Mon dieu! Sie sind zu früh!

Die in der Juni-Ausgabe veröffentlichte Kolumne „Ordination Ankerbucht“ sprach offenbar vielen Ärzten aus der Seele

Mon dieu! Sie sind zu früh!

Normalerweise pflegt der Patient einen Arzt zu konsultieren. Bei mir ist das seit Monaten umgekehrt: Zahlreichen segelnden Medizinern des Landes brennen ihre Erlebnisberichte unter den Fingernägeln. Also konsultieren sie mich. Natürlich bleiben sie alle anonym. Denn das Arztgeheimnis gilt auch auf See.

Poros, Griechenland: Primarius G. (sogar der Buchstabe ist frei erfunden) schildert folgenden Dialog:
„Hab ich ein Glück, dass ich Sie treffe, Herr Doktor! Meine Kniescheibe ist völlig verdreht, tut höllisch weh und ist um zwei Zentimeter verschoben.“
„Ich bin Gynäkologe. Aber nehmen Sie ein Schmerzmittel.“
„Ich hab’ geglaubt, Sie sind ein richtiger Arzt!“
„Ja eh! Gynäkologe heißt Frauenarzt.“
„Na und? Haben Frauen denn keine Kniescheibe?“

Ölüdeniz, Türkei: Medizinalrat F. erzählt von einem älteren Herren, der beim Belegen einer Leine auf dem Steg brüllend zusammenbricht und sich vor Schmerzen krümmt:
„Jössas, was haben Sie denn!“
„Einen Bandscheibenvorfall. Aber das kenn ich schon!“
„Ich bin Arzt, kann ich Ihnen helfen?“
„Jo. Holens die leeren Bierkisten aus der Backskiste.“

Agropoli, Italien: Turnusärztin Dr. L. bemerkt, wie ein älterer Herr beim Aufstieg in den Altort einen Schwächeanfall erleidet. Sie kümmert sich um ihn und erfährt, dass dieser selbst Arzt ist, allerdings im Ruhestand.
„Ich kann zum Schiff laufen, dort habe ich Kreislauftropfen in meinem Ärztekoffer.“
„Wie lang sind Sie denn schon Ärztin?“
„Seit drei Monaten.“
„Was? Und da dürfen’s schon auf Urlaub gehen? Warten’s lieber, bis ich tot bin, dann können’s Sezieren üben.“

Narbonne, Frankreich: Gerichtsmediziner Dr. Y. wird im Bistro als Arzt entlarvt. Und zwar von einem Franzosen mit guten Deutschkenntnissen:
„Güt, dass isch eine Döktör treffe. Isch ‘abe sehr groß Köpfweh, ‘aben Sie vielleischt ein Pille für mik?“
„Leider nein, ich bin Pathologe.“
„Mon dieu! Sie sind zu früh!“

Murter, Kroatien: Oberarzt Dr. W. steht im Waschraum der Marina Betina und putzt Zähne. Im Spiegel sieht er, wie ein auffallend kleiner alter Herr auf ihn zustürmt:
„Jö, Herr Doktor! So ein Glück, was ich hab! Ich steh bei Ihnen in der Kartei.“
„Das glaub‘ ich nicht. Ich bin Kinderarzt.“
„Naja, mein Enkerl ist Patient bei Ihnen.“
„Also gut, was ham’s denn für Beschwerden.“
„Ich habe mir den Daumen gequetscht. Schaun’s her: Der ist eh nicht viel größer als bei Ihren normalen Patienten.“

Ravni Zakan, Kroatien: Tierarzt Dr. S. (auch er besteht auf dem Arztgeheimnis) wird von einer Schwimmerin angesprochen:
„Herr Doktor, ich hab lauter Seeigel-Stacheln im Fuß. Können’s mir helfen?“
„Hörn’s, ich bin Veterinär!“
„Macht nix, ich ess eh auch nur ganz wenig Fleisch.“
„Nein, nicht Vegetarier: Veterinär! Ich bin Tierarzt!“
„Ach so. Tschuldigung. Aber a Seeigel is eh a Tier, oder?“

Galaxidi, Griechenland: Apropos Tierarzt, beziehungsweise eben nicht Tierarzt. Psychiater Prof. Dr. F. wird mit folgendem Problem konfrontiert:
„Sie können mir sicher helfen: Mein Hund hat Durchfall und scheißt dauernd das ganze Deck voll.“
„Hörn’s, ich bin Psychiater, kein Tierarzt!“
„Macht nix, vielleicht müssen’s ihm nur ein bisserl gut zureden. Die Puppi ist zwar aus der Slowakei, versteht aber eh schon gut Deutsch.“

Manche Storys sind nicht mehr persönlich zuzuordnen. Etwa der Wutanfall eines Arztes, den ich höchst persönlich im Waschraum der Marina Tankerkomerc von Zadar erlebt habe. Wortlaut seines Brüllkrampfs:
„Das ist eine Marina und kein Geriatrie-Zentrum!“

Und dann war da noch unser Bootsnachbar in Mahón, Menorca, der unseren Crew-Arzt quer über die Reling um einen kleinen Gefallen gebeten hat:
„Sag, du bist doch Chirurg: Kannst du einen Wolfsbarsch zerlegen?“

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