealbesetzung, um im Buch „Abdrift 1 – Satire für Segler“ alle Illustrationen zu zeichnen.

Die Sache hatte allerdings einen Haken. Einen Bootshaken, wenn man so will: Reini Buchacher hatte nie zuvor auch nur einen Fuß auf ein Segelboot gesetzt. Nachdem wir vor Erscheinen noch ein paar nautische Kuriositäten in seinen Zeichnungen entdeckt und im letzten Moment wegretuschiert hatten, meinte Buchacher leicht irritiert: „Ein zweites Buch zeichne ich sicher nicht! Außer du nimmst mich auf einen Törn mit.“

Eine gefährliche Drohung, aber keine unverschämte Forderung, fand ich. Also gab ich ihm ein Versprechen und löste es auch ein: Im Juni 2018 segeln wir gemeinsam in Kroatien; Großraum Kornaten. Ein klassisches Revier also, in dem es kaum ein Motiv gibt, das nicht schon tausendmal fotografiert wurde. Mein Auftrag an Buchacher lautete daher folgendermaßen: Wir verzichten auf Fotos, dafür zeichnest du alles, was dir auffällt. Ein völlig neuer Zugang zu einem altbekannten Revier also.

Der Künstler ist schon wenige Minuten nach dem Ablegen sprachlos. Nicht etwa aus Respekt vor der bei mäßiger Bora schief liegenden Bavaria 45, sondern vor lauter Begeisterung für die Inselwelt zwischen Pašman und Žut, für den Nationalpark Telašćica, der ihn ein bisserl an die Kärntner Seen erinnert. „Allerdings fehlt der Pyramidenkogel“, klagt Buchacher, findet aber keine Mitstreiter für seine grenzgeniale Geschäftsidee, den Aussichtsturm vom Wörthersee hierher zu verpflanzen.

Als wir die Kornaten erreichen und uns ein Regatta-Feld im Windstrich entlang der Insel Kornat überholt, muss der gute Reini sehr oft seinen Bleistift spitzen. Mit offenem Mund bestaunt er die „Wüste mitten im Meer“, wie er sagt, die den anderen an Bord fast ein bisserl zu vertraut ist. „Wenn das mit den Motiven so weitergeht, bekomme ich noch einen Tennisarm“, raunzt er. Also verschweigen wir ihm, dass wir soeben die Ruinen der Insel Mana passiert haben, auf der 1959 ein paar Szenen eines Films mit Maria Schell gedreht worden waren. „Raubfischer in Hellas“ hieß der Streifen, der von der Kritik entsetzlich verrissen wurde und vom Oscar so weit entfernt war wie Kornaten von den Fidschi-Inseln. Die Tatsache, dass Regisseur Horst Hächler – Maria Schells Ehemann – den Ort des Geschehens vom national-konservativen Griechenland des Konstantin Karamanlis ins damals kommunistische Jugoslawien des Josip Bros Tito verpflanzt hatte, war vermutlich noch der geringste Kunstfehler an diesem Machwerk.

Stichwort Kunstwerk: Die Augen eines Künstlers und die eines Kindes haben viel gemeinsam. „Wahrscheinlich, weil jeder Künstler ein ewiges Kind ist“, philosophiert Reini Buchacher. Nun, das trifft wohl auch auf Segler zu: Als wir uns mit einem Nachzügler der Regatta-Flotte ein kleines Duell liefern und tatsächlich gut mithalten können, glänzen acht Augenpaare an Bord. Der ideale Moment für den passenden Witz:

Sagt ein Siebenjähriger zur Mama: „Wenn ich erwachsen bin, will ich Segler werden.“ Darauf die Mutter: „Du musst dich entscheiden: Beides geht nicht!“

Und Reini lacht am lautesten, denn er hat den gleichen Witz bereits mit Karikaturist statt Segler gehört. Irgendwann legt der Zeichner seinen Stift weg, weil er sein ganzes Gefühl für saubere Linien auf das Ruder übertragen will: Uns siehe da, er steht gefühlvoll und sicher wie kaum ein anderer Neuling am großen Rad.

Wechsel der Perspektive

Seine Begeisterung für alles, was wir hier erleben dürfen, hilft auch uns, die steinerne Welt der Kornaten mit neuen Augen zu sehen. Allen Unkenrufen zum Trotz entdecken wir bisher links liegen gelassene Buchte sowie originelle Wirtshäuser – zwar nicht billig, aber durchaus preiswert und stets bemüht, uns die überzogenen Nationalparkgebühren durch einen Anlegeplatz am privaten Steg zu ersparen. Thymian, Lavendel, Oleander und Salbei liegen in der salzigen Seeluft.

Trittsicher wie eine Gailtaler Bergziege und stets wachsam, seine unbezahlbaren Finger vor geheimnisvollen Gerätschaften, wie beispielsweise eine Winsch, zu schützen, meistert Buchacher alle Herausforderungen. „Siehst du die Borawalze?“ fragt einer. Und der Künstler sucht im Cockpit-Tisch nach der Antwort. Nein, da geht es nicht um eine Prinzenrolle einer bestimmten Keks-Firma, sondern um die weiße Schaumrolle über dem Velebit-Gebirge. Schulmäßig wie aus dem B-Schein-Skriptum dräut sie in der Nachmittagssonne.

Die gesamte Story lesen Sie in der Yachtrevue 8/2019, am Kiosk ab 2. August!

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